Energy-Drinks: Lübecker Supermarkt stoppt Verkauf an Schulkinder

Schulkinder, die kaum über das Kassen-Laufband gucken konnten, kauften bei Edeka Krause in Lübeck Energy-Drinks. „Ich wollte das nicht mehr verantworten“, sagt Inhaber Sven Krause. „Energy-Drinks sind sehr ungesund.“ Er stellte ein Schild auf – und lässt sich seither von Kindern und Jugendlichen den Ausweis zeigen. „Wer jünger als 16 Jahre ist, bekommt die Drinks bei mir nicht.“ Ein negatives Echo habe er nicht, und dem Umsatz schade es auch nicht. „Die Energy-Drinks verkaufen sich so gut, dass ein paar weniger gar nicht ins Gewicht fallen.“ Jedes fünfte Schulkind nimmt Energy-Drinks: Ein Beispiel, das Schule machen könnte. „Bislang sind es nur die Drogerieketten DM und Rossmann, die sich selbst verpflichtet haben, Energy-Drinks nicht mehr an Jugendliche unter 16 zu verkaufen“, sagt Dario Sarmadi von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Doch reicht das? Fast jedes fünfte Schulkind nimmt laut einer Untersuchung der Krankenkasse DAK regelmäßig Energy-Drinks zu sich. Drei Prozent der Jugendlichen konsumieren täglich solche Aufputsch-Getränke. Zwei Drittel davon sind Jungen. „Gerade für Heranwachsende sind aufputschende Softdrinks bedenklich“, sagt der DAK-Vorstandsvorsitzende Andreas Storm. „Sie enthalten viel Koffein, sind extrem gesüßt und stecken voller synthetischer Zusatzstoffe.“ Die Krankenkasse DAK hat die nach ihren Angaben repräsentative Studie mit dem Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) in 13 Bundesländern gemacht. Rund 14 000 Mädchen und Jungen aus mehr als 900 Schulklassen wurden demnach befragt. Ergebnis: 19 Prozent der Mädchen und Jungen nehmen mindestens einmal im Monat Energy-Drinks. 6 Prozent tun das wöchentlich, 3 Prozent täglich. Zwei Drittel (63 Prozent) der Jungen und Mädchen mit täglichem Konsum berichten laut Studie von Problemen beim Ein- oder Durchschlafen. In der Gruppe derjenigen, die nie oder nur selten Energydrinks trinken, seien Schlafstörungen deutlich seltener (41 Prozent). UKSH: Warnung vor Konsum: Auch Ärzte im Norden sehen Gesundheitsgefahren. „Je mehr die Kinder und Jugendlichen davon trinken, desto schlimmer“, sagt die Lübecker Fachärztin Iris Schäfer. Sie sieht Anzeichen dafür, dass die Getränke abhängig machen. „Zunächst vermitteln sie ein gutes Gefühl.“ Der hohe Zuckergehalt sei jedoch schädlich für Zähne und den Hormonhaushalt, könne zudem zu Übergewicht führen. Die Aufputschmittel wie Koffein, Guarin oder Taurin führten zu Hyperaktivität, Schlaflosigkeit und in der Folge zu Aggressivität. „Ich habe einige junge Patienten in meiner Praxis, die zugeben, dass sie diese Drinks konsumieren. Alles Jungen.“ Werbung spricht Jugendliche an: Die Ernährungswissenschaftlerin Gabriele Müller vom Lübecker UKSH warnt vor dem Konsum der Drinks. Kinder und Jugendliche, die unter den Folgen leiden, erlebt sie in ihrer täglichen Praxis. Besonders bedenklich seien Energy-Drinks in Verbindung mit Alkohol. „Gesunde Nährstoffe enthalten sie nicht.