Trotz Corona: Schleswig-Holstein erlaubt Treffen bis zu zehn Personen

Schleswig-Holstein hält an seinen lockeren Corona-Beschränkungen fest, wird die von allen anderen Ländern geforderten Verschärfungen etwa bei den Kontaktbeschränkungen nicht mitgehen. Am Montag hatte CDU-Ministerpräsident Daniel Günther es angekündigt, jetzt ist es auch schriftlich fixiert worden. Ein Absatz sichert Schleswig-Holsteins Sonderweg: Es ist nur ein Absatz in dem Entwurf der Ministerpräsidenten für die Telefonkonferenz mit CDU-Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch. Doch sie wird weitreichende Folgen haben. Während sich etwa überall sonst in Deutschland nur noch fünf Personen aus höchstens zwei Haushalten miteinander treffen dürfen – Kinder bis 14 Jahre nicht mitgezählt –, sind es in Schleswig-Holstein nach wie vor zehn Personen ohne Haushaltsbegrenzung. Allerdings werden dabei im Norden auch Kinder mitgezählt. Inzidenz liegt in Schleswig-Holstein landesweit unter 50: Grund für das Ausscheren seien die niedrigen Corona-Infektionszahlen im Norden, heißt es in Kiel. Laut Robert Koch-Institut (RKI) wies Schleswig-Holstein am Dienstag bei der Sieben-Tage-Inzidenz von Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner mit gut 47 den niedrigsten Wert aller Bundesländer auf. Gaststätten sollen allerdings auch im Norden weiter bis mindestens zum 20. Dezember geschlossen bleiben. Für eine Öffnung lägen die Inzidenzwerte selbst in Schleswig-Holstein noch zu dicht an der 50, sagt Günther. Käme es dann doch wieder zu einem Anstieg, müssten sie sofort wieder schließen. Ein solches Hin und Her müsse man vermeiden. Für Hotels sehe er im ganzen Jahr keine Öffnungs-Perspektive. Man wolle Reiseverkehre vermeiden. Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich auf eine Verlängerung des seit Anfang November geltenden Teil-Lockdowns bis zum 20. Dezember geeinigt. Bei einer Inzidenz von „deutlich“ unter 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner sollen Länder generell die Möglichkeit bekommen, hiervon abzuweichen. Die bereits geschlossenen Betriebe und Einrichtungen, insbesondere die Gastronomie, sollen aber weiter geschlossen bleiben. Die Hilfen für die betroffenen Betriebe werden verlängert. Die Maskenpflicht soll künftig zudem auch vor Einzelhandelsgeschäften und auf Parkplätzen gelten. Beschränkungen werden zu Weihnachten gelockert: Über Weihnachten und Silvester sollen die Kontaktbeschränkungen laut dem Entwurf der Ministerpräsidenten dann allerdings deutschlandweit gelockert werden. Vom 23. Dezember bis zum 1. Januar sollen demnach Treffen von maximal zehn Menschen eines Haushaltes mit haushaltsfremden Familienmitgliedern oder Personen zulässig sein. Auch hier sollen Kinder bis 14 Jahre nicht mitzählen. Eine Beschränkung auf eine bestimmte Anzahl von Haushalten ist nicht vorgesehen. Für Silvester empfehlen die Regierungschefs, auf Feuerwerk zu verzichten. Auf belebten Straßen und Plätzen soll das Feuerwerk und Böllern untersagt werden. Günther geht Feiertags-Regelung zu weit: Günther will dann allerdings auch diese spezielle Weihnachts-Lockerung nicht mitgehen. Kurios: Damit wird in einigen Familien womöglich ausgerechnet während der Feiertage die schleswig-holsteinische Coronaregel (höchstens zehn Personen einschließlich aller Kinder) wieder schärfer als die im übrigen Deutschland sein. Der Entwurf der Ministerpräsidenten für die Schaltkonferenz sieht vor, dass Länder mit niedriger Corona-Inzidenz wie Schleswig-Holstein von Verschärfungen der Maßnahmen absehen können. „Um auf besondere regionale Situationen angemessen reagieren zu können, haben Länder bei einer Inzidenz von deutlich unter 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen in sieben aufeinander folgenden Tagen und einer sinkenden Tendenz der Inzidenz die Möglichkeit, hiervon abzuweichen“, heißt es in dem Text. Dies gilt, „sofern andere relevante Indikatoren, wie zum Beispiel die Auslastung der Intensivkapazitäten und die Handlungsfähigkeit des Öffentlichen Gesundheitsdiensts dem nicht entgegenstehen“. Länder mit vielen Coronafällen dürfen auch weiterhin Extra-Maßnahmen verhängen. „Länder mit einem besonders hohen Infektionsgeschehen in Hotspots sollen wie bisher auch regional Verschärfungen vorsehen“, heißt es in dem Text. Solche „Sonderregelungen“ über die Festtage seien „eher ein falsches Signal, weil sie das Gefühl aussenden, über Weihnachten kann man sich deutlich mehr erlauben“, sagt Günther. Da könnten mit Kindern dann auch leicht mal 20 Personen zusammenkommen. „Ich warne da dringend vor.“ Die schleswig-holsteinische Regel hingegen sei bewährt und werde auch über den Jahreswechsel gelten. Die Menschen seien darin eingeübt. Ein Hin und Her bei den Corona-Beschränkungen würde die Menschen nur verwirren. Jamaika und die SPD stützen den Kurs des MP: Lob dafür kommt vom Koalitionspartner FDP. „Wir haben hier sinnvolle Kontaktregeln, die sich in den letzten Wochen bewährt haben und die den Menschen ein Hin und Her über die Feiertage ersparen werden“, sagt der Fraktionschef der Liberalen im Landtag, Christopher Vogt. Für Hotels und Gaststätten müsse es jetzt Planungssicherheit und eine realistische Perspektive geben. Kitas und Schulen müssten mit den entsprechenden Schutzkonzepten über den Winter offenbleiben. „Niemand greift gerne in die Häuslichkeit ein. Wir alle brauchen soziale Kontakte. Deshalb sollten wir, solange die Werte in Schleswig-Holstein niedrig sind, das Privatleben nicht weiter einschränken“, sagt Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. Auch SPD-Oppositionsführer Ralf Stegner setzt auf ein „abgestuftes Regelwerk, bei dem sich die Maßnahmen an der tatsächlichen Lage vor Ort orientieren“. SSW will Lockerungen für Gastronomie, Sport und Kultur: Der SSW fordert bereits konkrete Lockerungen. „Insbesondere die Gastronomie bräuchte zügig Planungssicherheit, um drohende Insolvenzen abzuwenden“, sagt deren Frontmann im Landtag, Lars Harms. Der Kreis Schleswig-Flensburg etwa verzeichne den bundesweit niedrigsten Inzidenzwert. „Da muss es dann auch möglich sein, dass Familie Hansen mal wieder eine Scholle im Restaurant essen kann.“ Die Gaststätten könnten schließlich auf erprobte Hygienekonzepte aus dem Sommer zurückgreifen, sagt Harms. Gleiches gelte für Museen und Kosmetikstudios. Auch die Sportvereine und die freiwillige Kulturarbeit bräuchten dringend Perspektiven. „Sonst brechen denen die Leute weg. Und was erst mal weg ist, lässt sich nur mühsam wieder aufbauen. Wenn überhaupt.“ Von Wolfram Hammer