TSV Trittau: Badminton-Spielerin Kilasu Ostermeyer träumt von Olympia

Ihr Flieger ging ab Frankfurt, und als sie einen Tag später in Bangkok landete, war es noch eine Woche bis zum ersten sportlichen Auftritt nach langer Zeit für Kilasu Ostermeyer. Zu gern hätte die 23-jährige Deutsch-Thailänderin die freien Tage für einen Besuch bei oder zumindest ein Treffen mit ihren Eltern genutzt. Doch die strengen Hygiene-Maßnahmen ließen das vor dem – nicht unumstrittenen – Neustart des internationalen Badminton-Circuit nicht zu. Noch bis in den Mai hinein geht es dabei um Punkte im „Race to Tokio“ – die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele. Drei Weltklasse-Turniere nacheinander in Bangkok: Nach fast zweimonatiger Corona-Zwangspause werden nun vom 12. Januar an in Bangkok zunächst die Yonex Thailand Open gespielt, eine Woche später folgt mit den Toyota Thailand Open gleich das nächste Turnier der höchsten Kategorie um abermals einer Million US-Dollar Preisgeld. Anschließend spielen die Top-16 aller fünf Disziplinen an gleicher Stelle noch die World Tour Finals, in denen 1,5 Millionen US-Dollar verteilt werden. Bei den zwei Turnieren der „HSBC BWF World Tour Super 1000“ in Bangkok – den Yonex Thailand Open (11. bis 17. Januar) und den Toyota Thailand Open (18. bis 24. Januar) – ist der DBV mit acht Athleten vertreten. Dameneinzel: Yvonne LI (Lüdinghausen); Herrendoppel: Mark Lamsfuß (Wipperfeld)/Marvin Seidel (Saarbrücken-Bischmisheim). Damendoppel: Linda Efler (Lüdinghausen)/Isabel Herttrich (Bischmisheim). Mixed: Lamsfuß/Herttrich, Jones Ralfy Jansen (Wipperfeld)/Kilasu Ostermeyer (Refrath). Nachrücker: Daniel Hess (1. BC Beuel) Doppel mit Jansen, Mixed mit Efler. Bei den World Tour Finals (27. 31. Januar) in Bangkok sind dann nur zwei deutsche Doppel unter den Top-16 der fünf Konkurrenzen: Im Damendoppel sind Efler/Herttrich an Position 9 gesetzt, im Mixed Lamsfuß/Herttrich an Position 2. Ostermeyer spielt erstmals wieder in Thailand: Für Ostermeyer ist es nicht nur wegen der langen Pause ein ganz besonderer Neustart. Denn erstmals, seit sie 2016 nach Deutschland übersiedelte und für Bundesligist TSV Trittau „wie ein Sechser im Lotto“ war, spielt die 23-Jährige nun wieder ein Turnier in ihrem einstigen Heimatland. Als Tochter einer Thailänderin und eines Deutschen war sie in der Provinz Pathum Thani, angrenzend an die Millionenmetropole Bangkok, aufgewachsen, hatte sich zur Top-Nachwuchsspielerin ihres Landes gemausert, ehe sie sich mit 18 Jahren entschied, ins Heimatland ihres Vaters überzusiedeln. Das große Ziel ist Olympia 2024 in Paris: Nach drei Jahren in Trittau und einer abgebrochenen Lehre zur Zahnarzthelferin setzt sie seit knapp zwei Jahren voll auf die Karte Badminton. Die Entscheidung stand, nachdem sie ihre Eltern im Winter 2018/19 in Thailand besucht hatte. „Mein Ziel ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris“, sagt sie. Wohl wissend, dass für Tokio in diesem Sommer maximal zwei Plätze pro Nation in den Doppel-Disziplinen – in denen zudem nur jeweils 16 Paare aus aller Welt spielen werden – für sie nicht mehr erreichbar sind. Als Perspektivspielerin im DBV-Kader: Um Profi zu sein, war sie an den Bundesstützpunkt Badminton nach Saarbrücken gezogen, spielt inzwischen für den TV Refrath – und auch für Deutschland. Der Deutsche Badminton Verband hat sie in seinen Perspektivkader