Schuleingangsuntersuchungen fielen aus: Grundschullehrer in SH fordern Unterstützung

„Die meisten Gesundheitsämter haben es nicht geschafft, die Schuleingangsuntersuchungen durchzuführen“, berichtet Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD). „Die können auch immer nur eine Sache machen und nicht alles gleichzeitig, und das ist das Problem.“ In Schleswig-Holstein hätten die Schuleingangsuntersuchungen 2020 nicht landesweit wie vorgesehen stattfinden können, bestätigt Christian Kohl, Sprecher im Gesundheitsministerium in Kiel. So konnten in Ostholstein nur gut Zweidrittel der 1500 Kinder schulärztlich untersucht werden. Ähnlich sieht es im Kreis Segeberg aus. Im Kreis Herzogtum Lauenburg wurden 80 Prozent der Schuleingangsuntersuchungen durchgeführt – 20 Prozent der Kinder wurden nicht angesehen. Bundesweit sollen nach Angaben des BVÖGD Zehntausende Erstklässler betroffen sein. Gesundheitsämter mit Corona beschäftigt: Grund sind nach Auskunft des Ministeriums zum einen die coronabedingten Einschränkungen und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen. Zum anderen sei eine Priorisierung in der Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes notwendig, um die Kontaktnachverfolgung von Corona-Patienten sicherstellen zu können, so Kohl. Die Gesundheitsämter im Land hatten im Frühjahr 2020 laut Sozialministerium insgesamt 578 Vollzeitmitarbeiter. Das war knapp. Denn schon in den Vorjahren hatte es wegen personeller Engpässe nicht für alle Kinder im Norden eine Schuleingangsuntersuchung gegeben. So konnten in Lübeck im Jahr 2018 rund zehn Prozent der Kinder vor dem Schulstart nicht untersucht werden. Ein Jahr zuvor hatten im Kreis Stormarn nur die Hälfte der angehenden Erstklässler untersucht werden können. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde aufgestockt: Die Gesundheitsämter der Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein sollen für ein Jahr lang bis zu 100 Mitarbeiter mehr bekommen. Nur in wenigen Bundesländern sei versucht worden, die Untersuchungen in der Phase nach dem Lockdown nachzuholen, etwa in Nordrhein-Westfalen, sagt Ärzte-Chefin Teichert. Aktuell seien die Gesundheitsämter mit den Reiserückkehrern beschäftigt. Einschulungsuntersuchungen, Ersthausbesuche, zahnärztliche Untersuchungen, Begehungen von medizinischen, Gemeinschafts- oder gewerblichen Einrichtungen jedoch könnten vielerorts nicht stattfinden. Lehrer sensibilisiert für Förderbedarfe: Bei den Schuleingangsuntersuchungen beurteilen Ärzte der Gesundheitsämter, ob ein Kind die körperlichen und sozialen Voraussetzungen für den Schulalltag erfüllt. Erkennen die Ärzte einen Förderbedarf, melden sie das im Regelfall den Schulen. Zugleich werden – noch vor dem Schulstart – therapeutische Maßnahmen eingeleitet, um bestehende Entwicklungsdefizite zu verkleinern. Nun aber müssten die Lehrer sehen, wie sie im Unterricht mit eventuellen Defiziten der Erstklässler umgehen, sagt Teichert. Die Lehrkräfte sind sensibilisiert dafür, auf besondere Förderbedarfe zu achten, heißt es aus Kiel. Unabhängig davon sollten die Kinder im Rahmen der üblichen Vorsorge-Untersuchungen über ihren Kinderarzt regelmäßig untersucht werden und die notwendigen Impfungen erhalten. „Es ist wichtig, dass Familien die Termine wahrnehmen“, betont der Sprecher. Lehrer-Verband fordert Unterstützung: Der Verband Bildung und Erziehung in Schleswig-Holstein, der die Interessen der Lehrkräfte an Grund- und Gemeinschaftsschulen sowie Förderzentren vertritt, sieht die Grundschulen vor großen Herausforderungen. „Die Lehrer stehen jetzt vor Kindern, die wegen Corona ohnehin ein halbes Jahr keine Kita besucht haben“, sagt Landesvorsitzender Christian Schmarbeck. Dazu käme noch der große Betreuungsaufwand wegen der Hygiene- und Abstandsregeln sowie mögliche Entwicklungsdefizite bei Erstklässlern. „Die Belastung für die Lehrkräfte ist groß.“ Weil gerade die kleinen Schüler permanent betreut werden müssten, sei teils keine Zeit, um auf die Toilette zu gehen, heißt es. Und es könnte noch schlimmer werden. Das System stehe „Spitz auf Knopf“. „Da darf jetzt niemand ausfallen“, meint Schmarbeck. Er fordert Unterstützung durch multiprofessionelles Personal: „Sozialpädagogen, Erzieher, Schulgesundheitsfachkräfte oder auch Lehramtsstudierende, die für eine befristete Zeit in den Grundschulklassen helfen, sollten eingesetzt werden.“ Es sei ein „Schuljahr des Ausprobierens“. Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Familienfeier, Grillabend, Mund-Nasen-Schutz: Diese Corona-Regeln gelten aktuell in SH Abstand, Hygiene, Gästezahl: Das sind die Vorschriften für private Feiern Corona-Knigge: So geht Urlaub im Norden während der Pandemie Volle Strände in Schleswig-Holstein: Hier finden Tagestouristen Alternativen So bereiten sich Schulen auf eine mögliche zweite Welle vor Corona-Tests an Schulen: Die neue Strategie der Landesregierung Corona-Kurve stark abgeflacht – UKSH-Experte warnt vor Leichtsinn Lockerungen: Diese Dinge sind seit dem 20. Juli in Schleswig-Holstein erlaubt Abstands- und Hygieneregeln in Schleswig-Holstein: So teuer sind Verstöße Das sind jetzt die Regeln für Restaurants und Gaststätten in Schleswig-Holstein Zum Nachfahren: Schöne Fahrradtouren rund um Lübeck Schutzmasken richtig tragen: So geht’s! Diese Maskentypen gibt es – und so werden sie richtig genutzt Maskenpflicht in Schleswig-Holstein – das müssen Sie wissen #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Diese Veranstaltungen in Schleswig-Holstein fallen aus Von Julia Paulat