Wirtschaftsrat SH fordert: Chancen in Afrika und Lateinamerika nutzen

Energie, Wasserstoff, Logistik, Medizintechnik – in diesen Bereichen sei Schleswig-Holstein stark. Diese Stärke gelte es zu nutzen, aber die Märkte würden in Zukunft eher im Ausland liegen, zum Beispiel in Afrika, Lateinamerika oder auch Osteuropa. „Wir sind bei erneuerbarer Energie eine der führenden Regionen der Welt, die nächste Phase der Energiewende wird mit dem Import grüner Energie nach Deutschland zu tun haben, in der Regel über Wasserstoff oder Folgeprodukte“, erklärt Prof. Stefan Liebing, im Wirtschaftsrat der CDU Sprecher Schleswig-Holstein des internationalen Kreises Hanseregion. „Grüne Ölländer“ entstehen: Die ganze Welt sei auf der Suche nach Projekten, um grünen Wasserstoff herzustellen. Es würden eine Art „grüne Ölländer“ entstehen. „Es wäre schade, wenn es so wie damals beim Faxgerät läuft, dass wir das in Deutschland erforschen und entwickeln, aber andere Länder von der Umsetzung profitieren.“ Da sei es wichtig, dass Schleswig-Holstein aufschließe zu dem, was andere Bundesländer machen. Aktionsplan Außenhandel gefordert: „Schleswig-Holstein gehört auf dem Gebiet der Außenwirtschaft nicht zu den aktiven Ländern. Gerade jetzt ist das falsch“, sagt er. Die Außenwirtschaftsbeziehungen würden sich neu sortieren nach der Corona-Pandemie. „Die bisher starken Partner Deutschlands werden vielleicht schwächer aus der Krise kommen – Stichwort Türkei – andere Länder werden sich als stärker erweisen.“ Als ersten Schritt könnte die Landesregierung in Kiel einen Aktionsplan Außenhandel entwickeln, dazu muss sie mit Unternehmen und Verbänden sprechen. Schon jetzt Schwerpunkte benennen: „Darin könnte festgelegt werden, welche Branchen und welche Länder besondere Bedeutung haben, da könnte man Partnerschaften und Kooperationen abschließen und jetzt Delegationsreisen planen für die Zeit nach der Pandemie.“ Und, fügt Liebing hinzu, die Landesregierung müsse Initiativen in Berlin ergreifen. Dort konzentrierten sich wegen der Corona-Pandemie derzeit alle massiv auf die Binnenkonjunktur, anstatt auch die Außenwirtschaft im Blick zu behalten. Schleswig-Holsteins Außenhandel ist im vergangenen Jahr insgesamt stabil durch die Corona-Krise gekommen. Laut Statistikamt Nord sank das Exportvolumen um 1,1 Prozent auf 20,7 Milliarden Euro, dagegen legten die Importe um 1,1 Prozent auf 23,3 Milliarden Euro zu. Wichtigstes Exportland blieben 2020 trotz eines Minus von 13,8 Prozent die USA mit 1,64 Milliarden Euro, gefolgt von Italien mit 1,61 Milliarden und Dänemark mit 1,52 Milliarden Euro. Bei den zehn größten Handelspartnern gingen die Ausfuhren überwiegend zurück. Eine kräftige Steigerung von 9,3 Prozent gab es allerdings bei den Exporten nach Italien. Um fast 700 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro erhöhten sich die Importe aus Irland. Dies lag an der Einfuhr pharmazeutischer und dabei vor allem immunologischer Erzeugnisse im Volumen von mehr als 1,3 Milliarden Euro - nach 17 Millionen Euro im Vorjahr. Damit rückte Irland auf Platz vier der Importländer. Davor rangierten China mit 3,4 Milliarden Euro, Dänemark mit 2,1 Milliarden und Schweden mit 1,6 Milliarden Euro. Viele Chancen in Afrika: In Afrika zum Beispiel seien noch hunderte Millionen Menschen gar nicht an Energieversorgung angeschlossen. Es gebe dort erste Projekte mit erneuerbarer Energie. „Nur wenn wir unsere Erfahrung aus der Energiewende zum Exportschlager zu machen, würde die Windenergiebranche hier ihre Wertschöpfung ausbauen können. Viele der aktuellen Probleme können wir nur international lösen.“ Ein früher Ansatz war das Wüstenstrom-Projekt Desertec, mit dem Solarenergie in Nordafrika für Europa gewonnen werden sollte. Wiederbelebung von Desertec: „Eines der Kernprobleme war, dass die Länder vor Ort so großen Strombedarf hatten, dass niemand Strom nach Europa transportieren wollte“, sagt Liebing. Die Projekte dienten zuerst der Stromversorgung vor Ort. „Es gibt aber viele solcher Projekte, an denen wir uns beteiligen können. Deutlich einfacher ist es, grüne Energie in Form von Wasserstoff zu transportieren als große Stromleitungen zu bauen. Ich glaube, Desertec wird eine Art Wiederbelebung erfahren. Norddeutsche Unternehmen sind bisher leider wenige dabei“, erklärt der Experte. Lesen Sie auch Erneuerbare Energien aus Schleswig-Holstein: Bau von Solarparks boomt Erneuerbare Energien: Spitzenplatz für den Norden Schleswig-Holsteins Firmen erzielen Export-Rekord Boom auch in der Medizintechnik: Auch Medizintechnik sei ein Schwerpunktthema und werde einen großen Boom erleben. „Da könnte man sehr viel machen. Mittelständler brauchen Hilfe, was Informationen, Marktzugänge und politische Flankierung angeht.“ Doch auch hier fehle der Blick über die Grenzen, Absatzmärkte würden sich deutlich verändern. Er habe nicht den Eindruck, dass das Land die Bedeutung schon erkannt habe, sagt Liebing und rät, in Berlin Initiativen zur Unterstützung der Unternehmen zu ergreifen. „Vom Außenministerium und auch vom Bundeswirtschaftsministerium kommt da viel zu wenig. Wir dürfen unsere Mittelständler nicht allein lassen und Chancen für die Region nicht versäumen“, erklärt der Wirtschaftsexperte. Ein ganz wichtiger Punkt sei Finanzierung, man brauche neue Instrumente, um den Außenhandel anzuschieben. „Ich freue mich, dass die Sparkassen dazu gerade etwas aufbauen.“ Von Christian Risch