“ Auch das sei bedenklich, da der hohe Zuckergehalt auch satt mache und richtige Nahrungsmittel so eventuell nicht mehr ausreichend aufgenommen würden. „Wir kennen die Wirkungen, wir wissen, das es schädlich ist“, resümiert Irene Johns, Landesvorsitzende des Kinderschutzbunds Schleswig-Holstein in Kiel. „Was brauchen wir noch?“ Sie plädiert für ein Verkaufsverbot an Kinder und Jugendliche. Die Werbung spreche jedoch gerade diese Zielgruppe an. „Es wird vermittelt, das Energy-Drinks cool sind – das wirkt vor allem auf männliche Jugendliche.“ Politiker: „Verbot geht zu weit“: In den Kieler Landtagsfraktionen indes gibt man sich bezüglich eines Verkaufsverbots für Jugendliche zurückhaltend. Eine Diskussion sei aber „im Interesse des Jugendschutzes und der Gesundheit“ notwendig, glaubt Marret Bohn von den Grünen. „Studien deuten darauf hin, dass Warnhinweise allein nur bedingt wirksam sind. Wir fordern deshalb eine bessere Information über die Wirkung von Energydrinks in Form einer bundesweiten Aufklärungskampagne über die Nebenwirkungen.“ Hans Neve (CDU) hält zunächst weitere Studien für nötig. „Vor allem sind auch die Eltern gefragt, ihrer Aufsichtspflicht gegenüber ihren Kindern nachzukommen.“ „Ein Verkaufsverbot an Kinder- und Jugendliche geht nach heutigem Kenntnisstand zu weit“, ergänzt Dennys Bornhöft von der FDP. „Ein Verbot darf immer nur das letzte Mittel darstellen.“ Die gesundheitlichen Auswirkungen müssten zunächst noch genauer untersucht werden. Möglicherweise sei „eine weitergehende Kennzeichnungspflicht“ ausreichend. „Viel wichtiger und wirkungsvoller als ein Verbot ist Prävention und Aufklärung der Jugendlichen“, sagt auch Tobias von Pein von der SPD. Krauses Kunden unterstützen ihn: Fragt man die Kunden in Krauses Laden in Lübeck, erhält man ein anderes Stimmungsbild. Die meisten finden es gut, dass Krause mit einem selbst auferlegten Verbot reagiert hat. „Super. Ich kann das nur unterstützen“, meint Martina Prüser (54), Heilpädagogin aus Lübeck. „Es sollten mehr Läden so verantwortungsvoll gegenüber Kindern sein.“ Sie selbst habe eine dreizehnjährige Tochter. Auch Jakob Krack (31) unterstützt Krauses Maßnahme. „Ich trinke so was nicht mehr“, sagt der Mechatroniker. „Ich hab’s mal probiert. Ich bekomme Herzrasen davon.“ Christoph Kowol (40) und seine Tochter (16) trinken lieber Waldmeister-Brause als Energy-Drinks. Es sei richtig, bei Kindern aufzupassen. „Das sollte eigentlich überall so sein. Da muss man aufpassen, genau wie mit Tabak und Alkohol.“ „Alles, was modern ist, wird ausprobiert“, weiß Barbara Müller (74) aus Erfahrung. Sie schüttelt den Kopf. „Ob es gesund ist, weiß man oft gar nicht. Das ist nicht gut.“ Und Sabrina Peroutka (26) trinkt selbst keine Energy-Drinks und hat auch keine Kinder. „Insofern hab ich da noch nicht drüber nachgedacht.“ Den Ausweis zu kontrollieren, mache ihrer Meinung nach aber wenig Sinn. „Dann holen sie es sich eben woanders.“ Nur ein generelles Verkaufsverbot könne helfen. Lesen Sie auch: Suchtexperten aus dem Norden fordern Warnhinweise auf Energy-Drinks Energy-Drinks: Warnhinweise statt Verbote in Deutschland Energy-Drinks: Ab zwei Dosen wird es für Jugendliche gefährlich Von Marcus Stöcklin

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