Verschiedene Corona-Regeln: Hamburger Fahrschulen werben Schüler aus SH ab

Man kann es ihnen nicht verübeln: Offenbar brechen vermehrt Fahrschüler in Schleswig-Holstein, die an der Grenze zu Hamburg oder Niedersachsen leben, ihre Fahrausbildung ab und wechseln zu Fahrschulen in die benachbarten Bundesländer. Denn in Schleswig-Holstein dürfen Fahrschulen nach den geltenden Corona-Regeln nicht mehr öffnen – in Hamburg und Niedersachsen hingegen schon. „Dass die Fahrschüler aktiv abgeworben werden, will ich nicht unterstellen – kann es aber auch nicht ausschließen“, sagt Frank Walkenhorst, Vorsitzender des Fahrlehrer-Verbandes Schleswig-Holstein. Auch das Fahrschul-Personal wechselt die Bundesländer: Walkenhorst habe von einigen Kollegen aus Randgebieten im Land die Rückmeldung bekommen, dass sich Schüler bei ihren Fahrschulen ab- und in Hamburg oder Niedersachsen wieder anmelden – und beim Fahrschulpersonal ist es ähnlich. „Angestellte wollen keine finanziellen Einbußen durch Kurzarbeit und wechseln dann in Fahrschulen, die noch öffnen dürfen“, sagt Walkenhorst. „Ich kann das aus persönlicher Sicht der Schüler und des Personals verstehen, aber für die Fahrschulen in Schleswig-Holstein ist es eine sehr schlechte Situation: Denn die Schüler und Mitarbeiter gehen verloren. Ob sie wiederkommen, wenn es wieder möglich sein sollte, ist fraglich.“ Dabei sind die Fahrschulen im Land bald wieder auf ihre Mitarbeiter angewiesen, denn: „Es wird hier einen Ansturm auf Fahrschulen geben, wenn sich die Infektionslage verbessert hat – und dann brauchen wir das Personal“, sagt Walkenhorst. Nach dem ersten Lockdown konnten Fahrlehrer laut Walkenhorst die Verluste noch gut abfedern, weil sie schnell wieder ihren Betrieb hochfahren konnten, aber jetzt: „Das Stimmungsbild bei meinen Kollegen wird momentan wieder ziemlich unruhig. Dass es keine einheitlichen Regeln gibt, stößt auf viel Unverständnis. Man hatte doch genug Zeit, sich auf dieses Szenario vorzubereiten. Wir stehen grundsätzlich hinter den Corona-Maßnahmen, weil sie wichtig sind. Aber wir fordern eine Einheitlichkeit.“ Lesen Sie auch Wegen Corona: Der Führerschein in Schleswig-Holstein wird wohl teurer Führerschein: Fahrschüler warten auf Prüfungstermine Lübecker Fahrschulen suchen nach Auswegen in der Corona-Krise Fahrlehrer in Niedersachsen im ersten Lockdown von Regel-Wirrwarr betroffen: Das fordert auch Dieter Quentin, 1. Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Niedersachsen, der das Problem für Fahrschulen in Grenzgebieten genau kennt. „Im ersten Lockdown waren wir in Niedersachsen davon betroffen, weil in Nordrhein-Westfalen die Regeln für Fahrschulen lockerer waren. In Grenzgebieten kommt es durch diese uneinheitliche Regelung zu Wettbewerbsverzerrungen“, sagt Quentin. In Niedersachsen ist der Präsenzunterricht verboten, die praktische Ausbildung aber erlaubt. „Das hält unsere Fahrschulen über Wasser. In Schleswig-Holstein geht es allerdings langsam an die Existenz. Ich beneide meine Kollegen im Norden momentan gar nicht!“ Wirtschaftsminister will Fahrschulen in SH helfen: Dass die Fahrlehrer in Schleswig-Holstein momentan nicht zu beneiden sind, weiß auch Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP). „Die insbesondere für die schleswig-holsteinischen Fahrschulen nachteilige Situation ist bei der Landesregierung bekannt“, sagt Harald Haase, Sprecher des Wirtschaftsministeriums. „Minister Buchholz hat frühzeitig an seine Amtskolleginnen und -kollegen appelliert, dem Infektionsgeschehen auch in ihren Ländern in diesem Punkt Rechnung zu tragen, auch, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.“ Offenbar erfolglos, aber Buchholz will den Fahrschulen im Land nun mit einer Sondergenehmigung helfen. Am Montag hat das Ministerium per Erlass ermöglicht, dass Fahrschulen eine Ausnahmegenehmigung für den Online-Theorieunterricht in der Fahrschulausbildung beim Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr beantragen können. „Fahrschulen werden mittelfristig enorm unter Druck geraten“: Das helfe aber nicht viel, findet Walkenhorst. „Die Freigabe des Online- Unterrichts löst jedoch in keiner Weise das grundlegende Problem der Ungleichbehandlung. Ganz im Gegenteil: Sollte nun in großem Umfang Unterricht online stattfinden, dann würden diese Schüler nicht schneller ihren Führerschein bekommen, weil die Fahrschule die dann erforderliche praktische Ausbildung nicht in ausreichendem Umfang leisten kann“, gibt Walkenhorst zu bedenken. „Fahrschulen, die online unterrichten werden, haben vielleicht kurzfristig einen Vorteil, werden jedoch mittelfristig enorm unter Druck geraten.“ Von Hannes Lintschnig