Schulschließung wegen Corona? Ministerium will langsame Öffnung

Alle Schulen schließen, und zwar sofort – das ist die Forderung von Thorsten Muschinski, Vorsitzender im Landeselternbeirat (LEB) der Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein. Der Grund: Die Entwicklung der Corona-Infektionszahlen sei nicht abzuschätzen. „In dieser Situation auch die Schulen zu öffnen, stellt selbst unter den beschlossenen Hygienevorgaben ein unüberschaubares Risiko dar, welches nicht vertretbar ist“, sagt Muschinsky. Außerdem: „Sollte sich die Zahl der Infektionen von Lehrkräften nach Öffnung der Schulen erhöhen, ist zudem mit einem Zusammenbruch des Schulsystems zu rechnen.“ Bildungsministerium in Kiel von LEB-Forderung überrascht: Statt die Schulen zu öffnen, fordert Muschinski, freiwillige Home-Schooling-Angebote durch entsprechende technische und personelle Mittel zu erweitern. Die technische Ausstattung der Schüler müsse dabei gewährleistet werden. Im Bildungsministerium in Kiel zeigt man sich von der Forderung der sofortigen Schulschließung des Landeselternbeirats der Gemeinschaftsschulen überrascht. „Mit dem LEB der Gemeinschaftsschulen hat es auf unsere Einladung hin noch am Freitag eine Telefonkonferenz gegeben, auf der von dieser Forderung nicht die Rede war“, sagt Sprecherin Patricia Zimnik. Das Ministerium wolle „in dieser außerordentlichen und herausfordernden Situation, möglichst alle Interessen“ berücksichtigen. „Eine komplette Schließung der Schulen würde insbesondere die Kinder aus bildungsfernen Haushalten oder schwierigen Familienverhältnissen noch mehr benachteiligen. Das müssen wir vermeiden.“ Landeselternbeirat für Grundschulen: Home-Schooling verschärft Bildungsungerechtigkeit: Mehr Bildungsungerechtigkeit durch Schulschließungen befürchtet auch Volker Nötzold, Vorsitzender des LEB für Grund- und Förderschulen. Er bezeichnet die Forderung von Muschinski als „auf den ersten Blick unausgegoren“ und deswegen schwierig, inhaltlich zu bewerten. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach „Schulende fordern, aber Home-Schooling wollen: Das passt nicht zusammen“, sagt Volker Nötzold. „Im Home-Schooling geht die Schere der Bildungsgerechtigkeit weiter auseinander. Denn manche Eltern können ihre Kinder besser betreuen als andere“, sagt Nötzold. Besonders die Eltern, die Probleme mit der Betreuung haben, aber nicht in die Notbetreuung fallen, schauen laut Nötzold in die Röhre. „Diese Familien müssen wir im Blick behalten.“ Außerdem fordert Nötzold, dass bei der Öffnung der Schulen nicht zuerst die Viert-, sondern die Erstklässler in die Schule sollen. „Es ist viel einfacher, einen Viertklässler im Home-Schooling zu betreuen, als einen Erstklässler“, sagt Nötzold. „Erstklässler profitieren mehr vom Präsenzunterricht als ältere Schüler.“ Landeselternbeirat für Gymnasien will mehr „Lernen auf Distanz“: Claudia Pick, Vorsitzende des LEB für Gymnasien, nimmt ein sehr unterschiedliches Meinungsbild der Eltern zu diesem Thema wahr. „Ich kann nicht erkennen und vertreten, dass Eltern der Gymnasien einheitlich die Forderung der Schulschließungen unterstreichen“, sagt Pick. Deswegen ist sie auch nicht dagegen, die Schulen wieder zu öffnen, aber: „Bei einer Schulöffnung muss der Infektionsschutz höchste Priorität haben und das Hochfahren muss mit Augenmaß geschehen. Gleichzeitig muss die Qualität von ,Lernen auf Distanz’ verbessert werden.“ Pick lobt das Entscheidungsmanagement des Bildungsministeriums in diesen schwierigen Zeiten. „Wir stehen in regelmäßigem Kontakt mit dem Ministerium und werden in wichtigen Entscheidungen gehört. Es ist ein sehr transparenter Prozess“, sagt Pick. Lehrergewerkschaft: Schuljahr jetzt beenden wäre falsch: Auch die Lehrergewerkschaft GEW sieht die Schließung der Schulen kritisch: „Eine Beendigung des Schuljahrs zum jetzigen Zeitpunkt halten wir nicht für richtig“, sagt Astrid Henke, Vorsitzende der GEW Schleswig-Holstein. Sie hat bei der Öffnung der Schulen besonders die Mehrbelastung für Lehrkräfte im Blick. „Aufgaben für den Digitalunterricht und den Präsenzunterricht vorbereiten, Aufgaben verteilen oder verschicken, mit Kindern und Eltern telefonieren, Aufgaben und Prüfungsarbeiten korrigieren. Manch einer meint, die Lehrkräfte hätten im Moment nicht viel zu tun – das Gegenteil ist der Fall!“, sagt Henke. „Deshalb: Es geht nicht alles. Eine weitere Ausweitung der Arbeitszeit ist nicht akzeptabel.“ Kabinett berät am Dienstag über Vorgehen bei Schulöffnung: Im Ministerium in Kiel hält man weiter an dem Plan fest, die Schulen schrittweise zu öffnen. „Die Erfahrungen aus den Abiturprüfungen und den Vorbereitungen auf die weiteren Schulabschlüsse an den Gemeinschaftsschulen haben gezeigt, dass Hygiene und Abstandswahrung in den Schulen gut funktioniert haben“, sagt Zimnik. Wie die Schulöffnung genau vonstatten gehen soll, berät das Kieler Kabinett am Dienstag. Dabei werde nach Angaben des Ministeriums Lernen in der Schule, zu Hause und auf digitalen Kanälen von den Schulen gemeinsam und ergänzend gedacht, um möglichst allen Schülern gerecht zu werden. „Es kann jetzt nicht um die Rückkehr zur früher üblichen Stundentafel gehen, sondern um eine sehr vorsichtige Öffnung der Schulen für die Schülergruppen, die die Unterstützung am Nötigsten haben“, sagt Zimnik. „Insofern können wir auch den Bedarf an Lehrkräften, die in den Schulen präsent sein müssen, einschränken und werden deren Arbeitsaufwand genau beachten, zumal auch eine signifikante Gruppe von Lehrkräften selbst einer Risikogruppe angehört.“ Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So helfen Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck Hier gibt es in und rund um Lübeck noch Masken Diese Maskentypen gibt es – und so werden sie richtig genutzt So setzen Lübecker Geschäfte die 800-Quadratmeter-Regel um Maskenpflicht in SH für alle ab sechs Jahre Maskenpflicht in Schleswig-Holstein: Die LN beantworten die wichtigsten Fragen Diese Regeln gelten jetzt für die Geschäfte im Norden Diese Großveranstaltungen fallen im Norden aus Hier bekommen Betriebe im Norden Hilfe Von 150 bis 4000 Euro: Alle Bußgelder für Schleswig-Holstein im Überblick Von Hannes Lintschnig

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