aufgenommen und nun – etwas überraschend – zum Turnier-Neustart nach Thailand geschickt. Ostermeyer und ihr momentaner Mixed-Partner Jones Ralfy Jansen (1. BC Wipperfeld) sind erst durch einige Absagen ins 32er-Feld nachgerückt. Zudem musste die gesamte japanische Delegation wieder abreisen, nachdem einer ihrer Spieler positiv auf Covid-19 getestet worden war. Großer Aufwand für Neustart in Bangkok: „Leider ist nicht sicher, ob das einer dieser falsch-positiven Tests war. Aber da sind die Veranstalter konsequent“, sagt DBV-Sportdirektor Martin Kanitz, der im Vorfeld unerwartete Hemmnisse zu bewältigen hatte, bevor er die insgesamt zehnköpfige DBV-Delegation (acht Athleten, Bundestrainerin Cheng Wen-Hsing und ein Physiotherapeut) nach Südostasien schicken konnte. Der Versuch, das wegen Corona benötigte Visum zu erhalten, scheiterte, weil weder thailändische Botschaft noch Konsulat halfen. „Ich habe über Wochen keinen Kontakt dorthin bekommen, weder telefonisch noch wurde auf meine schriftlichen Anfragen reagiert“, berichtet Kanitz. Visum-Pflicht für Badmintonspieler ausgesetzt: Erst als die Turnierveranstalter erfuhren, dass mehrere Nationalverbände Probleme hatten, schalteten sie das Außenministerium in Bangkok ein – das daraufhin die Visumpflicht für Badmintonspieler aussetzte. „Letztlich waren die Formalitäten dennoch so umfangreich, dass ich für jeden Athleten und Betreuer einen eigenen Ordner mit Certificate of Entry, Testnachweisen und vielem mehr mitgegeben habe“, erzählt Kanitz von seiner „bisher aufwendigsten Maßnahme“ für den DBV. „Auch die Turnierorganisatoren unternehmen enorme Anstrengungen. Aber diese Turniere sind wichtig für die Athleten. Sie brauchen diese Fixpunkte, um im Training nicht die Spannung zu verlieren.“ Im riesigen Impact Center in der „BWF-Blase“: In Bangkok erfahren Ostermeyer & Co. nun, wie ernst es die Thailänder und der Badminton-Weltverband BWF mit dem Virenschutz nehmen. Normalerweise ist für alle Einreisenden eine 14-tägige Quarantäne in einer staatlich zugelassenen Isolationseinrichtung verpflichtend. Meist sind das Hotels mit ASQ-Status (Alternative Stay Quarantine), in denen ein tägliches Gesundheitsmonitoring und ein Ärzteteam vorgehalten werden. Zudem sind mehrere Covid-19-Tests zwingend vorgeschrieben. Das DBV-Aufgebot hatte nach drei Tagen Quarantäne inzwischen die Ergebnisse seiner Testungen bekommen. „Es gab keine Probleme, wir sind alle negativ“, sagt Ostermeyer erleichtert. Seither ist auch sie in die „BWF-Blase“ eingetaucht, darf sich zumindest im Hotel frei bewegen. Es liegt im riesigen Impact Exhibition and Convention Center und hat eine direkte Verbindung zur Trainingshalle und der 11 000 Zuschauer fassenden Impact Arena, in der in diesem Jahr wegen der besonderen Infrastruktur die Turniere gespielt werden. Ostermeyer will Matchpraxis sammeln: Von Dienstag, 12. Januar, an will sie dann „vor allem endlich wieder Matchpraxis auf hohem Niveau sammeln“, erklärt Ostermeyer. Sie hofft auf möglichst viele Spiele binnen der zwei Wochen. Zumal für sie klar ist, dass ein frühes Ausscheiden nicht die Chance erhöhen würde, ihre Eltern treffen zu können. Vielmehr weiß sie bisher nicht einmal, ob es überhaupt möglich sein wird. „Ich hoffe es natürlich sehr“, betont sie. „Schließlich habe ich sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.“ Von Christian Schlichting