Dennis Klockmann: Spitze in der 2. Liga

Der Tag vor dem Spiel begann mit Homeschooling im Hause Klockmann: Papa Dennis war gefordert, half seinen Zwillingen Annabell und Ole bei Deutsch und Mathe, bei Aufgaben zum Satzbau und dem Rechnen mit Zeitpunkten und Zeitspannen. Anschließend war der 38-jährige Aushilfslehrer, im Hauptberuf Torwart beim Handball-Zweitligisten VfL Lübeck-Schwartau mit zweitem Standbein als selbstständiger Fotograf (Clockwork Fotografie), sicher: Seine beiden Neunjährigen könnten berechnen, wie lange der Papa weg ist, wenn er mit der Mannschaft mittags in Richtung Emsdetten startet und nach dem Auswärtsspiel beim Tabellenvorletzten am Mittwoch (19.30 Uhr/live bei Sportdeutschland.tv) erst mitten in der Nacht zurückkehrt. Und: „Ja, sie könnten auch ausrechnen, wie viele Monate es noch sind bis zum Ende meines laufenden Vertrages.“ Klockmann fühlt sich fit – aber plant nicht langfristig: Es sind noch 16,5. Der Rest der aktuellen Spielzeit und eine weitere bis 30. Juni 2022. Ob danach Schluss ist mit dem Bälleabwehren – die Frage vermag Klockmann aktuell zu beantworten. Zum Jahresende hätte er von einer Ausstiegsklausel in seinem Vertrag Gebrauch machen und schon in diesem Sommer aufhören können. „Aber dafür gab es keinen Grund, ich fühle mich noch immer fit und äußerst wohl im Verein.“ Einen Langzeitvertrag, wie ihn jetzt Jogi Bitter beim HSV unterzeichnet hat, kann sich „Klocki“ aber nicht vorstellen. Der Nationaltorhüter, der nicht nur im gleichen Jahr, sondern sogar am gleichen Tag geboren ist wie Klockmann („mir ist das bewusst, seit wir in der Jugend mal gemeinsam bei einem Nationalmannschaftslehrgang waren“), hat beim Zweitliga-Primus bis 2026 unterschrieben – inklusive einer Karriere nach der aktiven Zeit. „Fünf Jahre? So lange werde ich sicher nicht mehr spielen. Und wo sollte ich beim VfL meinen Platz abseits der Torwart-Rolle finden?“, sagt Klockmann. „Als Torwart-Trainer? Da leistet Jörg Engelhardt aktuell überragende Arbeit!“ So denkt er im Hier und Jetzt, die sportliche Entwicklung ist für ihn dabei entscheidend: „Ich bin sehr zufrieden mit dem Weg, den Piotr mit der Mannschaft eingeschlagen hat.“ Lesen Sie auch Einzelkämpfer, Spielverderber und Helden – so ticken die VfL-Torhüter Nils Conrad – So erlebte der VfL-Torwart sein Zweitliga-Debüt Jan Schult – „Mister VfL“ zum LN-Sportler des Jahrzehnts gewählt Gegen Hamm neuer HPI-Saisonhöchstwert für Klockmann: Zufrieden ist auch Trainer Przybecki mit dem Torwart, der 2014 – dank einer Ausstiegsklausel – aus Hildesheim losgeeist worden war und seither der beständige Rückhalt im Team ist. 2017 zum besten Torwart der 2. Liga gewählt, ist er auch in seiner siebten Saison unumstritten die Nummer 1 im VfL-Tor. Und nun auch wieder im Zweitliga-Ranking. Mit seinen 22 Paraden beim jüngsten 23:19-Sieg gegen Hamm-Westfalen stand er nicht nur zum wiederholten Mal in der Mannschaft des Spieltags, mit einem HPI von 214 setzte er sich auch an die Spitze der HBL-Wertung. Der HPI ist der „Handball Performance Index“, den die Handball Bundesliga GmbH zur Saison 2020/21 auch in der 2. Liga etabliert hat. Anhand ausgewählter Statistiken aller Spieler werden deren Leistungen auf sämtlichen Positionen bewertet, analysiert und verglichen. Mit seiner Performance vom Freitag verdrängte er seinen Gegenüber Felix Storbeck von Platz 1. Seit dem 7. Spieltag stand Hamms Torwart mit einem HPI von 210 nicht nur bei den Torhütern an der Spitze, sondern auch positionsübergreifend. Jetzt ist Klockmann ganz vorn. In Emsdetten „erneut gute Abwehrarbeit“ erforderlich: „Ich weiß nicht, wie aussagekräftig diese Auswertungen tatsächlich sind“, will der VfL-Keeper den Spitzenplatz nicht zu hoch hängen. Und betont: „Zu solchen Ergebnissen kann es auch nur kommen, wenn das Zusammenspiel mit der Abwehr klappt.“ Und da hätten „Waschi (Martin Waschul, die Red.), Carl (Löfström) und zuletzt gegen Hamm auch Jasper (Bruhn) extrem gute Arbeit geleistet“. Arbeit, die laut Klockmann so auch in Emsdetten nötig sein wird. „Sie sind deutlich stärker als ihr Tabellenplatz es aussagt, die zwei Siege zuletzt haben den Kopf frei gemacht im Abstiegskampf.“ Ex-VfLer „Marci“ Schliedermann im Abstiegskampf zuversichtlich: Das bestätigt auch Marcel Schliedermann. Der Mittelmann, der den VfL 2014 verließ, als Klockmann kam, ist nach fünf Jahren in Eisenach seit 2019 in Emsdetten, wo der Niederländer Peter Portengen im Januar das Traineramt von Aaron Ziercke übernahm. „Wir haben zuletzt unsere vielen technischen Fehler weggelassen, auch unsere Wurfquote deutlich verbessert. Da müssen wir gegen den VfL anknüpfen“, sagt der 30-Jährige, der bundesweit für besorgniserregende Schlagzeilen gesorgt hatte, als er vor vier Jahren auf der A1 bei Bad Oldesloe von der Fahrbahn abgekommen war, seine damals 19-jährige Freundin nach dem Unfall im Koma lag. Noch immer Kontakt zu den VfL-Kumpels: „Wir sind seit einem Monat nicht mehr zusammen“, berichtet „Marci“, der seine neue Liebe in Hamburg gefunden hat, deshalb wieder häufiger im Norden ist und dann „möglichst auch immer einen der alten Kumpels“ trifft. Mit Schult, Waschul, Hansen und Glabisch habe er noch immer engen Kontakt, sich auch vor dem Spiel ausgetauscht. Wie’s nach der Saison weitergeht, weiß Schliedermann noch nicht. „Mein Vertrag läuft aus und ich habe noch nichts Neues.“ Dass der VfL nach dem Abgang von Julius Lindskog Andersson einen neuen Mittelmann sucht, weiß er. „Aber bei mir hat sich noch keiner vom VfL gemeldet.“ Von Christian Schlichting