Vizeadmiral Andreas Krause aus Lübeck: „Marine muss modernisiert werden“

Der scheidenden Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, ging vor fast 45 Jahren zur Marine. Er spricht über sein Seefahrer-Leben und seine Karriere. Herr Admiral, nach fast 45 Jahren Dienst in der Marine werden Sie im März das Amt des Inspekteurs übergeben. Ich möchte die Zeit zurückdrehen: Was hat den Jungen aus Lübeck seinerzeit gereizt, zur Marine zu gehen? Es war die Faszination des Meeres, der schier unendlichen Weiten, vielleicht war auch etwas Fernweh dabei. Ich habe als neunjähriger Junge vor Kiel segeln gelernt. Im Urlaub waren wir immer am Wasser. Und schon als Junge habe ich mal meine Tasche gepackt und wollte zur christlichen Seefahrt. Dann bot mir die Marine die Möglichkeit, meinen Traum zu verwirklichen. Respekt vor Weltumsegler: Wäre eine Weltumseglung, wie die jetzt von Boris Hermann und seinen Mitstreitern, etwas für Sie? Ich gratuliere Boris Hermann zu dieser außergewöhnlichen Leistung, für die ich tiefen Respekt habe. Sehr schade, dass er kurz vor dem Ziel diese Kollision hatte, die ihm vielleicht eine noch bessere Platzierung gekostet hat. Wenn der 1956 in Lübeck geborene Vizeadmiral Andreas Krause am 22. März das Amt des Marineinspekteurs abgibt, kann er auf eine lange und steile Karriere zurückblicken. Mit 20 Jahren begann er an der Marineschule Mürwik die Offiziersausbildung, studierte von 1977 bis 1980 an der Bundeswehruniversität in Hamburg Pädagogik. Danach folgten Einsätze auf U-Booten, etwa als Kommandant des „U22“. Anfang der 90er Jahre war Krause Planungsoffizier Operation der U-Bootflottille Kiel sowie Stabsoffizier im Führungsstab Marine und beim Verteidigungsministerium in Bonn. Ende der 90er Jahre leitete er das Ausbildungszentrum U-Boote in Eckernförde. Bevor er im Oktober 2014 zum Chef der Marine ernannt wurde, diente er als Stellvertretender Befehlshaber der Alliierten Streitkräfte der Nato in Neapel. Nachfolger Krauses als Inspekteur wird Konteradmiral Kay-Achim Schönbach. Als Landratte würde ich sagen, ziemlich verrückt, drei Monate allein über die Ozeane zu segeln. Es ist schon eine Grenzerfahrung, fast drei Monate lang seinen Körper und seine Psyche und die Technik dermaßen im Griff zu haben. So etwas können nur sehr wenige leisten. Fasziniert auch von Härten: Zu Ihren Grenzerfahrungen. Sie waren viele Jahre U-Boot-Kapitän. Haben Sie die Entbehrungen, lange Zeiten auf See zu sein, oder vielleicht sogar Wolfgang Petersens Film „Das Boot“ über die Schrecken des U-Bootkrieges im Zweiten Weltkrieg nicht abgeschreckt? Petersens eindrucksvoller Film kam Anfang der 80er Jahre in die Kinos. Da war meine Entscheidung bereits gefallen. Nein, auch die Härten und Entbehrungen, die viele Seeleute und Angehörigen der Marine kennen, haben mich nicht abgeschreckt, sondern eher fasziniert, diesen Beruf auszuüben. Ich habe meine damalige Entscheidung nicht einen Tag bereut. Marine hat sich verändert: Was hat sich seit den fast 45 Jahren in der Marine verändert? Vieles, so wie in der übrigen Gesellschaft auch. So wie sich alle Menschen verändert haben und immer wieder verändern müssen, so wie sich Vorgesetzte und Untergebene heute in einen anderen gesellschaftlichen Umfeld verhalten und bewähren müssen. Vor 40 Jahren noch undenkbar, dienen etwa heute ganz selbstverständlich Frauen in der Marine. Ich wünschte mir noch mehr. Aber trotz oder gerade wegen der vielen Veränderungen sage ich: Das ist meine Marine. Denn gleich geblieben ist der Kern der Marine, dass wir zur See fahren müssen. Dass, wer führen will, die Menschen mögen muss. Und dass wir, heute wie damals, den Eid auf unsere Verfassung geschworen haben. In will in diesem Zusammenhang auf den zweijährigen Prozess verweisen, in dem wir uns sozusagen einen Kompass gegeben haben: Wir sind Marine! Darin sind die Wegmarken für die Ausbildung, unserer Werte und Haltung sowie unserer Identität enthalten. Erinnerungen an Kalten Krieg: Vor 45 Jahren standen sich etwa in der Ostsee hochgerüstete Seestreitkräfte von Nato und Warschauer Pakt gegenüber. Heute sitzen Sie als Inspekteur des Marinekommandos in Rostock, damals Feindesland. Rostock ist ganz und gar nicht Feindesland, sondern wir sind hier mit dem Marinekommando vor neun Jahren sehr herzlich aufgenommen worden. Allerdings habe ich vor 45 Jahren nicht ahnen können, dass ich einmal Marine-Inspekteur werden und noch dazu in Rostock dienen würde. Die Ostsee solle ein Meer des Friedens sein, hieß es in der DDR-Propaganda. Zum Glück gab es in der Phase des Kalten Krieges, der Blockkonfrontation, keine direkte militärische Auseinandersetzung. Doch unterhalb dieser Schwelle war es in der Ostsee und anderen Gewässern alles andere als ruhig. Man hat sich beobachtet, es gab Provokationen und Nadelstiche. Die geopolitische Lage