Schleswig-Holstein: Virologen kritisieren Corona-Beschlüsse

Der Lockdown im Land geht weiter, und er wird über die Ostertage sogar noch einmal verschärft. Die Ministerpräsidenten haben sich in ihrer Konferenz mit der Kanzlerin in der Nacht zu Dienstag darauf geeinigt. Die beiden führenden Virologen in Schleswig-Holstein, Jan Rupp und Helmut Fickenscher, sind mehr als skeptisch, ob das sinnvoll ist. Fickenscher hält längerfristige Effekte für unwahrscheinlich: Durch eine kurzzeitige Verschärfung der Regeln lasse sich möglicherweise ein kurzfristiger Fallzahlanstieg über Ostern vermeiden, sagt Helmut Fickenscher, Professor am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel. Längerfristige Effekte auf die Pandemie seien „durch diesen Beschluss aber unwahrscheinlich. Die dritte Welle wird sich durch wenige Tage eines verstärkten Lockdowns nicht relevant beeinflussen lassen.“ Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz gehe von einer erheblichen Bedrohungslage aus und halte daher eine kurzzeitige Verschärfung für den richtigen Weg, sagt Fickenscher. Der Mediziner hingegen geht davon aus, dass sich „der kontinuierlich leicht ansteigende Trend in Schleswig-Holstein vorerst fortsetzen wird“. Rupp: Akzeptanz der Bevölkerung ist wichtig: „Alle jetzt getroffenen Entscheidungen müssen sich daran messen lassen, wie hoch die Akzeptanz der Bevölkerung ist, diese mit umzusetzen“, gibt der Lübecker UKSH-Virologe Jan Rupp zu bedenken. Und da könnten die MPK-Beschlüsse nach hinten losgehen. Liebe Leserinnen, liebe Leser: Dieser Artikel wurde geschrieben, als eine andere Nachrichtenlage galt als heute (24.03.2021). Die „Osterruhe“ wurde mittlerweile gekippt und kommt doch nicht. Hier lesen Sie alles dazu. Denn genauso, wie Lockerungen nicht dazu verleiten sollten, die Regeln und Kontaktbeschränkungen zu missachten, können Verschärfungen zu einer Stimmung führen, in der sich jeder Haushalt einfach seine eigene Strategie zurecht lege, mit der Pandemie umzugehen. So könne Pandemiebekämpfung nicht funktionieren. Das gelte umso mehr, als es derzeit keine Belege dafür gebe, dass die ersten Lockerungsschritte für die wieder ansteigenden Inzidenzen verantwortlich sind, „wohl aber zahlreiche Berichte von einer deutlichen Zunahme von Infektionen im häuslichen Umfeld und Beruf“, sagt Rupp. Klare Testkonzepte und mehr Bürgertests: Es brauche daher jetzt viel eher klare Testkonzepte für Betriebe und den Einsatz von Schnelltests und Bürgertests für die Bevölkerung, sagt Jan Rupp. Die Politik müsse dabei kommunizieren, dass es durch die Schnelltests aber keine Lockerung der generell weiter gültigen Regeln geben wird. Lesen Sie auch Lockdown zu Ostern: SH berät Corona-Maßnahmen Betrug in Lübecker Corona-Testzentrum? Beschuldigte an Schulen aktiv Verschärfter Corona-Lockdown zu Ostern: Einzelhändler in SH verärgert Erst flächendeckende Impfungen im Mai und Juni werden das Blatt wenden können, glaubt Rupp. Aufgrund der aktuellen Infektionsdynamik und der leichteren Übertragbarkeit der Virusvariante B 1.1.7 gehe er über Ostern zunächst von weiter steigenden Fallzahlen aus. Seine Hoffnung: die Vernunft der Bevölkerung. Leiste jetzt nicht jeder noch mal seinen Beitrag, sei sogar eine Inzidenz von über 200 denkbar. Seine Sorge: Dann werde man in den kommenden Wochen auch viele jüngere Patienten mit schweren Symptomen im Krankenhaus zu versorgen haben. Von Wolfram Hammer, Hannes Lintschnig