Ruderer kämpfen virtuell um Titel auf dem Ergometer

Dröhnende Bässe aus den Lautsprechern auf der Bühne, lautstarke Anfeuerung via Mikrofon, aufmunternde Trainer-Kommandos und schwitzende Ruderer auf allen Bahnen: Jahrelang war der Ergometer-Cup im Schuppen 6 an der Lübecker Untertrave das Wettkampf-Highlight im Winter. Bis zu 700 Athleten lockte das Spektakel – in Coronazeiten unvorstellbar. 850 werden es an diesem Wochenende sein, die bei den 1. Offenen Deutschen Indoor Rowing Meisterschaften starten – alle zusammen, aber alle getrennt in Deutschland, Australien, Saudi-Arabien und Kanada. Ein von Sportdeutschland.TV bereitgestellter Stream wird auf der Startseite Homepage des deutschen Ruderverbandes zu sehen sein – knapp zehn Stunden lang. Aus dem Clubhaus in die Welt: Beim Ratzeburger Ruderclub laufen die Vorbereitungen seit vergangenem Wochenende. Im Clubhaus haben Cheftrainer Christian Wärmer und Übungsleiter Henrik Weißenborn alles installiert: Ein Ergometer mit Internetanschluss, ein PC, eine Leinwand, damit die Ruderer ihre Rennen virtuell erleben. Aktuelle Streckenfortschritte werden während auf einer ansprechenden Grafik dargestellt. Ermöglicht wird es auch, dass einige der Athleten weltweit per Live-Video zu sehen sein werden. Dafür muss Wärmer sein Smartphone zur Hand haben – für den Fall, dass Interviews mit einem der acht Starter aus der Inselstadt gefragt sind. Wärmer kennt sich mit der Technik aus: „Das ist recht umfangreich, aber ich hatte das auch schon in meiner Zeit in Rostock bei Ergo-Meisterschaften gemacht.“ Lesen Sie auch: Ruderer sitzen in Ratzeburg auf dem Trocknen 100 Jahre Lübecker Regattaverein Aktuelle Videos vom Wiegen: Zudem müssen aktuell Videos vom Wiegen der Athleten (mit Urzeit und Datum auf einer geeichten Waage) erstellt und an den Veranstalter geschickt werden, damit kein Schwergewicht bei den Leichten rudert. Und es muss zeitlich koordiniert werden, dass jeder sich vor seinen Starts in Extra-Räumen rechtzeitig aufwärmen kann, ehe er auf das Meisterschafts-Ergometer steigt. „Das wird stressig, wenn zwei meiner Sportler im gleichen Rennen fahren“, sagt Wärmer. Und alles muss die Corona-Auflagen erfüllen. Eltern als Helfer gefragt: Bei der Lübecker Ruder-Gesellschaft verfolgt Landestrainer Björn Lötsch das Geschehen: „Alle Starter, rund 20 dürften es aus Lübeck sein, dazu kommen die Landeskader-Athleten, können wir hier nicht gemäß des Hygienekonzepts unterbringen. Also sind auch die Eltern als Helfer gefragt, damit ihre Kinder von zu Hause aus mitmachen können.“ Maximilian Munski startet bei den Masters: Bei der LRG wird auch Maximilian Munski, Silbermedaillengewinner im Deutschland-Achter bei Olympia 2016, starten. „Ich finde das neue Format der Meisterschaften cool“, sagt der inzwischen 33-Jährige, der sein erstes Masters-Rennen bestreiten und damit dem bootlosen Duell mit Einer-Welt- und Europameister Oliver Zeidler aus dem Weg gehen wird. Radfahren und Laufen standen beim angehenden Lehrer auf dem Trainingsplan: „Auf einen Ergometer konnte ich bislang noch nicht, die sind ja fast alle bei den Vereinen. Aber für eine Zeit unter fünf Minuten sollte es über 1000 Meter schon reichen.“ Zehn Stunden Livestream: Das Event erstreckt sich über den gesamten Sonntag – mit Vorläufen ab 9 Uhr, bis hin zum letzten Finale um 18.25 Uhr. Die knapp 10 Stunden werden begleitet von einem Kommentatoren-Team. Darüber hinaus wurden im Vorfeld Interviews mit Athleten und Athletinnen des A-Kaders geführt. Die Bundestrainer Marc Hildebrandt, Jochen Weber, Brigitte Bielig, Bernd Nennhaus und Ralf Holtmeyer begleiten und kommentieren die Rennen ihrer jeweiligen Bereiche. Virtuelle Rennen die Zukunft? Virtuelle Ergometer-Meisterschaften könnten künftig zur Regel werden. „Meistens fanden die Weltmeisterschaften in Amerika statt, da waren wenig Europäer am Start. Im vergangenen Jahr in Paris war das umgekehrt“, sagt RRC-Coach Wärmer. Dessen Schützling Johannes Langhans, der im Vorjahr in Paris, wo vor Corona 3200 Athleten aus 52 Nationen dabei waren, als U19-Leichtgewicht 18. bei den U23-Junioren wurde, muss am Sonntag krankheitsbedingt passen. Von Christoph Staffen