Tausende Schuleingangsuntersuchungen in SH fallen aus

Zur Schuleingangs-Untersuchung werden laut dem zuständigen Bildungsministerium in Kiel alle Kinder eines Jahrgangs eingeladen, die bis zum 30. Juni des Einschulungsjahres das 6. Lebensjahr vollendet haben und damit schulpflichtig sind. Jüngere Kinder könnten auf Antrag vorzeitig eingeschult und untersucht werden. Es soll festgestellt werden, ob das Kind den Anforderungen des Schulalltags körperlich und seelisch gewachsen ist und ob es gegebenenfalls Unterstützung benötigt. Viele Schuleingangsuntersuchungen in SH fallen aus: Allerdings: „Die für die Einschulung zum kommenden Schuljahr 2021/22 durchzuführenden Schuleingangs-Untersuchungen können aufgrund der Belastungen der Gesundheitsämter während der Corona-Pandemie voraussichtlich leider nicht vollumfänglich durchgeführt werden können“, teilte Staatssekretärin Dorit Stenke auf Nachfrage jetzt dem Bildungsausschuss des Landtages mit. Die Situation in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten, wie viele Kinder bereits untersucht wurden und wie viele Untersuchungen noch ausstehen, stelle sich jedoch unterschiedlich dar. Konkrete Zahlen gebe es noch nicht, da die Ergebnisse und Befunde der Schuleingangs-Untersuchungen landesweit erst nach Ende des Untersuchungsjahres ausgewertet würden. Lesen Sie auch Einschulung: Wann ist mein Kind bereit für die Schule? Wegen Corona-Stress im Gesundheitsamt weniger Zeit für anderes Tausende Überstunden: Segebergs Gesundheitsamt droht der Burnout Lübeck schafft vielleicht die Hälfte: In Schleswig-Holstein gibt es jährlich rund 22 500 Erstklässler, die alle gesetzlich untersucht werden müssten. Bereits im vergangenen Jahr fielen allerdings etliche Untersuchungen aus. Und auch in diesem Jahr dürften es wieder Tausende sein. Tatsächlich gibt es aber massive regionale Unterschiede, wie eine LN-Umfrage bei den Kreisen ergab. Während beispielsweise in Neumünster voraussichtlich keine einzige Untersuchung mehr in diesem Schuljahr durchgführt werden kann, strebt Lübeck immerhin eine Quote von etwa 40 bis 50 Prozent des Jahrgangs (etwa 800 bis 1000 Kinder) an. Im Kreis Herzogtum Lauenburg sollen dagegen wie gesetzlich vorgeschrieben alle Kinder untersucht werden. Neben der Überprüfung von Hör- und Sehvermögen gehören die körperliche Untersuchung sowie die Überprüfung von Kognition, Sprache, Verhalten und der aktuelle Impfstatus zur Schuleingangs-Untersuchung. Bei Feststellung von Entwicklungsauffälligkeiten, die unter anderem den Schulerfolg gefährden könnten, werden Fördermaßnahmen, Aufnahme von Sport oder andere passgenaue Maßnahmen empfohlen. Die Schuleingangs-Untersuchung ist die einzige Untersuchung vor Schuleintritt, die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben (Pflichtuntersuchung) in diesem Alter durchgeführt werden muss. Die Untersuchungen können in den Kitas, der zuständigen Grundschule oder dem zuständigen Gesundheitsamt stattfinden. Kreis Herzogtum Lauenburg erfüllt Vorgaben: Michael Riederer vom Kinder- und Jugendärztlichen Dienst im Kreis Herzogtum Lauenburg begründet das Ergebnis mit einer guten Organisation und „Prioritäten, die ein Landrat setzt“. Die Schuleingangsuntersuchungen würden im Kreis so beispielsweise nicht vom Gesundheitsamt, sondern durch den Fachdienst Eingliederungs- und Gesundheitshilfe durchgeführt, so dass nicht alle damit befassten Mitarbeiter auch in der Pandemiebekämpfung zum Einsatz kommen. Lübeck priorisiert Kinder: Lübeck will durch ein „mehrstufiges Priorisierungs-Schema“ und den Austausch mit Schulrätin und Schulleitungen sicherstellen, dass alle medizinischen Fragestellungen rechtzeitig vor der Einschulung geklärt werden können. „Normalerweise wird angestrebt, die Schuleingangsuntersuchungen vor Beginn der Schulferien abzuschließen. 2020 wurde auch in den Ferien untersucht, das ist auch für 2021 geplant“, teilt Stadtsprecherin Nicole Dorel mit. Bereits im vergangenen Jahr wurden in Lübeck nur 44 Prozent der eingeschulten Kinder schulärztlich untersucht. Praktisch alle Kinder mit einer medizinischen Fragestellung sollen vor dem ersten Schultag allerdings gesehen worden sein, sagt Dorel. Untersuchungen dienen auch der Wissenschaft: Welchen Bedeutung haben Schuleingangsuntersuchungen angesichts engmaschiger Früherkennungsuntersuchungen durch die Kinderärzte aber überhaupt noch? Alexandra Barth, Vorsitzende des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst, spricht von einem hohen Stellenwert, den die Untersuchungen besitzen. „Trotz der Vorsorgeuntersuchungen bei den niedergelassenen Kinderärzten fallen im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen immer wieder Kinder erst zu diesem Zeitpunkt mit Besonderheiten auf“, sagt Barth. Neben der Bedeutung für Kinder und Eltern ergebe sich aus der Datenerhebung auch die Möglichkeit der wissenschaftlichen Nutzung im Rahmen von populationsbasierten Studien. Kinderärzte fordern Wiedereinsetzen der Untersuchungen: Sebastian Groth, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) Schleswig-Holstein, fordert ein Wiedereinsetzen der Untersuchungen und des bewährten Einladungswesens „sobald wie möglich“. Bestimmte Aspekte würden bei den Schuleingangsuntersuchungen in den Vordergrund rücken, die bei der U9 noch nicht diese Relevanz hatten – zum Beispiel Stifthaltung und Graphomotorik. „Es ist also noch einmal eine Kontrollmöglichkeit der kindlichen Entwicklung mit Fokus auf die schulischen Fähigkeiten in einem Zeitraum, in dem keine gesetzliche Vorsorgeuntersuchung stattfindet.“ Es bestehe die Gefahr einer Lücke im Netz der kindlichen Vorsorgen. „Es leiden dann natürlich die Kinder wieder mehr darunter, die einen Förderbedarf haben. Besonders natürlich die, bei denen dies noch nicht festgestellt wurde.“ Von Jan Wulf