Schnelltests: Land Schleswig-Holstein sieht Boom kritisch

Weil niemand an Weihnachten die Großeltern mit Corona anstecken möchte, haben Schnelltests vor allem bei Jüngeren Hochkonjunktur. In Kiel bietet ab dem 21. Dezember ein „Coronamobil“ am Schwedenkai neben PCR-Tests auch Antigen-Schnelltests für Jedermann an. In Flensburg kann man sich auf dem Diako-Parkplatz per Schnelltest überprüfen lassen. Am 23. Dezember will auch der Kreis Rendsburg-Eckernförde kostenlose Antigen-Schnelltests für junge Leute anbieten. Von 12 bis 18 Uhr können sich alle Zehn- bis 30-Jährigen in der Sparkasse am Röhlingplatz in Rendsburg testen lassen. In Bad Segeberg wird vom 21. bis 23. Dezember eine Anlaufstation für Antigen-Schnelltests in der Sporthalle der Burgfeldschuele eingerichtet. Getestet wird am 21. und 22. Dezember von 9 bis 19 Uhr und am 23. Dezember von 9 bis 14 Uhr. Der Test kostet 35 Euro, Anmeldungen unter www.safe-santa.de. Gesundheitsministerium appelliert: Corona-Regeln einhalten! Trotz dieser Angebote sind im Vergleich zu anderen Bundesländern Schnelltest-Möglichkeiten in Schleswig-Holstein aber immer noch Mangelware. Christian Kohl, Sprecher des schleswig-holsteinischen Gesundheitsministeriums, erklärt den Grund: Problematisch an Schnelltests sei die im Vergleich zu herkömmlichen Tests höhere Fehlerquote. Deshalb appelliert das Gesundheitsministerium an alle Schleswig-Holsteiner, auch bei einem negativen Testergebnis weiterhin die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. Lübecker Labor bietet bewusst keine Schnelltests an: Auch das Lübecker Testzentrum der Laborärztlichen Gemeinschaftspraxis sieht Corona-Schnelltests kurz vor Weihnachten kritisch. Antigen-Schnelltests seien oft ungenau, betont Zentrumsleiter Andreas Bobrowski. „Nur bei hoher Viruslast, etwa zu Anfang der Infektion, wird die Erkrankung nachgewiesen.“ Das bedeutet: Wenn zum falschen Zeitpunkt getestet wird, zeigt der Schnelltest ein negatives Ergebnis, obwohl der Getestete infiziert und damit auch ansteckend ist. Das passiert dann, wenn die Viruslast noch nicht so hoch ist, denn die Sensitivität von Schnelltests ist geringer als bei herkömmlichen Tests. „Deshalb machen wir das nicht. Es wäre unverantwortlich“, sagt Andreas Bobrowski. Pflegeheime: Sicherheit durch regelmäßige Testung: Sinnvoll sind Schnelltests laut Christian Kohl dagegen in Pflegeheimen, wo sie regelmäßig angewendet werden. Denn bei einer engmaschigen Testung könne niemand durchs Raster rutschen. Das Land verbiete aber privaten Anbietern nicht, auf diesem Markt tätig zu werden, erklärt Marius Livschütz vom Kieler Gesundheitsministerium. „Vorgeschrieben ist nur, dass medizinisches Fachpersonal den Test abnimmt.“ Die Tests dürften von Apotheken auch nur an medizinisches Personal oder Ärzte abgegeben werden. Der Landesregierung sei wichtig, dass Menschen, die in Einrichtungen lebten oder das Personal dort sich testen lassen könne. „Das hat für uns Priorität.“ Einmaliger Test hat wenig Aussagekraft: Ein einmaliger Test dagegen könnte dazu führen, dass sich die Menschen in einer falschen Sicherheit wiegen. Auch der Kreis Segeberg sieht die örtliche Schnelltest-Möglichkeit kritisch: „Der Kreis bleibt wie das Gesundheitsministerium und das Robert-Koch-Institut skeptisch gegenüber derartigen Schnelltest-Initiativen“, sagt Landrat Jan Peter Schröder. „Wir nehmen die Aktion zur Kenntnis, weisen aber nochmals ausdrücklich darauf hin, dass diese Art der Testung verschiedene Ungewissheiten und vor allem Risiken birgt.“ Ein negatives Ergebnis sei kein Freifahrtschein. „Es muss klar sein, dass es sich hierbei immer nur um eine Momentaufnahme handelt und es ein paar Stunden oder ein, zwei Tage später ganz anders aussehen kann.“ Neue Testverordnung in SH: Wer jetzt nur noch getestet wird Kürzere Quarantäne: Das sind die neuen Regeln für Reiserückkehrer So verhalten Sie sich, wenn Sie keinen Corona-Test bekommen Das sind die neuen Corona-Schnelltests – und so werden sie eingesetzt Positiv auf Corona getestet worden, aber nicht ansteckend? Was der Ct-Wert über die Infektiosität verrät Drosten: PCR-Corona-Tests sind „zweifelsfrei“ Was unterscheidet den Corona-Schnelltest vom PCR-Nachweis? Wie entscheidend sind „falsch positive“ Testergebnisse? Falsch positives Ergebnis bedeutet einsame Weihnachten: Der Kieler Virologe Helmut Fickenscher teilt diese Einschätzung. Außerdem müsse jedem klar sein, dass es angesichts der nicht so hohen Zuverlässigkeit auch zu falsch positiven Ergebnissen kommen kann – mit unangenehmen Folgen. „Der Betroffene muss dann den genaueren PCR-Test machen lassen und das Ergebnis abwarten.“ Das liege aber bei einer Testung kurz vor Weihnachten unter Umständen erst nach den Feiertagen vor. Der Virologe vermutet, dass hinter dem Boom der Schnelltest-Möglichkeiten „vor allem kommerzielle Interessen stehen“. Warnung vor Tests aus dem Internet: Einhellig und eindringlich warnen Experten vor Corona-Schnelltests, die inzwischen im Internet erhältlich sind. „Es kommt immer darauf an, wer die Schnelltests macht. Wenn Sie ohne wirkliches Hintergrundwissen den Test durchführen, dann kann das zu vielen Problemen und falsch negativen Ergebnissen führen“, sagt der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. „Allein schon der Nasen-Rachenabstrich gestaltet sich für Laien sehr schwierig“, betont der Virologe. Virologe empfiehlt freiwillige Quarantäne: Laut Schmidt-Chanasit gibt es noch ein weiteres Problem: Nach einem negativen Schnelltest hat man nur wenige Stunden, in denen man tatsächlich sicher sein kann, dass man nicht auch infektiös ist, erklärt der Virologe. Bei einem PCR-Test sei dieser Zeitraum bis zu einem Tag lang, „weil er wesentlich empfindlicher ist als der Schnelltest“. Nach Ansicht des Virologen gibt es daher nur eine wirklich sichere Methode, die Familie an Weihnachten vor einer Ansteckung zu schützen: Man sollte sich vor dem Fest im Kreise seiner Lieben freiwillig in Quarantäne begeben. Von Grit Petersen