hat sich seit 1989/90 grundlegend geändert. Der Kalte Krieg ist Geschichte. Neues Verhältnis zu Russland: Was ist eigentlich aus der Friedensdividende geworden? Milliarden, die statt in die Rüstung, in zivile Projekte investiert werden sollten. Damals herrschte großer Optimismus. Auch die Ausgaben für die Marine wurden drastisch herunter gefahren. Allerdings ist dieser Optimismus spätestens seit 2014, seit der Annexion der Krim und von Teilen der Ostukraine durch Russland, vorbei. Wir investieren wieder mehr, weil wir nun mehr Aufgaben übertragen bekommen haben: Landes- und Bündnisverteidigung, die gleichzeitig wieder strukturbestimmend ist, internationales Krisenmanagement und einen Beitrag zu freien und sicheren Seehandelswegen. Gibt es überhaupt Kontakte zur russischen Marine? Wenn Sie damit meinen, ob wir uns in der Ostsee sehen, dann ja. Die russische Marine ist sehr aktiv nicht nur in der Ostsee, sondern im gesamten Nordatlantik und angrenzenden Meeren. Schiffe gut gerüstet: Wurde auf der anderen Seite das Verhältnis zur US-Marine während der Trump-Zeit getrübt? Die Zusammenarbeit mit der US-Marine war auch während der vergangenen vier Jahre jederzeit exzellent. Die jährlichen Übungen der Nato-Partner in der Ostsee unter Führung der US-Marine waren erfolgreich. So wie ich erwähnen möchte, dass auch die Ausbildung der deutschen Marine bei der britischen Royal Navy nach deren Maßstäben für hochintensive Gefechte ausgezeichnet verläuft. Und unsere Schiffe im Einsatz sind ausnahmslos für das Gefecht auf See vorbereitet und gut gerüstet. Das klingt gewagt, wenn man an die Schlagzeilen denkt: Schiffe fahren nicht, U-Boote tauchen nicht und Helikopter fliegen nicht über See. Ich kenne die alten Schlagzeilen und Vorurteile zur Genüge. Aber sie werden auch durch ständige Wiederholung der heutigen Situation und den Fähigkeiten der Marine nicht gerecht. Kleinste Flotte der Geschichte: Aber Fakt ist doch, dass die Marine mit heute knapp 50 Schiffen gerade mal über ein Drittel des Bestandes von 1990 verfügt. Es ist richtig, wir verfügen über die kleinste Flotte in der Geschichte der Bundesrepublik. Das genau ist eine der Folgen der Friedensdividende. Spätestens mit der Annexion der Krim 2014 haben wir erkennen müssen, dass wir mit einer neuen sicherheitspolitischen Lage konfrontiert sind. Darauf musste reagiert werden. Das ist auch geschehen. Die Marine hat heute mehr Aufgaben zu erfüllen. Die Landes- und Bündnisverteidigung steht wieder und in jeder Hinsicht im Fokus. Gleichzeitig bleiben die Aufgaben des internationalen Krisenmanagements und der Beitrag zu freien und sicheren Seehandelswegen. Deswegen muss die Marine modernisiert und aufgabengerecht ausgestattet werden und das muss verlässlich finanziert werden. Teils unzufrieden mit deutschen Werften: Warum geht das nächste Großprojekt, der Fünf-Milliarden-Auftrag für vier Fregatten 126 – lange als Mehrzweckkampfschiff 180 bezeichnet -, an die niederländische Damen Shipyards Group und nicht an einen deutschen Hersteller, wie etwa die Kieler German Naval Yards? Dass dieser große Auftrag international ausgeschrieben wurde, hat auch damit zu tun, dass wir in der Vergangenheit nicht immer zu 100 Prozent zufrieden damit waren, was uns geliefert wurde. Ich denke, das war auch ein Weckruf an die deutsche maritime Industrie. Zudem findet ein Großteil der Wertschöpfung für die neuen Hightech-Schiffe bei deutschen Unternehmen statt. Wir rechnen mit dem Baubeginn in zwei bis drei Jahren. Die erste Schiffseinheit könnte im Jahr 2028 in Dienst gestellt werden. Lesen Sie auch Gorch Fock soll 2021 wieder segeln: So läuft die Sanierung des Schulschiffs Schleswig-Holstein bei Kriegswaffen-Exporten bundesweit vorn Bundesregierung meldet Nato Verteidigungsausgaben in Rekordhöhe „Gorch Fock“ wird gebraucht: Herr Admiral, warum braucht eine Hightech-Marine noch ein Segelschulschiff, und warum die „Gorch Fock“, deren Instandhaltung und Modernisierung etwa 135 Millionen Euro kosten dürfte? Ich freue mich auf die „Gorch Fock“, die von Grund auf neu aufgebaut wird. Dieses traditionsreiche Segelschulschiff ist kein Relikt aus grauer maritimer Vorzeit, sondern eine wunderbare Möglichkeit für angehende Offiziere und Offizierinnen, das Fahren auf See mit den Winden, Stürmen, Wellen, Strömungen hautnah zu erlernen. Das können sie nicht am Joystick von Hightech-Schiffen erleben. Zudem entsteht in der Gemeinsamkeit an Bord jener Teamgeist, jene Disziplin, die auch für die moderne Marine unersetzlich sind. Und schließlich ist die „Gorch Fock“ auch eine diplomatische Plattform für unser Land in der Welt. Sie war etwa vor 56 Jahren das erste deutsche Schiff, dass nach Weltkrieg und Holocaust in Israel festmachte. Sie werden die neue, alte „Gorch Fock“ noch in diesem Jahr in Kiel sehen können. Von Reinhard Zweigler