Flüchtling aus Syrien via HSG Ostsee zum Handball-Nationalspieler?

Erst seit wenigen Tagen wieder im Teamtraining, sind die Drittliga-Handballer der HSG Ostseee N/G noch dabei, sich wieder an den Rhythmus zu gewöhnen, die regelmäßigen abendlichen Fahrten zur Sporthalle, die Einheiten in Mannschaftsstärke, die Ansagen von Trainer Jens Häusler. Und doch ist seit dieser Woche etwas ganz neu, haben sie einen besonderen Gast. Und der ist voller Hoffnung, nach Juri Knorr der nächste Handballer zu werden, der über die Station beim Drittligisten von der Ostsee zum Nationalspieler aufsteigt. Syrer will fit werden für seine Nationalmannschaft: Sein Name ist Mahmoud Alkhalil, Alter: 27, Größe: 1,88 Meter, Rechtshänder, ehemaliger U17- und U19-Nationalspieler aus Syrien, mit Erstliga-Erfahrung im Irak. Vor allem aber mit der Hoffnung, nach seiner Flucht vor fünfeinhalb Jahren bald wieder für sein Heimatland Tore werfen zu können. „Dafür will ich mich jetzt fit machen und bin froh, dass ich nun auch das Training bei der HSG Ostsee dafür nutzen kann“, sagt Alkhalil, der den Strand in Grömitz von unzähligen Spaziergängen mit Freunden kennt. Lesen Sie auch HSG Ostsee: Fünf Verträge laufen aus/Kein Geld vom Land Drittliga-Saison abgebrochen – HSG spielt Pokalrunde HSG-Ärger mit den reichen Nachbarn Flucht über die Balkanroute: Der 27-Jährige ist kein komplett Unbekannter in Schleswig-Holsteins Handballszene. Als er 2015 aus der damaligen IS-Hochburg Al-Rakka floh, über Aleppo und die Türkei schließlich in Mytilini auf der griechischen Insel Lesbos anlandete, über die Balkanroute nach München kam und dort den Zug nach Hamburg nahm, um seinem Onkel in Bargteheide nah zu sein, endete seine Flucht schließlich in der Sammelunterkunft auf dem Lübecker Volksfestplatz. Noch im Herbst 2015 schloss er sich gemeinsam mit seinem Landsmann Mohamad Kaddour dem VfL Bad Schwartau an, spielte unter Mirko Baltic im U23-Oberliga-Team, bevor er schließlich zum VfB Lübeck wechselte, dort zudem die Frauen-Teams trainierte – bis ihn 2019 ein Kreuzbandriss zu einer langen Pause zwang. Trainingslager in Moskau geplant: Nun will er es nochmal wissen, weil die Nationalmannschaft lockt. Im August ist ein mehrwöchiges Trainingslager in Moskau geplant. „Viele von uns dürfen nicht in ihre Heimat einreisen, deshalb hat der Verband die Sichtung für in Europa lebende Syrer in Russland geplant“, erzählt Alkhalil, der damals, während des Krieges in seiner Heimat, flüchtete, weil er zum Wehrdienst gemusst hätte. „Ich wollte nicht mit einer Seite gegen die andere Seite kämpfen“, sagt er. Der neue Handball-Verbandspräsident will nun wieder ein Nationalteam aufbauen, im Januar 2022 sollen die asiatischen Kontinental-Meisterschaften ausgespielt werden. „Das könnte das große Ziel sein“, sagt Alkhalil, der weiß, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist. Weltpolitisch, aber auch für ihn persönlich unter sportlichen Aspekten. Corona hat ihn Job und Ausbildung gekostet: Schon seit einigen Wochen trainiert er zweimal täglich, absolviert morgens einen Ausdauerlauf und am Nachmittag Athletikeinheiten. Sein Trainerjob bei den 2. Frauen des VfB Lübeck, wo ihn das ehemalige VfB-Aufsichtsratmitglied Burkhard Roß unterstützt, ruht seit fünf Monaten. Auch als Aushilfe im Döner-Laden wird er derzeit nicht gebraucht, sein Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur fiel (vorerst) Corona zum Opfer. Probespieler mit Perspektive bei der HSG Ostsee? Nun kommen im Trainingsprogramm noch die Einheiten bei der HSG Ostsee hinzu. „Ich habe mich total gefreut, als klar war, dass das klappt. Das sind professionelle Strukturen, die Spieler sind alle nett“, fasst er seine ersten Eindrücke zusammen. Ob er in der kommenden Saison vielleicht auch für die HSG Ostsee in der 3. Liga auf Torejagd gehen wird, vermag er nicht vorauszusagen. „Ich bin noch nicht fit. Die Antwort kann man vielleicht in zwei oder drei Monaten geben“, sagt Alkhalil. Und auch Frank Barthel, Sportlicher Leiter beim Drittligisten, will nichts überstürzen: „Wir warten das ab. Wir freuen uns, dass wir ihm diese Möglichkeit bieten können.“ Er sei sich da mit Trainer Jens Häusler schnell einig gewesen, so Barthel. „Nun ist Mahmoud Alkhalil offiziell als Probespieler bei der HSG Ostsee gemeldet und voll ins Hygiene- und Testkonzept eingebunden. Alles andere wird sich zeigen.“ Auch, ob aus den Reihen der HSG Ostsee vielleicht schon bald der nächste Nationalspieler hervorgeht. Von Christian Schlichting