VfB Lübeck: Trainer Landerl über Fußball in Corona-Zeiten

Nach acht Tagen Weihnachtspause ist der VfB Lübeck längst wieder am Ball und im Trainingsmodus – auch am Silvestertag wurde auf der Lohmühle gearbeitet. Trainer Rolf Landerl fand trotzdem Zeit für ein exklusives Interview mit den Lübecker Nachrichten. Hallo Herr Landerl - die kürzeste Winterpause aller Zeiten ist vorbei, es gibt nicht viel Zeit, neue Dinge auszuprobieren, kein Teambuilding-Trainingslager, wie zuletzt in Chiclana. Wie gehen Sie und Ihr Team mit der Situation um? Pause kann man das ja kaum nennen, aber wir nehmen es an, wie es ist - es geht ja allen gleich. Und unser Chiclana machen wir eben in Lübeck mit ein paar Aktionen, soweit das im Rahmen der Hygienebestimmungen geht. Wenn Sie die ersten 16 Spiele Revue passieren lassen, wie fällt da Ihr Fazit aus? Es ist ja erstmal nur ein Zwischenstand, aber wir haben gezeigt, dass wir in der 3. Liga mithalten können. Nur gegen München 60 (1:4, die Red.), gegen Magdeburg (1:1, die Red.) und gegen Meppen (0:2, die Red.) waren wir nicht gut genug. In anderen Spielen wäre mehr drin gewesen - wo hat Ihr Team Punkte verschenkt? Das ist definitiv so, wir haben mindestens fünf Punkte weggeworfen. Hätten wir die geholt, würden wir richtig gut dastehen. Welche Spiele waren das? Das fing schon im ersten Spiel an. Gegen Saarbrücken hatten wir zwei, drei gute Chancen, die wir nicht genutzt haben. Da hätten wir nicht 1:1 spielen müssen, sondern gewinnen können. Dann das Dresden-Spiel, das wir 0:1 verlieren - unnötig trotz langer Unterzahl. Das sind schon drei Punkte. Oder das 2:3 gegen Halle. Da hast du den Punkt eigentlich sicher, aber dann waren wir zu emotional, wollten zuviel. Genau wie beim 0:1 in Kaiserslautern. Da waren doch schon alle einig auf ein Remis, und dann lassen wir uns im fremden Stadion so kurz vor Schluss noch auskontern. Das geht nicht, da nimmt man den Punkt einfach mit. Das war wohl Lehrgeld, das man als Aufsteiger zahlen muss - woran konkret wird jetzt gearbeitet, damit nicht weitere Punkte weggeworfen werden? Die ersten 16 Spiele haben gezeigt, dass wir abgezockter agieren müssen in einer ausgeglichenen Liga. Unsere Potentiale wollen wir weiter ausbauen und an den richtigen Stellschrauben drehen. Welche sind das? Wir haben unseren Stil, das wollen wir beibehalten. Dafür haben wir auch die Spieler. Da geht es um einen sicheren Spielaufbau, konkreter im Übergangsspiel zu werden, und eine konsequentere Chancenverwertung. Der Torabschluss wird verstärkt trainiert. Und wie sieht es bei Standards aus? Da steht es nach Toren ausgeglichen 6:6, so schlecht also nicht. Aber da geht definitiv auch mehr, und auch das kann man üben und wir werden das tun. Im Aufstiegsjahr profitierte der VfB von einem „Unterschiedspieler“. Den gibt es jetzt offenbar nicht. Wie soll das kompensiert werden? Stimmt, Sie sprechen von Ahmet Arslan, der an über 50 Prozent aller unserer Tore beteiligt war. Diesen Typus haben wir jetzt nicht, das verteilt sich auf viele Schultern, wir müssen das im Team lösen. Aber Martin Röser ist einer, der in die Rolle reinwachsen kann, er hat das Potential. Aber wie fast alle anderen kann auch er noch eine Schippe drauf legen. Es gab in den bisherigen Spielen immer mal wieder kleine personelle Überraschungen in der Startelf - nur eines scheint in Stein gemeißelt: Im Tor steht Lukas Raeder. Bleibt es dabei, auch wenn er nicht fehlerfrei war? In