Corona macht Lippenstift zum Ladenhüter

Bislang trotzte der Lippenstift jeder Rezession. Diese ökonomische Gewissheit stammt von dem Kosmetikmagnat Leonard Lauder, Erbe des US-Konzerns Estée Lauder. Er stützte seine Erkenntnis auf Absatzzahlen, die bis in die Weltwirtschaftskrise von 1929 zurückreichten. In schlechten Zeiten, so Lauders Theorie, kauften Frauen weniger teure Dinge und gönnten sich stattdessen Lippenstifte, weil diese für vergleichsweise wenig Geld die Stimmung heben. Lippenstift-Absatz bricht um 50 Prozent ein: Doch die Corona-Pandemie hebelt auch Lauders Lipstick-Effekt aus. Die Wirtschaft erlebt einen dramatischen Einbruch – und Lippenstift verkauft sich so schlecht wie noch nie. Nach Angaben des Marktforschers npd Group schrumpfte dessen Absatz 2020 bisher um knapp 50 Prozent. Schuld daran ist in erster Linie die Maskenpflicht. Denn unter dem Mund-Nasen-Schutz sieht niemand den schönen Lippenstift. Masken statt Make-up: Gleiches gilt für Make-up, das außerdem genauso wie Lippenstift unschöne Flecken auf der Innenseite der Maske hinterlässt. Das Geschäft mit Make-up wird in diesem Jahr um fast ein Drittel zurückgehen, schätzt die Unternehmensberatung McKinsey. Der deutsche Kosmetikverband rechnet für das Jahr 2020 mit 20 Prozent Umsatzeinbruch für die gesamte Branche. Auch nach den Zahlen des Industrieverbands Körperpflege und Waschmittel gingen seit Beginn der Pandemie die Ausgaben für Kosmetikprodukte deutlich zurück. Estée Lauder streicht Stellen: Estée Lauder verzeichnete im Frühjahrsquartal einen Verlust von 462 Millionen Dollar. Der Konzern will deshalb weltweit bis zu 2000 Jobs streichen und bis zu 15 Prozent der Läden schließen. Bei L’Oréal schrumpfte der Umsatz im ersten Halbjahr um zwölf Prozent, bei Beiersdorf um elf Prozent. Nach einer aktuellen Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Nielsen gehören Drogeriemärkte zu den Verlierern der Corona-Pandemie. Das Interesse an Produkten zur Körper- und Schönheitspflege hat seit Ausbruch der Corona-Krise deutlich nachgelassen. So haben laut Nielsen seit der Maskenpflicht 58 Prozent der Lippenstift-Nutzerinnen ihre Gewohnheiten verändert: 32 Prozent tragen gar keinen Lippenstift mehr, 26 Prozent tragen ihn seltener. Lesen Sie auch Lübeck verlängert Maskenpflicht in Innenstadt bis 20. Dezember Unisexdüfte: Parfüms immer häufiger für Mann und Frau gedacht Schminken bei Hitze und trotz Maske: Profi-Tipps für Mundschutz-taugliches Make-Up Wimperntusche ist der neue Lippenstift: Aber es gibt in der Kosmetik-Branche auch In Corona-Zeiten einen Gewinner: Wimperntusche ist der neue Lippenstift. In einigen Ländern stieg der Absatz von Mascara im laufenden Jahr um mehr als das Doppelte. Alles, was die Augenpartie betont, verkauft sich derzeit gut – dazu gehören auch künstliche Wimpern, Lidschatten und Eyeliner. Und angesichts der Fortschritte beim Impfstoff blicken die Kosmetik-Konzerne inzwischen wieder optimistischer nach vorne. Matter Lippenstift hält länger: Experten sind sich dennoch einig, dass uns die Maskenpflicht noch eine Weile begleiten wird. Deshalb empfiehlt auch Beauty-Coach Serena Goldenbaum, sich beim Schminken „auf die Betonung der Augen zu konzentrieren“. Sie hat aber auch einen Tipp für diejenigen, die nicht auf Lippenstift verzichten möchten: Ein matter Lippenstift halte deutlich länger auf den Lippen als zum Beispiel ein Gloss und bekomme zusätzlichen Halt, wenn er nach dem Auftragen etwas überpudert wird. Von Grit Petersen