Schleswig-Holstein: Unternehmer klagen über ungerechte Corona-Beschlüsse

Der Lockdown wird zunächst bis zum 7. März verlängert – darauf haben sich am 10. Februar Bund und Länder geeinigt. Doch erste Lockerungen soll es je nach Ermessen der einzelnen Bundesländer schon vorher geben. In Schleswig-Holstein werden demnach die Schulen, Kitas und Friseure schon bald wieder öffnen. Für Gastronomen, Einzelhändler und Sportstätten unter anderem sieht es dagegen noch anders aus. Der Kieler Stufenplan stößt deshalb gerade bei Unternehmern auf harsche Kritik. Lockerungen haben „nur noch mit Willkür zu tun“: Kein Verständnis hat etwa Peter Duschek aus Lübeck. Der 39-Jährige ist seit zehn Jahren als „Der Fitnessökonom“ im Präventionssport tätig und hat sechs Angestellte. So bietet er zum Beispiel Rückenschule auf Kosten der Krankenkassen an. „Wir sind schon gesundheitsrelevant, aber nicht systemrelevant“, berichtet er. „Leider fallen wir aktuell unter den Bereich Sport und dürfen nicht arbeiten.“ Dass nun Haareschneiden wichtiger sei als der Körper, habe für ihn „nur noch mit Willkür zu tun“. Dabei wolle er nicht die Friseure an sich kritisieren – die Lockerungen sollten aber für alle Betroffenen fair sein. Sportstätten: Aufgebrauchte Rücklagen und Kurzarbeit: Sabine Peters führt seit zehn Jahren das Studio „Yoga Pur“ an der Untertrave. Und das will sie unbedingt erhalten, weshalb sie seit November in einem Callcenter arbeitet, um ihre Miete zu zahlen und ihre Söhne unterstützen zu können. Die Rücklagen seien inzwischen aufgebraucht, die Hälfte der Studio-Mitglieder habe sie verloren. „Für die Friseure ist es toll und wichtig, dass sie wieder öffnen dürfen, aber die Begründung dafür leuchtet mir nicht ein“, bedauert die 54-Jährige. Gesa Jörgensen vom „Fit in Form“ in der Welsbachstraße sieht das ähnlich: „Friseure sind den Leuten doch viel näher als wir im Fitnessstudio, aber ich gönne es ihnen, dass sie wieder öffnen dürfen.“ Aktuell gibt sie einige Online-Kurse, ihre festen Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Trotzdem bleibt sie zuversichtlich und bereitet sich auf die Wiedereröffnung vor. „Das wird dann Hybrid-Training: Wir übertragen aus den Kursen parallel online“, erklärt Jörgensen. Restaurantchef hofft auf Öffnung zu Ostern: Für die Gastronomen im Norden kommt die Verlängerung des Lockdowns nicht überraschend. „Ich glaube auch noch nicht mal, dass wir am 15. März wieder öffnen dürfen. Ich habe das dumpfe Gefühl, das wird noch länger dauern“, sagt Klaus Strahlendorf, der seit fast 40 Jahren das Restaurant „Zum Kamin“ in Bad Oldesloe betreibt. Er will sich aber nicht beklagen. „Das Außer-Haus-Geschäft kann zwar den normalen Betrieb nicht ersetzen, aber wir sind zufrieden, unsere Stammgäste unterstützen uns sehr. Und auch mit den Zahlungen vom Staat hat bisher alles geklappt“, sagt Strahlendorf. Der Restaurantchef hofft auf eine Öffnung zu Ostern. „Wichtig ist, dass wir nach einer Öffnung nicht gleich wieder zurückrudern“, betont Strahlendorf. Dehoga: Langfristige Öffnung ist entscheidend: Diese Einschätzung teilt auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) im Norden. „Letztlich nützt es nichts, wenn wir am 15. Februar oder 1. März aufmachen und dann alle am ersten Mai wieder schließen müssen. Denn dann beginnt die Zeit, in der die meisten von uns auch am meisten Geld verdienen“, sagt Lutz Frank, Vizepräsident des Dehoga-Landesverbandes und Betreiber des Restaurants am Ihlsee in Bad Segeberg. Entscheidend sei, dass es – wenn auch unter Auflagen – zu einer langfristigen Öffnung komme. „Und wenn wir dazu beitragen können, indem wir im Februar und teilweise noch im März geschlossen haben, dann ist das so“, sagt er und verhehlt zugleich nicht, dass es unter den Gastronomen auch andere Stimmen gebe. Frank: „Viele Kollegen wünschen sich auch den 1. März und können nicht verstehen, dass die Friseure dann wieder öffnen dürfen, sie selbst aber nicht.