Stein gemeißelt ist nichts bei uns. Aber die Zeit bis zum nächsten Punktspiel - ohne Tests zwischendurch - ist zu kurz, um da viel zu ändern. Und wir waren auch im Großen und Ganzen zufrieden mit Lukas. Einige Fehler, die ihm angekreidet werden, haben ihren Ursprung viel früher weiter vorn genommen. Da sagen wir in Österreich: Der Letzte frisst die Kröte - aber das ist mir zu einfach. Lukas bleibt unsere Nummer eins. Mittlerweile hat sich ein recht fester Stamm herauskristallisiert - und es gibt etliche Spieler, die ungeduldig werden könnten. Sechs von ihnen haben noch nicht eine Minute gespielt. Was sagen Sie denen? Dass sie Geduld haben sollen, dass sie investieren sollen, um am Tag X bereit zu sein, dass sie mitreißend trainieren sollen. Dass sie ein wichtiges Teil eines Kollektivs sind - und dass jeder seine Chance hat, auf seine Spiele zu kommen. Wir haben viereinhalb hochintensive Monate vor uns, da kann jeder noch gebraucht werden, das kann ganz schnell gehen. Ich denke gerade an Moody Chana. Der war bisher immer im Kader, hat aber keine Minute gespielt. Und er ist jung und ehrgeizig - wie vermeiden Sie es, dass er oder andere Frust schieben? Für Moody, Hobsch, Lippert, Weißmann und andere ist es die erste Station im Profifußball. Da muss man auch demütig und geduldig sein und lernen wollen. Der wohl weltbeste Quaterback Tom Brady hat mal gesagt: ‚Auch wenn ich vier Jahre erstmal im B-Team spiele - egal. Irgendwann werde ich der Beste sein’. Das ist die richtige Einstellung, Brady hat’s bewiesen. Und wenn jemand nicht wie Brady denkt, sondern es vor Ungeduld nicht mehr aushält auf der Bank oder der Tribüne? Es geht auch um den Teamspirit, von dem sind wir abhängig. Wer in dieser kollektiven Struktur nicht hundertprozentig mitmachen will, der kann sich bei mir melden, da bin ich zum Gespräch bereit. Ich habe keine Lust und keine Zeit in gefrustete Gesichter zu schauen. Sehen Sie welche? Bisher nicht. Das große, alles überlagernde Thema ist Corona - was macht die Pandemie mit dem Fußball? Das ist eine eigenartige Zeit. Du fährst und fliegst durch Deutschland, spielst in leeren Stadien, auch zuhause auf einer leeren Lohmühle - und irgendwann gewöhnst du dich daran. Du lebst von Testung zu Testung, und du weißt, es wird auch bei uns, beim VfB passieren. Und dann hatten wir die Mini-Sieg-Serie - und dann tatsächlich Corona. Danach haben wir nur noch zwei Punkte geholt. Gibt’s da einen Zusammenhang, frage ich mich? Sie selbst waren betroffen, waren positiv. Wie geht’s Ihnen jetzt? Ich bin gottseidank wieder fit - und ein Test hat ergeben, dass ich Antikörper gebildet habe. Wie lange die mich schützen, wie resistent die gegen Varianten des Virus sind - keine Ahnung. Ich bleibe natürlich sehr vorsichtig. Ich war zum Beispiel gerade zum ersten Mal seit sechs Wochen wieder einkaufen - das war nicht gerade ein Shoppingspaß. Es geht ins neue Jahr, Sie dürfen sich ‚was wünschen und gute Vorsätze verkünden. Ich bin nicht so der Silvester- und Vorsätzetyp. Wenn ich etwas ändern will, dann kann ich das jeden Tag tun, da muss ich kein Projekt draus machen. Aber wünschen würde ich mir schon, dass unser Team und wir alle schnell zu unserer ersehnten Normalität zurückkehren können. Aber es muss kein Wunsch sein, dass wir unsere Ziele erreichen, denn davon bin ich überzeugt, dass wir die Ligatauglichkeit bestätigen werden, dass der VfB auch 2021/22 in der 3. Liga spielt. Von Jürgen Rönnau