Kieler Woche: Olympia-Ticket im dritten Anlauf für Lutz/Beucke

Als Tina Lutz und Susann Beucke ihren 49er FX in den „Klassenkäfig“ auf dem Hafenvorfeld von Schilksee gezogen hatten, wussten sie, dass es gut gelaufen war. Mit einem Sieg im letzten Rennen waren sie vor dem heutigen Finaltag der Kieler Woche an die Spitze des Feldes gesegelt. Doch als ihnen die ersten Glückwünsche zum gewonnen Olympia-Ticket zuflogen, wehrten sie ab: „Nein, nein, uns wurde schon so oft etwas vorgerechnet.“ Erst nach und nach realisierten die 29-Jährigen, dass sie es doch geschafft hatten. In der dreigeteilten nationalen Ausscheidung, die zwei Weltmeisterschaften und die KiWo umfasst, waren sie im Zweikampf mit den Berlinerinnen Victoria Jurczok/Anika Lorenz rechnerisch nicht mehr einzuholen. „Ich zittere am ganzen Körper“, gestand Beucke. Die Anspannung der letzten Monate, die akribische Vorbereitung, sie hatte sich gelöst. Auch Lutz war „fix und fertig“. 2012: Im Olympiakampf ausgebremst: Vor acht Jahren, damals noch im 470er, waren sie an Kadelbach/Belcher gescheitert. Sie waren drauf und dran gewesen ihre Rivalinnen abzufangen, als diese die harten Bandagen auspackten, sie so lange ausbremsten, dass Lutz/Beucke aus den Punkterängen fielen. Die Auseinandersetzung ging dann sogar bis vor ein Gericht, löste eine Debatte um Moral und Gerechtigkeit aus. Doch das Olympia-Ticket war weg. Januar-Schock: Wadenbeinbruch: Vier Jahre später scheiterten sie erneut, diesmal im 49er FX an Jurczok/Lorenz. Es folgte der dritte Anlauf. Nach WM-Platz fünf auf einem guten Weg, drohte der Traum im Januar wieder zu platzen. Beucke war im Trainingslager in Buenos Aires so unglücklich auf den Baum ihres Skiffs gefallen, dass sie sich das Wadenbein gebrochen hatte. „Geheult habe ich nur die ersten beiden Tage wie ein Schlosshund“, erzählt sie. Doch die Stranderin kämpfte. Lutz managte allein die Olympia-Kampagne. Beucke fokussierte alles auf die Heilung, steckte dafür ihr Bein sogar nachts in eine Art Magnetröhre, die die Ionenbewegungen im Körper anregten. Jetzt fuhr das Duo den Lohn ein, ist im 2021 in Tokio zum ersten Mal bei Olympia dabei. Beucke macht das fast sprachlos: „Wir können es immer noch nicht glauben, dass wir es geschafft haben.“ Stark: Im Topfeld der 49er FX hat sich der Lübecker Junior Jesper Bahr (17) mit Mewes Wieduwild in die Goldflotte gekämpft, liegt als drittbestes deutsches Team hinter Lutz/Beucke und Jurczok/Lorenz auf Rang 20. Anderssohn genießt schmerzfreies Segeln: Auf Olympiakurs ist Hannah Anderssohn. Die Rostockerin liegt im Laser Radial auf Platz sieben, ist in der nationalen Olympia-Ausscheidung im Duell mit Svenja Weger jetzt gleichauf. Dabei hatte Anderssohn ihre Karriere eigentlich schon beendet: „Nach dem Sommer 2019 habe ich das Thema Segeln beiseite gelegt. Ich hatte täglich Schmerzen, wollte das nicht mehr.“ Doch aus der Zusammenarbeit mit einem neuen Athletiktrainer kam sie fitter und schmerzfreier heraus als je zuvor und stieg wieder in den Laser ein, um Spaß zu haben. Deshalb genieße sie die Kieler Woche nur, „ich schaue nicht auf Olympia“. Im Feld der Laser Standard hat sich derweil Weltmeister Philipp Buhl mit einem Sieg im letzten Rennen auf Rang zwei hinter dem Briten Michael Beckett vorgearbeitet. Sach-Brüder mit gebrochenem Gennakerbaum: Für die Katamaran-Profis Helge und Christian Sach ist der Traum vom zehnten Kieler-Woche-Sieg im Formula 18 derweil schon vor dem Finaltag geplatzt. Beim Probeschlag vor der ersten Samstag-Wettfahrt ist ihnen der Gennaker vor den Bug gefallen. „Er hat Wasser gefangen, wir sind drüber gefahren und dann ist der Gennakerbaum abgebrochen. Wir sind danach gerade noch so zurück gekommen, aber die Kieler Woche ist für uns damit gelaufen“, ärgerte sich Helge Sach über die „Unachtsamkeit. Aber es passt in die bisherige Woche, die nicht so rund lief.“ Die Zarnekauer Ex-Weltmeister fielen so in der Gesamtwertung auf Rang sieben zurück. Den KiWo-Sieg hatten sie ohnehin abgeschrieben: „Dafür segeln der Franzose und der Däne zu souverän.“ Gemeint sind Cedric Bader, 2016-Europameister im Hobie 16, und Nicolaj Björnholt, Vizeweltmeister der Hobie 16, die wie kein anderes Team in den neun Klassen der zweiten Kieler-Woche-Hälfte erste Plätze einsammelten. Von Jens Kürbis