Königliches Spiel startet in die Online-Saison

Wohl dem, der solche Möglichkeiten hat, seiner Passion auch in Corona-Zeiten nachzugehen: Während die meisten Sportler durch die Pandemie derzeit ausgebremst sind, startet am kommenden Montag, 18. Januar, die 2. Saison der Deutsche Schach-Online-Liga (DSOL). Und die hat sich zu einer echten Erfolgsversion des königlichen Spiels entwickelt. 385 Mannschaften sind gemeldet: Im vergangenen Sommer aus der Not geboren und als Ersatz für den ausgesetzten regulären Präsenz-Spielbetrieb initiiert, bedeuten nun 385 Mannschaften, die sich für die Online-Vergleiche registriert haben, einen Zuwachs von 60 Prozent. „Ich bin extrem überrascht von dieser großen Anzahl“, sagt Ullrich Krause, der Präsident des Deutschen Schach-Bundes.“ Der 53-jährige Lübecker ist einer der Initiatoren des Projektes, das gemeinsam mit dem Hamburger Online-Schachportal ChessBase umgesetzt wurde. „Wir mussten uns ja ’was einfallen lassen, als die Präsenzspiele nicht mehr möglich waren. Aber diese Resonanz hatten wir nicht erwartet.“ Einteilung nach Spielstärke in 13 Ligen: Rund 3000 Spielerinnen und Spieler sind jetzt gemeldet, darunter auch zahlreiche DSB-Kaderspieler. Die Kaderlisten der Vereine sind lang, gespielt wird mit Vierermannschaften, eingeteilt werden die Teams in 13 Ligen nach Leistungsstärke, dazu wird die DWZ, die Deutsche Wertungszahl, der Top-4 im Team herangezogen. Jede Liga besteht aus vier Gruppen, die jeweils zwei besten Teams der Gruppen qualifizieren sich fürs Liga-Viertelfinale, dann geht’s im K.o.-Modus weiter. Breitenschach-Event mit Top-Besetzung: Deutscher Meister und Titelverteidiger in der 1. Liga ist die SG Porz, doch Topfavorit sind diesmal die Schachfreunde Deizisau, die mit Alexander Donchenko, Matthias Blübaum und Vincent Keymer die drei besten Spieler Deutschlands (nach DWZ) sowie vier weitere DSB-Kaderspieler im Aufgebot haben. „Die hochkarätige Besetzung hat mich überrascht, denn die DSOL ist in erster Linie als Breitenschach-Event gedacht“, betont Krause. Der DSB-Präsident und Mitinitiator der virtuellen Liga ist auch als Spitzenspieler (DWZ 2189) im Kader des Lübecker Schachvereins gemeldet, gemeinsam mit Christoph Stäblein (2113), der erst zehnjährigen Deutschen U10-Meisterin Lisa Sickmann (1647) und Matthias Fenski (1865). Die vor ihm rangierenden Vereinskollegen, Großmeister Sergey Kalinitschew und der frisch gekürte U16-Weltmeister Frederik Svane, sind nicht dabei. „Ich habe den Meldetermin versäumt, weiß aber nicht, ob ich hätte spielen wollen“, sagt Svane. „In der ersten Saison war ich dabei, hätte aber gern gegen stärkere Gegner gespielt.“ Auch Vorbehalte gegen Online-Ligen: Der LSV war in der 1. Liga eingestuft und in Gruppe D Sechster geworden. Nun geht’t am 22. Januar in der 2. Liga, Gruppe C, mit einem ersten „Heimspiel“ gegen den SC Blauer Turm Bad Wimpfen aus dem Württembergischen los. „Ein Gegner, gegen den wir im Präsenz-Schach mit regional sortierten Ligen nie spielen würden“, weiß der Vereinsvorsitzende Thilo Koop. Aus Schleswig-Holstein haben 15 Mannschaften für die DSOL gemeldet (in Klammern Durchschnitt Deutsche Wertungszahl DWZ): TuRa Harksheide (2237) 1. Liga, Gruppe C Lübecker SV (2106) 2. Liga, Gruppe C SC Wrist-Kellinghusen (2061) 2. Liga, Gruppe A SK Doppelbauer Kiel (2032) 3. Liga, Gruppe A SV Großhansdorf (2013) 3. Liga, Gruppe C SV Eutin (1953) 4. Liga, Gruppe A Segeberger SF (1949) 4. Liga, Gruppe B Eckernförder SC (1930) 4. Liga, Gruppe D Kieler SG (1927) 4. Liga, Gruppe C SV Großhansdorf II (1859) 5. Liga, Gruppe A Lauenburger SV (1820) 6. Liga, Gruppe C Eckernförder SC II (1782) 7. Liga, Gruppe B Ratzeburger SC (1538) 10. Liga, Gruppe B Raisdorfer SG (1528) 10. Liga, Gruppe A Raisdorfer SG II (1020) 13. Liga, Gruppe B Spieltermine (jeweils Wochenspieltag der Heimmannschaft, 19.30 Uhr) 1. Runde: 18.1. bis 22.1.; 2. Runde: 1.2. bis 5.2.; 3. Runde: 8.2. bis 12.2.; 4. Runde: 22.2. bis 26.2.; 5. Runde: 1.3. bis 5.3., 6. Runde: 15.3. bis 19.3.; 7. Runde: 22.3. bis 26.3. Viertelfinale 12.4. bis 16.4.2021 Halbfinale 23.4.2021 Finale 30.4.2021 Dass dennoch längst nicht alle Mitglieder in seinem Verein begeistert sind vom Online-Ligenbetrieb, hat nach seinem Dafürhalten nichts damit zu tun, dass „zumindest theoretisch“ Hilfsmittel wie Schachcomputer eingesetzt werden könnten. „Kontrollvorrichtungen mit zwei Kameras aus verschiedenen Perspektiven wie bei wichtigen Online-Turnieren gibt es natürlich nicht“, weiß er. „Aber da ist in der ersten Saison auch nichts Auffälliges vorgefallen.“ Vielmehr vermissen viele Spielern den Gegenüber auf der anderen Seite des Brettes. „Es fehlt die Atmosphäre, um sich in die Partie vertiefen zu können.“ Bei Spielzeiten von nicht selten an die zwei Stunden kein unwichtiger Aspekt. Präsident Krause will Online-Version des Ligenbetriebs beibehalten: Auch Schach-Präsident Krause weiß, dass die Online-Version nicht jedermanns Sache ist. Als Alternativ-Spielbetrieb will er sie dennoch nicht mehr missen. Auch nicht, wenn nach dem Ende des Lockdown die Präsenz-Ligen wieder starten. „Dann wäre sie doch ein guter Sommerloch-Füller. Die normalen Ligen werden von Oktober bis Mai gespielt, von Mai bis Oktober könnten die Schachfreunde dann in den Online-Ligen antreten.“ Von Christian Schlichting