Das ist eine kleine Sensation: Wissenschaftler haben den Stoffwechsel einer Nutzpflanze so verändert, dass sie über 40 Prozent mehr Biomasse hervorbringt. Der verbesserte Prozess, der mit der Photosynthese verbunden ist, soll auch bei anderen Feldfrüchten die Erträge deutlich steigern.
Dafür veränderten die Forscher um Donald Ort von der University of Illinois in Urbana genetisch einen mit der Photosynthese verbundenen Prozess in Tabakpflanzen, wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ jetzt berichten.
Lichtatmung hemmt Wachstum von Weizen und anderen Feldfrüchten
Nachdem der Einsatz von Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Bewässerung weitgehend ausgereizt ist, setzen Agrarwissenschaftler inzwischen bei ihren Entwicklungen auf eine effektivere Photosynthese. Denn viele Nutzpflanzen wie Weizen, Reis oder Sojabohnen haben einen energieraubenden Stoffwechselprozess: die sogenannte Lichtatmung. Grund dafür ist, dass bei ihnen das Photosynthese-Enzym RuBisCO neben Kohlendioxid (CO2) auch Sauerstoff verstoffwechselt.
Dabei entsteht ein für die Pflanze giftiges Nebenprodukt, das aufwendig durch Lichtatmung abgebaut werden muss. „Wir könnten bis zu 200 Millionen mehr Menschen ernähren mit den Kalorien, die im Mittleren Westen der USA durch Photorespiration verloren gehen“, wird Ort in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Aktuell leiden nach Angaben der Deutschen Welthungerhilfe 124 Millionen Menschen unter akutem Hunger.
Wissenschaftler nutzen Gene von Algen und Riesenkürbissen
Ort und Kollegen veränderten nun in Tabakpflanzen die Gene derart, dass die Lichtatmung viel kürzer und weniger aufwendig verlief. Dafür nutzten die Wissenschaftler Gene des Riesenkürbis (Cucurbita maxima) und von einer Grünalgen-Art (Chlamydomonas reinhardtii). Tabak ist eine bei Biotechnologen beliebte Modellpflanze, unter anderem, weil sie schnell wächst und viele Samen produziert.
In der Natur läuft die Lichtatmung in verschiedenen Organellen der Pflanzenzellen ab, unter anderem in den photoaktiven Chloroplasten. Die Forscher blockierten nun ein Transporterprotein, so dass der Stoffwechsel in den Chloroplasten verbleibt. Dabei wird CO2 verstärkt vom Enzym RuBisCO verstoffwechselt, und es entsteht eine geringere Menge giftiger Nebenprodukte. Im Ergebnis muss die Pflanze weniger Energie für die Lichtatmung aufbringen und kann schneller wachsen.
Verfahren wird jetzt bei Reis, Kartoffeln und Bohnen getestet
Die Biotechnologen testeten ihr Verfahren, indem sie die veränderten Tabakpflanzen nicht nur in Gewächshäusern, sondern auch auf Feldern anpflanzten. Im Vergleich zu naturbelassenem Tabak erzeugten die manipulierten Pflanzen durchschnittlich 41 Prozent mehr Biomasse im Trockenzustand. Die Forscher haben nun damit begonnen, mit Hilfe ihrer Erkenntnisse auch den Ertrag von Sojabohnen, Augenbohnen, Reis, Kartoffeln, Tomaten und Auberginen zu steigern. Die gentechnisch veränderten Pflanzen sollten später einmal Kleinbauern in vielen Regionen der Welt kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, betonen sie.
In einem „Science“-Kommentar schreiben Marion Eisenhut und Andreas Weber von der Universität Düsseldorf, typische jährliche Ertragszuwächse in der Pflanzenzüchtung lägen bei unter zwei Prozent. „Der Syntheseweg birgt daher das Potenzial für einen Entwicklungssprung bei der Ertragsverbesserung durch genetische Veränderung von Kulturpflanzen.“
Von RND/dpa