Winterdepression: Experten klären die wichtigsten Fragen zum Herbstblues

Woher kommt eigentlich diese schlechte Laune im Herbst? Und wie geht man am besten damit um? Zwei Expertinnen geben Antwort. Was genau ist eigentlich dieser Herbstblues? Der Herbstblues wird auch als Winterdepression bezeichnet, da er sich in den Wintermonaten einstellt, wenn das Sonnenlicht immer geringer wird. Oberarzt Dr. Daniel Alvarez-Fischer vom Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck erklärt die typischen Symptome: „Man hat weniger Lust, Dinge zu unternehmen, sich mit Freunden zu treffen und raus zu gehen. Stattdessen will man sich eher zurückziehen, weniger bewegen und mehr Süßes essen.“ Obwohl viele Menschen unter darunter leiden, seien diese Stimmungsschwankungen im Herbst ganz normal. Was geschieht dabei im Körper? Laut Alvarez-Fischer liegt eine wichtige Ursache in der Veränderung des menschlichen Hormonhaushaltes. „Der Grund dafür ist das Sonnenlicht“, so der Mediziner. Wenn der Körper weniger davon bekommt, sinke der Vitamin-D- und Serotonin-Spiegel. Beide Hormone förderten das Wohlbefinden und sorgten für Energie. Zugleich steige der Melatonin-Spiegel im Körper an. „Dieses Hormon erhöht vor allem das Schlafbedürfnis“, ergänzt Alvarez-Fischers Kollegin Gesa Rau, Leitende Psychologin am ZIP. Kann ein Herbstblues zu einer Depression werden? Rau beruhigt zunächst: „Der Herbstblues ist eine ganz normale Reaktion des Körpers auf den Jahreszeitenwechsel.“ Das sei schon immer so gewesen und auch in der Tierwelt zu beobachten. Bei nur etwa zwei Prozent aller Betroffenen entwickle sich das Stimmungstief tatsächlich zu einer behandlungsbedürftigen Depression. „Die Übergänge sind fließend“, sagt die Psychologin. Was ist der Unterschied zwischen Herbstblues und Depression? „Bei einem Herbstblues geht man eher von einer Verstimmung aus. Der Mensch ist aber noch in der Lage, seinen Alltag zu bestreiten“, erklärt Rau. „Bei einer Depression dagegen behindern ihn die Symptome bei seiner gesamten Lebensführung.“ Zum Beispiel fühlten sich Betroffene häufig so müde und niedergeschlagen, dass sie morgens nicht mehr aufstehen oder gar zur Arbeit gehen können. Rau rät: „Dann sollte man auf jeden Fall professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.“ Beeinflusst Corona die Stimmung in diesem Herbst? Rau vermutet, dass viele Menschen durch die verschärfte Pandemie-Lage zurzeit deutlich mehr unter dem Stimmungstief leiden. Die Expertin erklärt: „Das Problem ist, dass wir in der Corona-Zeit gerade in den Dingen eingeschränkt sind, die uns gut tun.“ Es sei schließlich nicht mehr so einfach, sich mit anderen zu treffen und gemeinsam etwas zu unternehmen. Das Fehlen von sozialen Kontakten fördere die Isolation, in die sich viele wegen der schlechten Laune zurück ziehen. Alvarez-Fischer ergänzt: „Dazu kommt die Angst vor Ansteckung und wirtschaftlichen Existenznöten.“ All das sei sehr belastend. Kann man trotzdem etwas gegen die schlechte Laune tun? „Alles, was dazu führt, dass man rausgeht, ist auf jeden Fall zu empfehlen“, sagt Rau. Demnach förderten Aktivitäten im Freien wie Radfahren, Joggen oder lange Spaziergänge die psychische Gesundheit. Um die Vitamin-D-Produktion des Körpers anzutreiben und den Melatonin-Spiegel zu senken, sollte man das zur Verfügung stehende Tageslicht „möglichst effektiv nutzen“, so die Expertin. Außerdem empfiehlt Alvarez-Fischer für Schlechtwetter-Tage: „Es helfen auch Lichtlampen.“ Diese müssten mindestens eine Belichtungsstärke von 10 000 Lux haben. Laut dem Oberarzt funktioniert die Lichttherapie so: „Einfach im Abstand von 50 Zentimetern davor setzen, aber ohne direkt reinzuschauen. Man kann zum Beispiel entspannt ein Buch dabei lesen.“ In jedem Fall sollten soziale Kontakte so gut es geht gepflegt werden – zum Beispiel per Telefon, wenn ein Treffen nicht möglich ist. Rau kennt noch eine weitere Strategie: „Akzeptanz. Wenn ich weiß, dass ich für den Herbstblues anfällig bin, kann ich darauf besser Rücksicht nehmen.“ Zudem sei die Situation dann oftmals gar nicht mehr so belastend. „Es hilft, wenn man sich daran erinnert, dass auch das wieder vorbeigeht“, so die Psychologin. Wer das Gefühl hat, von einer ernsthaften Depression betroffen zu sein, hat verschiedene Möglichkeiten professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Beim ZIP Ambulanzzentrum des UKSH in Lübeck können sich Patienten vorstellen und beraten lassen. Wenn dann eine Depression diagnostiziert wird, entscheiden Ärzte und Patienten gemeinsam über den Ablauf einer Therapie. Die Therapie kann sowohl durch eine stationäre Behandlung, als auch ambulant, zum Beispiel durch Tagesaufenthalte, erfolgen. Termine beim ZIP können telefonisch unter 0451 500 987 10 vereinbart werden. Alle Infos zu den Sprechzeiten und der Anmeldung gibt es unter www.uksh.de/ZIP_Ambulanzzentrum_Luebeck. Lesen Sie auch Zeitumstellung auf Winterzeit: Wann wird die Uhr wieder umgestellt? Drachen steigen lassen: Die besten Orte an der Ostseeküste in SH Wildunfälle in Ostholstein: App Wuidi warnt vor Wildwechsel Von Rabea Osol