Jobs im Lockdown: Diese vier Menschen aus Lübeck sind neu durchgestartet

Deidre Ceruzzi ist Frühaufsteherin. „Um 6 Uhr in den Tag zu starten, macht mir gar nichts aus. Aber jetzt muss ich um 4.30 Uhr aufstehen, das ist schon hart“, sagt sie und lacht. Die 47-Jährige bedient normalerweise Gäste in Steffen Hensslers „Ahoi“-Restaurant an der BeachBay in Travemünde. Jetzt backt sie Brötchen im Backshop bei Famila in Eutin. „Ich wohne zwar in Stockelsdorf, aber mein Freund lebt in Eutin“, erzählt sie, das sei praktisch. „Ich kriege sonst einen an der Waffel“: „Ich bin jetzt auf 450-Euro-Basis angestellt, meist arbeite ich zwei Tage pro Woche – Brötchen und Brot backen, die Auslage füllen, Ware auszeichnen.“ Ohne Beschäftigung und Kontakte falle man doch schnell in ein Loch. Sie ist froh, etwas zu tun zu haben. „Ich kriege persönlich sonst einen an der Waffel“, sagt sie offen. Auch der finanzielle Aspekt sei nicht zu unterschätzen. „Ich hatte mir Anfang des Jahres ein Auto gekauft, die Raten laufen ja weiter.“ Sie hofft, dass „ihr“ Restaurant zu Ostern wieder öffnen kann. „Ich bin ein Gastrokind durch und durch“: Ihre Kollegin Katharina Wulf-Schomacker bereitet eigentlich Burger und Bowls auf dem Priwall zu. Jetzt arbeitet sie in einem Geschenkeladen in Stockelsdorf. „Ich habe noch nie im Einzelhandel gearbeitet, ich bin ein Gastrokind durch und durch“, sagt die Köchin. Als der zweite Lockdown kam, hatten ihr Mann und sie gerade entschieden, noch mal ein Haus zu bauen. „Alles war schon angeleiert mit der Bank.“ Am „aroma & home“ sei sie schon tausendmal vorbeigefahren, ehe sie den Tipp bekam, es dort zu versuchen. Gegenseitige Unterstützung: „Schon nach einer Woche habe ich gemerkt, das ist total meins“, erzählt die 36-Jährige. „Katharina ist unser Sechser im Lotto“, bestätigt Geschäftsinhaberin Susanna Rutzen. „Sie macht gern Fotos und kümmert sich um die Social-Media-Auftritte.“ Obwohl die 49-Jährige durch ihr Lebensmittelangebot öffnen dürfte, hat sie geschlossen. Stattdessen heißt es jetzt: Vorbestellung, liefern lassen oder „VIP-Shopping“. „Mit Voranmeldung darf sich je eine Person bei uns umsehen“, sagt Rutzen. Für einige Shops in der Umgebung verkaufen sie derzeit mit. „Es ist doch wichtig, dass wir uns gegenseitig unterstützen“, sagt Wulf-Schomacker. Neue Wege wegen Corona: Auch Errol John Häcker geht wegen Corona neue Wege. Im Lübecker Studio des Fitnesstrainers ist es derzeit leer. Seine Mitglieder versucht er, mit Online Workouts und Challenges zu motivieren, dafür hat er ihnen sogar sein Equipment ausgeliehen. Darüber hinaus bietet er jetzt etwas Neues an: Habit Coaching (engl. habit, Gewohnheit). Der 33-Jährige ist sich sicher: „Um etwas in seinem Leben zu verändern, muss man seine tägliche Routine ändern.“ Auch große Ziele würden meist mit kleinen Schritten beginnen. Lesen Sie auch supportyourlocal Lübeck: So unterstützen Sie die Gastronomie im Corona-Teil-Lockdown Verlängerter Lockdown: Das bedeuten die neuen Regeln für SH Corona: Betreiber von Fitnessstudios fühlen sich bestraft Verlängerter Corona-Lockdown: So geht es Eltern mit behinderten Kindern Der Situation etwas Positives abgewinnen: Häcker gewinnt der schwierigen Situation auch Positives ab: „Das neue Coaching, ein eigener Podcast: Ohne Corona gäbe es das nicht“, sagt er. „Man hat im Tagesgeschäft einen gewissen Tunnelblick, das geht sicher auch anderen Unternehmern so.“ Der Stillstand habe ihn in die Lage versetzt, mehr zu reflektieren. „Ich habe überlegt, was die Leute wirklich brauchen“, sagt Häcker. Das seien nicht nur Trainingspläne oder Ernährungsworkshops, sondern konkrete Hilfen bei der Umsetzung ihrer Vorhaben. „Sich aufzuraffen, kostet viel Energie. Die können viele Menschen allein gar nicht aufbringen.“ Dabei seien kleine Erfolgserlebnisse wichtig, denn: „Willensstärke kann man wie einen Muskel trainieren“, sagt der Fitnesscoach. Vollzeitpapa statt Getränkelieferant: Aus seinem beruflichen Alltag herausgerissen wurde auch Jannik Paulsen. Er arbeitet für einen Getränkegroßhändler und hat vor Corona Gastronomie und Hotellerie betreut. „Derzeit beliefern wir nur Krankenhäuser, Pflegeheime und Tankstellen“, erzählt der Bad Schwartauer. Seinen dreijährigen Sohn hat der 33-Jährige sonst nur abends für ein, zwei Stunden gesehen. Jetzt ist er in Kurzarbeit, seine Frau geht arbeiten, die Kita ist geschlossen. Die meiste Zeit verbringen Mika und er draußen, gehen spazieren, fahren ans Meer, spielen Fußball, toben auf Spielplätzen. Mehr Bewegung, mehr Hausarbeit: „Mika genießt das in vollen Zügen – und ich auch. Ich wollte mich ohnehin mehr bewegen“, sagt der Vollzeitpapa. „Sonst saß ich immer im Büro, im Auto oder zu Hause.“ Inzwischen würde er gern auch mal wieder in seinem Beruf arbeiten. Auch wenn ihm die Zeit mit seinem Sohn viel Spaß mache, sei es anstrengend, ihn jeden Tag sinnvoll zu beschäftigen. „Hausarbeit mache ich auch mehr als vorher“, sagt Paulsen. Seiner Frau jedenfalls gefällt das derzeitige Arrangement ebenfalls gut. Von Nina Gottschalk