Mit Metzner und Knorr zur Handball-WM

Das Bild, das Alfred Gislason vor einer Sponsorenwand zeigte, flackerte. Die digitale Welt ist in Wendgräben, auf dem Land bei Magdeburg, in seiner kompletten Bandbreite noch nicht angekommen. Der Bundestrainer gab nach ausgeblendeter Greenbox den Blick deshalb in sein Arbeitszimmer frei, auf ein mit Akten, Ordner und Bücher vollgestopftes Regal mitsamt Pokalen und isländischer Miniflagge. Das Umfeld der digitalen Pressekonferenz, es passte ins Bild. Denn mit Blick auf die Handball-WM in Ägypten (13. bis 31. Januar) wartet auf den Isländer nach den Absagen von sieben Stammspielern jede Menge Arbeit. Gislason: „Halbfinale nicht realistisch“: Mehr noch: Anlässlich der Nominierung des 20-köpfigen Kaders hält Gislason das Ziel, Halbfinale, „in dieser Konstellation für nicht realistisch, weil wir eine relativ neue und unerfahrene Mannschaft haben“. Denn nach dem coronabedingten Verzicht von Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler fehlt ihm der Innenblock, mit Finn Lemke der „Aggressive Leader“, in Summe das Herzstück der Abwehr. „Da ist etwas weggebrochen, was weltweit Respekt eingeflößt hat“, gibt auch DHB-Sportvorstand Axel Kromer zu. Metzner und Knorr als WM-Überraschungen? Die Überraschungen: Meister THW Kiel stellt erstmals seit 2001 keinen Spieler. Und: Neben Juri Knorr, mit 20 Jahren der Jüngste im Team, steht mit Antonio Metzner ein zweiter Ex-Schwartauer im Aufgebot. Der Rückraumrechte – im Vorjahr vom VfL zum Erstligisten Erlangen gewechselt – ist, wie auch Teamkollege Sebastian Firnhaber, erstmals dabei. „Antonio hat durch die Absagen die Chance bekommen, sich zu zeigen. Er hat sich gut entwickelt, kann Abwehr und Angriff spielen, viele interessante Aspekte reinbringen. Ich bin richtig gespannt“, erklärte Gislason seine Wahl. Ex-Nationalspieler und Experte Stefan Kretzschmar traut Metzner („Er ist ein Typ wie Holger Glandorf“) gar eine Rolle als „die WM-Überraschung“ zu. Auch Knorr, den das Coronavirus nach der EM-Qualifikation in Estland, schwer erwischte hatte. „Juri hat lange gebraucht, um wieder gesund zu werden, ist aber auf einem guten Weg“, sagt Gislason. Der Isländer gibt zu: „Ich hätte lieber den kompletten Kader zur Verfügung gehabt, aber es ist halt leider so. Wir müssen ein neues Team zusammenbauen. Ich freue mich auf die Aufgabe, bin gespannt, was die Mannschaft bringen kann.“ Tor: Andreas Wolff (KS Vive Kielce/Polen), Johannes Bitter (TVB Stuttgart), Silvio Heinevetter (MT Melsungen). Linksaußen: Uwe Gensheimer (RN Löwen), Marcel Schiller (FA Göppingen). Rückraum links: Julius Kühn (MT Melsungen), Paul Drux (Füchse Berlin), Fabian Böhm (TSV Hannover-Burgdorf), Christian Dissinger (RK Vardar Skopje/Mazedonien). Rückraum Mitte: Philipp Weber (SC DHfK Leipzig), Juri Knorr (GWD Minden), Marian Michalczik (Füchse Berlin). Rückraum rechts: Kai Häfner (Melsungen), David Schmidt (Bergischer HC), Antonio Metzner (HC Erlangen). Rechtsaußen: Tobias Reichmann, Timo Kastening (beide MT Melsungen). Kreis: Jannik Kohlbacher (RN Löwen), Johannes Golla (Flensburg-H.), Sebastian Firnhaber (HC Erlangen). EM-Qualifikation als WM-Vorbereitung: Los geht es nach fünftägiger Heim-Isolation der Spieler am 3. Januar in Neuss. Zur WM-Vorbereitung zählen dann auch die zwei EM-Qualispiele gegen Österreich in Graz (6.1.) und Köln (10.1.). Am 12. Januar ist Abflug nach Ägypten. In der WM-Vorrunde treffen Käptn Gensheimer & Co. auf Uruguay, Kap Verde und Ungarn. Experte Kretschmar ist trotz der wenig erfreulichen Vorzeichen optimistisch: „Der Traum vom Halbfinale ist da. 2016 hat man gesehen, was möglich ist. Da sind wir mit einer No-Name-Truppe Europameister geworden.“ Von Jens Kürbis