VW muss Diesel zurücknehmen: Ostholsteiner gewinnt Abgas-Prozess

Alleine beim Landgericht in Lübeck sind es inzwischen rund 500 Verfahren. Darunter auch gegen andere Autobauer sowie gegen Fahrzeughändler. In etwa 120 Fällen, in denen Autobesitzer Klagen wegen manipulierter Diesel-Fahrzeuge eingereicht hatten, gab es bereits ein Urteil. Laut Stephan Bahlmann, Sprecher des Landgerichts Lübeck, mit unterschiedlichem Ausgang. Mal bekamen Kunden Recht, mal nicht. Oft ging es in Berufung vor das Oberlandesgericht in Schleswig. Dort waren bei der jüngsten Abfrage nach Angaben einer Gerichtssprecherin 119 Verfahren anhängig, 94 Verfahren wurden erledigt. Das heißt, die Verfahren sind abgeschlossen, weil die Berufung zurückgenommen wurde. Kurios: Es gab bislang keine einzige inhaltliche Entscheidung des Oberlandesgerichts. Hintergrund könnten nach LN-Informationen außergerichtliche Einigungen zwischen Autobauer und Kunden sein. Timmendorfer erhält 21 140 Euro von VW zurück: Im jüngsten Fall vor dem Lübecker Landgericht bejahten die Richter das Vorliegen einer sittenwidrigen Schädigung durch VW und verurteilten den Wolfsburger Konzern zur Rücknahme des Fahrzeugs zu einem Betrag von 21 140 Euro. Der Ostholsteiner hatte den Audi A4 Avant im November 2012 für 34 500 Euro gebraucht mit 6443 Kilometern erworben. Zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung hatte der Wagen 120 116 Kilometer auf dem Tacho. Das Gericht veranschlagte bei dem als langlebig bekannten Fahrzeug eine anzunehmende Gesamtlaufleistung von 300 000 Kilometer, teilte der Kölner Anwalt Marco Rogert mit, der den Ostholsteiner vor dem Landgericht vertrat. „Urteil macht Betroffenen Mut“: „Solche Urteile erhöhen die Chancen für den Verbraucher deutlich und machen anderen Betroffenen Mut, ebenfalls selbst eine Klage gegen den Hersteller seines Autos anzustrengen. Man hat als Verbraucher eben doch eine reelle Chance gegen einen Weltkonzern“, ist Rogert sicher. Anwälte hatten geglaubt, einen eleganten Weg gefunden zu haben, sich alter Dieselautos zu entledigen: per Widerruf raus aus dem Kreditvertrag. Das sollte die erste Musterfeststellungsklage in Deutschland möglich machen. Doch das Verfahren hat so seine Tücken. Die Schutzgemeinschaft hält diverse Formulierungen in den Kreditverträgen der Mercedes-Bank ab dem Sommer 2014 für unzulässig. Es geht um verschiedene Punkte in den Widerrufsregeln, letztlich verfolgten die Kläger aber ein Ziel: Das Gericht sollte feststellen, dass die Frist für einen Widerruf des Vertrags wegen dieser unklaren Formulierungen nie zu laufen begonnen hat. Und wenn sie nie begonnen hat, kann sie natürlich auch nie abgelaufen sein. Der 6. Zivilsenat wies die Klage am Mittwoch als unzulässig ab. Laut Gesetz dürfe nur eine „qualifizierte Einrichtung“ stellvertretend für Verbraucher eine Musterfeststellungsklage einreichen – das sei die Schutzgemeinschaft für Bankkunden aber nicht, urteilten die Richter. Ob die Widerrufsklauseln nun in Ordnung sind oder nicht, spielte daher am Ende gar keine Rolle. Die Richter hatten allerdings schon in der Verhandlung deutlich gemacht, dass sie die Klauseln für nicht zu beanstanden halten. Abgasgrenzwerte überschritten: Die schädigende Handlung durch VW liege bereits in dem Inverkehrbringen – unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung – des Dieselmotors, zitiert der Anwalt aus dem Urteil. Dabei habe Volkswagen bei der Herstellung der Dieselmotoren des Typs EA 189 durch den Einbau einer Software bewirkt, dass der Testlauf auf einem Abgasprüfstand erkannt und sodann der Motor in einen bestimmten Modus geschaltet wird, bei dem die gesetzlichen Grenzwerte für Abgase eingehalten werden, während in jeder anderen Situation der Motor in einem anderen Modus läuft und ein Vielfaches des gesetzlich zulässigen Abgasgrenzwertes ausgestoßen wird. Damit müsse ein Verbraucher nicht rechnen, heißt es im Urteil. Urteile meist pro VW: Im September 2015 kam der Dieselskandal ans Licht. Bundesweit sind noch über 40 000 Verfahren anhängig, rund 12 400 Urteile seien ergangen – überwiegend zugunsten von Volkswagen beziehungsweise der Händler. Jan Wulf

Diesel-Skandal - Ostholsteiner gewinnt Prozess gegen VW