Studie der Commerzbank Lübeck: Noch keine Insolvenzwelle in Sicht

In Schleswig-Holstein hätten bisher nur vier Prozent der mittelständischen Unternehmen Mitarbeitern gekündigt, in Hamburg waren es sechs Prozent und bundesweit liegt der Schnitt bei acht Prozent, sagt Olaf Kaminski, Leiter der Unternehmerkundenbetreuung bei der Commerzbank Lübeck. 27 Prozent hätten in Schleswig-Holstein die Kurzarbeit genutzt, 59 Prozent seien in der ersten Welle der Krise ohne jegliche Personalmaßnahmen ausgekommen. „Das ist sehr, sehr erfreulich“, sagte Kaminski. Die finanziellen Hilfen hätten sich sehr positiv auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. 18 Prozent der Betriebe verhängten aber einen Einstellungsstopp. Etwa die Hälfte der Betriebe nutzten vor Corona bereits Homeoffice-Möglichkeiten – während der Krise kamen weitere acht Prozent hinzu. Fachpersonal soll gehalten werden: Dass so wenige Betriebe Stellen abbauten, liege auch daran, dass Unternehmen alles dafür täten, ihr Fachpersonal zu halten, sagte Commerzbank-Sprecherin Dagmar Baier. Für ihre Studie hatte die Commerzbank bundesweit 3500 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 15 Millionen Euro befragt, davon jeweils 100 in Schleswig-Holstein und Hamburg. Darunter sind viele Einzelhändler und Handwerker, aber auch Gastronomen, Selbstständige, Ärzte, Apotheker oder Veranstalter – „ein Querschnitt durch die mittelständische Wirtschaft“, sagt Kaminski. Der Zeitraum der Umfrage endete Mitte August, doch die Kernaussagen gelten weiterhin. „Bei vielen Kunden spüren wir Hoffnung“: 43 Prozent der Unternehmen in Schleswig-Holstein seien von der ersten Welle der Corona-Krise stark getroffen worden, in Hamburg 36 Prozent. In ihrer Existenz bedroht sähen sich davon in der Metropolregion Hamburg 50 Prozent, im nördlichsten Bundesland jedoch nur 40 Prozent – bundesweit liegt der Schnitt bei 55 Prozent. Jetzt zu Beginn des neuen Jahres sei noch keine Welle von Insolvenzen und Entlassungen zu erkennen, sagt Kaminski. „Wir haben nur wenige Kunden, um die wir Angst haben müssen. Bei vielen spüren wir Hoffnung und Aufbruchstimmung.“ Die Kunden stünden in den Startlöchern und hätten sich gut vorbereitet auf 2021. Viele haben gute Liquiditätspolster: Knapp die Hälfte der Unternehmer in Schleswig-Holstein hätten staatliche Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch genommen – vor allem in Form von Kurzarbeitergeld, aber auch durch Soforthilfen und Darlehen. In knapp 60 Prozent der Fälle liege die Höhe der Unterstützung unter 10 000 Euro. 53 Prozent der Unternehmen hätten bisher gar keine Unterstützung genutzt. „Viele Kunden sagen uns, dass sie ohne Hilfen auskommen wollen, weil sie gute Liquiditätspolster aufgebaut hatten“, erklärt Kaminski. Jetzt sei aber durch den neuerlichen Lockdown zu spüren, dass mehr Kreditanfragen gestellt werden. Lesen Sie auch Einzelhändler in Not: Hilfsgelder kommen nicht an Corona-Hilfen für Firmen in SH: Bisher kam viel zu wenig an Baumängel: Stadt räumt ehemaliges C&A-Haus in der Mühlenstraße Digitalisierungsschub durch Corona: Viele Unternehmen hätten ihr Geschäftsmodell angepasst. Ein Viertel reduzierte die Kosten. Aber jeder Vierte habe auch sein Produkt- und Dienstleistungsangebot erweitert und verstärkt digitale Vertriebswege und Kommunikationskanäle genutzt. „Corona hat einen Digitalisierungsschub ausgelöst“, sagt Kaminski. 35 Prozent der in Schleswig-Holstein Befragten wollen die Krise nutzen, um die Digitalisierung ihres Unternehmens voranzutreiben, vor allen in den Bereichen Marketing- und Kundenkommunikation und Unternehmensorganisation. Etwa 60 Prozent der Befragten kalkulieren dabei mit Kosten von höchstens 20 000 Euro. 77 Prozent der Befragten in Schleswig-Holstein wollen noch in diesem Jahr in die Digitalisierung investieren und etwa Online-Shops aufbauen oder ihre Internetpräsenz verbessern, in Hamburg sind es 56 Prozent. Viele sehen den Teamgeist gestärkt: Trotz der schweren Herausforderungen könnten die Unternehmen in Schleswig-Holstein der Krise auch Positives abgewinnen: „40 Prozent stellen eine Stärkung des Teamgeistes und Erhöhung der Solidarität fest“, sagt Kaminski. Jeder Dritte begrüße die Nutzung flexibler Arbeitszeiten und dass mehr Zeit für sich und die Familie bleibe. Fast genauso viele geben an, ihre Kreativität und Innovationskraft gesteigert zu haben. Beratung durch Hausbanken wichtig: Mehr als 90 Prozent der Befragten sagten, ihre Bank sei in der Krise eine große Unterstützung gewesen. „Das ist ein gutes Zeugnis für unsere Arbeit und unterstreicht unseren Anspruch, auch in schwierigen Zeiten die Bank an der Seite unserer Kunden zu sein“, sagt Kaminski. „Wir haben umfassend bei der Auswahl der richtigen Förderprogramme beraten und bei der Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe unterstützt.“ Die Commerzbank hatte bis Ende September KfW-Corona-Kredite mit einem Volumen von bundesweit 6,8 Milliarden Euro genehmigt. Von Christian Risch