Teil-Lockdown: Schon drei Klagen beim OVG in Schleswig

Die erwartet Klagewelle gegen den Teil-Lockdown in Schleswig-Holstein rollt. Am Sonntagabend verkündete die Landesregierung unter anderem die Schließung aller Gaststätten und der Hotels für Touristen. Am Montagmittag lagen beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig bereits drei Eilanträge dagegen vor. Müssen die Touristen wirklich ausreisen? Die erste Klage hat ein Ehepaar aus Niedersachsen eingereicht, das derzeit auf Sylt urlaubt, heißt es beim OVG. Laut Paragraf 17 der Landesverordnung müssten die beiden Touristen spätestens am Donnerstag, 5. November, aus Schleswig-Holstein ausreisen. Die Buchung ihrer Bleibe für mehrere Wochen würde verfallen. Eilantrag Nummer zwei stammt von einem Ferienwohnungsanbieter aus Westerland. Auf Sylt vermietet die Firma in einer Anlage insgesamt 24 Wohnungen. Auch dieser Anbieter klagt gegen das Beherbergungsverbot für Touristen und die Verpflichtung seiner Gäste, am 5. November abzureisen. Tipp: Was halten Sie von den Corona-Maßnahmen? Hier können Sie an unserer aktuellen LN-Umfrage teilnehmen. Der Kläger beruft sich auf das Robert-Koch-Institut: In seinen Wohnungen würden jeweils lediglich Paare oder Personen aus einem einzigen Hausstand urlauben, argumentiert der Kläger. Es werde sich zudem strikt an ein Hygienekonzept gehalten. Auch das Robert-Koch-Institut sehe bei solchen Ferienwohnungen keine erhöhte Corona-Infektionsgefahr. Die Landesverordnung komme daher einem Berufsverbot gleich. Sein finanzieller Verlust werde fünfstellig sein. Der Kläger hält das für einen Verstoß gegen Artikel 12 und 14 des Grundgesetzes, außerdem für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3. Den dritten Eilantrag gegen das Beherbergungsverbot hat schließlich ein privater Vermieter von Ferienwohnungen in Schleswig gestellt, der im Süden des Landes Wohnungen unterhält. Jetzt muss die Landesregierung Stellung beziehen: „Es muss jetzt zunächst noch der Gegenseite, also der Landesregierung über die Staatskanzlei, rechtliches Gehör gewährt werden“, sagt OVG-Sprecherin Christine Nordmann. Dann dürfte der dritte Senat des Oberverwaltungsgerichts noch in dieser Woche Beschlüsse fassen. Insbesondere über die Eilanträge der ab 5. November ausreisepflichtigen Touristen müsse natürlich schnell entschieden werden. Grünen-Politiker: Überbrückungshilfen schnell auszahlen: Für den Grünen-Tourismuspolitiker Andreas Tietze kommen die Klagen nicht überraschend. Er selber sei auch skeptisch, ob die Regeln nicht Grundrechte verletzen, sagt der Landtagsabgeordnete. Die Stimmung in der Gastro-Branche sei schlecht. Man habe alle Regeln eingehalten und werde jetzt dennoch bestraft, so der Tenor dort. „So schnell wie die Schließung kam, so schnell muss der Bund jetzt auch für die Auszahlung der Überbrückungshilfen sorgen“, fordert Tietze. Leider zeichne sich da bereits ab, dass die Informationen für die Vermieter und Gastronomen sehr spärlich fließen würden. Es hatte aus Berlin geheißen, dass den Betrieben 75 Prozent der monatlichen Durchschnittseinnahmen des Jahres 2019 ersetzt werden solle. Rechtliche Bedenken auch bei der Nord-FDP: Auch Kiels FDP-Wirtschafts- und Tourismusminister Bernd Buchholz war von Anfang an skeptisch. „Ich habe meine Zweifel, inwieweit das rechtlich sicher durchsetzbar sein wird“, hatte der Minister bereits in der vergangenen Woche erklärt. „Wir werden abwarten müssen, wie das Gericht dieses Verbot nun bewerten wird. Unsere Bedenken gegenüber dem Beherbergungsverbot sind hinlänglich bekannt“, sagt auch FDP-Landtagsfraktionschef Christopher Vogt. CDU: „Allgemeinwohl geht vor Individualwohl“: „Dass es Klagen zum Thema Beherbergungsverbot geben würde, hat uns nicht sonderlich überrascht. Wir sehen das zuversichtlich und entspannt“, sagt hingegen Hans Hinrich Neve, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Dennoch halte man bei der Union diese Einschränkungen für die richtige Maßnahme, um das Infektionsgeschehen möglichst auszubremsen. „Allgemeinwohl geht vor Individualwohl“, sagt der CDU-Politiker. Stegner hätte sich „mehr Differenzierung gewünscht“: „Nach wie vor bin ich der Auffassung, dass Beherbergungsverbote kein geeignetes Mittel zur Pandemiebekämpfung sind“, sagt SPD-Oppositionsführer Ralf Stegner. Zumindest, wenn es sich um Individual-Tourismus ohne Party-Ambiente handele. Er hätte sich da mehr Differenzierung gewünscht, „noch bevor uns die Gerichte diese auferlegen“. Andererseits könne er aber auch verstehen, dass Schleswig-Holstein in dieser Frage keinen Alleingang gemacht habe. Dass allerdings Gäste auch abreisen müssen, die schon in Schleswig-Holstein Urlaub machen, sei für ihn „völlig unverständlich“, sagt Stegner. Das habe die SPD-geführte Landesregierung Niedersachsens mit einer Stichtagsregelung „deutlich besser gelöst“. Dort darf bleiben und seinen Urlaub beenden, wer vor dem 2. November in einem Hotel oder einer Ferienwohnung in Niedersachsen eingecheckt hat. Von Wolfram Hammer