Yogakurse sind erlaubt - Fitnessstudios müssen schließen

Fitness verboten, Yoga erlaubt? Nein, so einfach ist es nicht. Gestattet sind – mancherorts –Präventionsangebote, als Nachweis gilt der Krankenkassenzuschuss. Der Aufwand für die Zertifizierung schreckt jedoch manche ab. Und die Vielzahl an Regelungen verunsichert. „Jedes Bundesland setzt die Verordnungen anders um, zum Teil unterscheiden sich sogar die Regeln von Landkreisen“, sagt Jessica Fink, Sprecherin des Berufsverbands der Yogalehrenden in Deutschland. In den meisten Bundesländern dürften Yogalehrer Einzelunterricht geben, in Bayern nicht. In manchen Regionen seien Präventionskurse über Krankenkassen erlaubt. In anderen nicht. Für die Yogalehrer bedeute das eine große Unsicherheit. „Sie haben schon seit März zu kämpfen, jetzt ist es wirklich existenzgefährdend für Viele“, betont Fink. „Yoga sollte in den Verordnungen nicht dem Sport zugerechnet werden. Wir verstehen uns als Bildungsanbieter, bei uns geht es nicht nur um Sport, sondern auch um Atemtechniken, Meditation.“ „Menschen brauchen Halt“: Diesen Aspekt greift auch Jovana Jagodic auf. Sie hat ihr Studio „Lao Yoga“ erst im Oktober neu eröffnet und musste gleich wieder schließen. „Die Menschen brauchen in dieser Zeit den Halt, den Yoga ihnen geben kann“, erzählt die 33-Jährige. „Wir haben als Yogalehrer die Freiheit, unsere Stunden so zu gestalten, dass sie nicht in erster Linie Sport, sondern geistige Stütze sind.“ In Schleswig-Holstein wird Yoga jedoch unter den Begriff Sport gefasst, informiert Lübecks Stadtsprecherin Nicole Dorel. Damit müssten Yoga-Studios erst einmal schließen. „Mittlerweile ist es aber wieder erlaubt, Einzelunterricht anzubieten. Gruppenunterricht ist unzulässig.“ Medizinische Kurse erlaubt: Marius Livschütz, Sprecher des Gesundheitsministeriums in Kiel, sagt dazu: „Rehabilitationsangebote, Geburtsvorbereitungskurse und Schwangerschaftsyoga sind Bildungsangebote, die nicht unter Sport fallen und deren Größe sich an den Vorgaben der Corona-Bekämpfungs-Verordnung orientiert.“ Dies liege an der medizinisch therapeutischen Ausrichtung dieser Kurse, da sie nicht vorrangig der Freizeitgestaltung dienten und in der Regel zeitlich an ein Ereignis wie Geburt oder OP gebunden seien. Yogalehrer müssen Konzept vorweisen: „Diese Ausnahme gilt nicht generell für Yogakurse“, stellt Livschütz klar. „Sie gilt für therapeutische, orthopädische oder Rehabilitationsangebote.“ Stattfinden dürfen also alle Kurse, die von der Krankenkasse als Präventionsangebote bezuschusst werden. „In dem Fall müsste der Yogalehrer dem Gesundheits- oder Ordnungsamt ein entsprechendes Hygienekonzept und die Bezuschussung nachweisen, so dass eindeutig eingeschätzt werden kann, ob es sich um Freizeitsport oder Sport zwecks Rehabilitation oder Prävention handelt“, erklärt Nicole Dorel. Solche Anträge liegen in Lübeck bisher nicht vor. „Ich bleibe optimistisch“: Über diese Möglichkeit hat sich Jovana Jagodic bislang keine Gedanken gemacht. „Ich bleibe einfach optimistisch und hoffe, dass wir im Januar wieder aufmachen können“, sagt sie. Sollte dieser Zustand länger anhalten, werde sie sich über die Zertifizierung für Präventionskurse schlau machen. „Ich weiß allerdings nicht, was dafür genau nötig wäre“, gibt sie zu bedenken. Lesen Sie auch: Corona: Betreiber von Fitnessstudios fühlen sich bestraft OVG lehnt Eilantrag für Öffnung von Fitnessstudios in SH ab Coronakrise: Fitnessstudios unter enormem Druck Trotz der Erlaubnis zu unterrichten, hat die Anana-Praxis, ein Lübecker Yoga-Studio, weiter geschlossen. „Wir haben vom Gesundheitsamt erfahren, dass wir Präsenzkurse anbieten können, sofern wir diese als Veranstaltung deklarieren“, erzählt Inhaber Volker Grimm. „Aber die Situation war uns zu unsicher. Wir wollen nicht riskieren, dass trotz Abstand und Hygienemaßnahmen etwas bei uns passiert, auch Solidarität spielt eine Rolle.“ In Lübeck gebe es seines Wissens kein Yogastudio, das noch Präsenzkurse macht. „Wir bieten alles, was möglich ist, nun online an“, sagt der Yogalehrer und Physiotherapeut. „Sport ist als Prävention nicht zu unterschätzen“: Errol John Häcker vom Studio EJB in Lübeck findet: „Sport ist generell als Werkzeug zur Gesundheitsprävention nicht zu unterschätzen. Das hört nicht bei Yoga auf!“ Auch der junge Personal Trainer, dessen Studio erst seit einem Jahr besteht, musste sich Alternativen zum regulären Trainingsbetrieb einfallen lassen. Er hatte sich vor einiger Zeit mit der Zertifizierung für Präventionskurse auseinandergesetzt und kritisiert das Prozedere. Mitgliederzahlen in Fitnessstudios gesunken: Die Mitgliederzahlen in deutschen Fitness- und Gesundheitsanlagen sind laut Arbeitgeberverband (DSSV) im Vergleich zu Ende Dezember 2019 um 15,7 Prozent gesunken – von 11,66 auf 9,83 Millionen Menschen. Der DSSV erwartet einen Umsatzrückgang von mindestens 865 Millionen Euro in 2020. Betroffen sind 217 400 Arbeitsplätze. Mit Sorge blicken die Fitnessstudios auf den Jahreswechsel. Januar und Februar gelten als umsatzstärkste Monate des Jahres. Der DSSV verweist auf aktuelle Studien, die das extrem niedrige Covid-19-Risiko in Fitnessstudios belegen, die umfassende Sicherheits- und Hygienemaßnahmen etabliert haben. Von Hannes Lintschnigund Nina Gottschalk