“ Einzelhändler: Ohne Öffnung „wird’s zappenduster“: Lorenz Harms, Geschäftsführer des Oldenburger Mode- und Sporthauses Johannsen, hat zwar „vollstes Verständnis für die erwartete Lockdown-Verlängerung“. Er findet die Verschärfung auf den zur Wiederöffnung maßgeblichen Inzidenzwert von 50 auf 35 aber „überraschend bis unglaublich“. Harms vermisst mit Blick auf die nötige Vorlaufzeit für einen Re-Start „auch weiterhin eine längst versprochene, verbindliche Strategie“ und fordert: „Spätestens zu Ostern muss es wieder losgehen.“ Auch Jan Rohde vom gleichnamigen Heiligenhafener Mode-Kaufhaus betont: „Mit Blick auf die unwägbare Entwicklung der Virus-Mutation ist die Lockdown-Verlängerung natürlich nachvollziehbar.“ Es werde aber mindestens mit zweierlei Maß gemessen, wenn Rewe, Aldi, Lidl & Co. öffnen und auch Textilwaren in mitunter engen Gängen verkaufen dürften, „während wir mit reichlich Platz und guten Hygienekonzepten weiter schließen müssen.“ Rohde mahnt angesichts der erhöhten Inzidenz-Hürde: „Wenn bis Mitte März für uns und auch die Tourismus-Branche keine Öffnung in Sicht kommt, wird's zappenduster.“ Nur eine Chance zur Schadensbegrenzung: Fast schon philosophisch gibt sich der Fehmaraner Kaufhausketten-Inhaber Martin Stolz und sagt: „Mit dieser neuen Verschärfung laufen die ungleichen Handelsmärkte noch weiter konträr auseinander – möglicherweise unumkehrbar in Richtung des Digitalen. Aber wir brauchen zum Leben die reale Welt.“ Stolz befürchtet: „Die einzige Chance, ein totales Desaster im stationären Einzelhandel noch zu verhindern, ist die vernünftige Handhabung der Überbrückungsghilfe III als Schadensbegrenzung.“ Handelsverband fordert gleiche Bedingungen für alle: Kritik kommt derweil nicht nur von den einzelnen Unternehmern. Auch zahlreiche Verbände und Kammern melden sich zu Wort. So hält der Handelsverband Nord die vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) angekündigte Öffnung von Gartenbaucentern für richtig, wünscht sich aber gleiche Bedingungen für alle. Die Hygienekonzepte im Handel seien im Grundsatz überall ähnlich, sagt Geschäftsführerin Mareike Petersen. Im Lebensmittelhandel habe sich gezeigt, dass eine sichere Öffnung von Geschäften möglich sei. „Wir würden uns weitergehende Öffnungen wünschen.“ Problematisch wäre aus ihrer Sicht ein unterschiedliches Vorgehen der Bundesländer. „Wie soll dann Einkaufstourismus verhindert werden?“ IHK: Strategie vermittelt keine Perspektiven: Auch Friederike C. Kühn, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schleswig-Holstein, kritisiert: „Immer noch lässt die Politik die versprochenen Perspektiven vermissen.“ Die Stimmung in den vom Lockdown betroffenen Branchen sinke weiter ins Bodenlose. Die Zielmarke der 7-Tage-Inzidenz von 50 sei in einigen Landkreisen bereits erreicht oder zumindest greifbar. „Und jetzt, da Lockerungen endlich in Reichweite waren, wird der Wert scheinbar willkürlich auf 35 abgesenkt“, schimpft Kühn und stellt in Frage, was wohl ab dem 7. März gelten soll. „Die Öffnungsstrategie vermittelt den betroffenen Wirtschaftsbereichen keine ausreichenden Perspektiven, die ihnen das Durchhalten erleichtern.“ UVNord: Beschlüsse sind „ungerecht und unsystematisch“: Der Unternehmensverband UVNord bemängelt die Beschlüsse indes als „unausgegoren, ungerecht und unsystematisch“. Sowohl das Herangehen der Kanzlerin wie auch der „verkrustete Föderalismus schadeten dem Standort Deutschland massiv, in gesundheitlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht, erklärt UVNord-Präsident Uli Wachholtz. Er ist sich sicher: „Die Stimmung der norddeutschen Wirtschaft wäre nicht ganz so negativ, wenn es dem Bund wenigstens gelungen wäre, zugesagte Hilfen schnell und unbürokratisch auszuzahlen.“ Lesen Sie auch Zoos, Nagelstudios, Sport: SH kündigt weitere Lockerungen an Schulen und Kitas: So öffnen SH, MV, Hamburg und Niedersachsen Corona in Schleswig-Holstein und Lübeck: Aktuelle Zahlen am 11.02.2021 Und was sagen Sie? 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