Football in Deutschland vor der Zerreißprobe

Seit dem German-Bowl-Sieg der Braunschweig Lions über die Schwäbisch Hall Unicorns (10:7) am 12. Oktober 2019 hat im deutschen Football kein Pflichtspiel mehr stattgefunden. Die Saison 2020 ist der Corona-Pandemie komplett zum Opfer gefallen und aufgrund der aktuellen Infektionszahlen steht auch der für Juni geplante Saisonstart 2021 in den Sternen. Doch nicht nur deshalb steht der deutsche Football vor einer Zerreißprobe. Die Verbandsführung um AFVD-Präsident Robert Huber steht seit Jahren in der Kritik. Im vergangenen Oktober wurde die Initiative „Restart 21“ gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Verbandsspitze abzulösen. Daran hat sich auch durch die vom AFVD initiierte Gründung eines GFL-Ligavorstands, der die erste und zweite Liga unabhängiger machen und professioneller vermarkten soll, nichts geändert. TV-Moderator Esume geht mit neuer Liga an den Start: Zudem wird im Sommer eine neue europäische Liga an den Start gehen, an deren Spitze ProSieben-Sat.1-Moderator Patrick Esume als Commissioner (Sportdirektor) steht. Diese European League of Football (ELF) umfasst zunächst acht Teams, soll später auf bis zu 20 Mannschaften wachsen. TV-Partner soll ProSieben werden. Los geht es am 20. Juni mit den Standorten Berlin, Frankfurt/Main, Stuttgart, Hannover/Hildesheim, Ingolstadt und Hamburg sowie Wroclaw und Barcelona. Die Klubs sind allerdings keine eingetragenen Vereine, sondern ausgegliederte Kapitalgesellschaften, die einen Franchisevertrag mit der neuen Liga schließen. „Wir haben durch Corona schon eine besondere Situation, in der es keinerlei Planungssicherheit gibt. Da macht die ELF uns das Leben sicher nicht leichter, denn für die geplanten sechs deutschen Teams benötigen sie sicher 200 bis 300 deutsche Spieler, die bisher in GFL1 und GFL2 aktiv waren“, sagt Axel Streich, Mitglied des GFL-Ligavorstands. Lübeck Cougars bleiben im AFVD: Die Lübeck Cougars haben sich klar positioniert, sie bleiben im AFVD. „Auch wir wollen professioneller Arbeiten und unterstützen jedes Konzept und jede Idee, die unseren Sport weiter nach vorne bringt“, erklärte Cougars-Geschäftsführer Sascha Knappe. „Für uns sind Vereinswesen mit einer eigenen Jugendarbeit, jeder Menge Tradition und Professionalisierung aber kein Gegensatz.“ Erste „Opfer“ gibt es aber bereits. Ingolstadt (GFL Süd) und Hildesheim (GFL Nord) haben ihre Erstliga-Teams zurückgezogen, treten künftig in der ELF an. Auch die Elmshorn Fighting Pirates haben die Segel gestrichen, planen einen Neustart in der Landesliga. So wird die GFL Nord 2021 wohl nur mit sechs statt der eigentlich vorgesehenen acht Teams an den Start gehen. Ist die ELF also eine Bedrohung für den Football in Deutschland? „Nein“, sagt Esume ganz klar. „Wir wollen den Football in Europa nach vorn bringen, und Deutschland ist ein wichtiger Bestandteil dieser Planungen.“ Er könne die Sorgen der Vereine verstehen, aber „man muss sich doch auch einmal fragen, wo steht Football jetzt? Wenn alles super wäre, gäbe es doch gar keinen Bedarf für unsere Liga. Und vielleicht sollten sich die Vereine auch einmal die Frage stellen, was der Verband denn in der Vergangenheit für sie getan hat“. Mediales Interesse nur an der NFL, nicht am deutschen Football: Medial interessant sei doch nur die NFL. „Vom deutschen Football wird kaum Notiz genommen. Es gibt kaum mediale Reichweite, keinen Return für die Sponsoren. Das ist doch das große Problem unseres Sports in Deutschland“, sagt der künftige ELF-Commissioner. Dabei habe es bereits vor Jahren Gespräche zwischen ProSieben und dem AFVD gegeben, nur leider ohne positive Ergebnisse. „Das Wichtigste sind für uns der Sport und die Spieler, denen wir ein attraktives Produkt bieten wollen. Und das möchten wir gern in Zusammenarbeit mit allen Vereinen und Verbänden machen. Denn es geht nur gemeinsam“, erklärt Esume. Reamateurisierung kostet 500 Euro: Davon ist man momentan aber noch weit entfernt. Wer auch nur eine Partie in der ELF absolviert, darf im betreffenden Jahr nicht mehr für eine im AFVD beheimatete Mannschaft spielen. Was Esume aber noch wesentlich mehr ärgert, ist etwas anderes. „Wer in der ELF gespielt hat und zu einem Klub im AFVD zurückkehren will, muss reamateurisiert werden. Das kostet 500 Euro. Und das soll dann im Interesse des Sports und der Spieler sein?“ Die Gräben zwischen den Parteien sind offenbar tief. Man kann nur hoffen, dass alle gemeinsam versuchen, Lösungen zu finden. Sonst könnte es schnell passieren, dass am Ende alle Beteiligten als Verlierer vom Platz gehen. Von Axel Wronowski