Corona: HBL-Chef Frank Bohmann: „Die Planung der neuen Saison ist die viel größere Herausforderung“

Alle zwei Tage sitzt Frank Bohmann in einer Telefonkonferenz mit den Chefs der 36 Erst- und Zweitligisten. Der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL) informiert über Entwicklungen, gibt Hinweise. Das Stimmungsbild ist einheitlich: Die Lage ist dramatisch. Was sie zusätzlich verkompliziert, das ist die fehlende Perspektive. Die Erst- und Zweitligisten haben ihren Spielbetrieb zunächst bis zum 23. April ausgesetzt. 66 Partien stehen in der ersten Liga noch aus, 90 in der zweiten. Die Chance, die Saison zu Ende zu spielen, wird nur noch als gering eingeschätzt. „Es geht momentan nur um eins: Liquidität. Wie die Klubs die Krise überstehen“, sagt HBL-Justiziar Andreas Thiel. Erste Vereine erklärten bereits einen Gehaltsverzicht ihrer Spieler, auch, dass sie staatliche Hilfen in Form von Kurzarbeitergeld beantragt haben. Die LN fragten bei HBL-Chef Frank Bohmann nach. Kurzarbeit – ist das so einfach auf den Sport übertragbar? Sind die HBL-Vereine berechtigt dazu? Das sind sie. Einige Klubs haben auch schon ihren Bestätigungsbescheid und ich gehe davon aus, dass für den Monat März alle Klubs einen Antrag gestellt haben werden. Und in der 2. Liga? Die Zweitligisten ringen um eine einheitliche Zuzahlungsentscheidung. Aber ich gehe fest davon aus, dass es alle in der kommenden Woche tun werden. Denn es ist sinnvoll. Für die Zweitligisten mit ihrem deutlich geringerem Lohnniveau ist das Kurzarbeitergeld eine sehr große Hilfe. Bei den Erstligisten ist es immerhin ein Anfang, aber hier sind viel mehr Einsparungen notwendig. Ein Verein setzt die Spieler auf Kurzarbeit null. Was heißt das rechtlich? Da es keine Betriebsvereinbarung oder einen Betriebsrat gibt, muss jeder Spieler dem Antrag schriftlich zustimmen. Bezieht der Spieler Kurzarbeit Null, heißt das: Er arbeitet null Prozent. Jedes durch den Arbeitgeber veranlasste Training ist nicht mehr möglich. Die Spieler müssen sich individuell, nach eigenem Ermessen fit halten. Lesen Sie auch: Alles zum VfL Lübeck Schwartau Stichwort Gehalt. Beim VfL Lübeck-Schwartau liegt kein Spieler über der Beitragsbemessungsgrenze von 6900 Euro brutto. Doch wie ist das mit dem Erstligaprofi aus Kiel, der 20 000 Euro im Monat verdient? Hat er kein Kind, ist verheiratet und in Steuerklasse III, liegt der Leistungssatz bei 60 Prozent. Laut Nettolohnrechner bekommt er dann rund 2600 Euro ausgezahlt. Das sind für ihn erhebliche Einbußen. Rechtlich ist es zulässig, dass der Verein das Kurzarbeitergeld aufstockt. Ohne einen Gehaltsverzicht der Spieler wird es aber nicht funktionieren. Die Spielergewerkschaft Goal hatte pauschal 25 Prozent angeboten? Goal ist keine echte Gewerkschaft, sondern eine Interessenvereinigung. Sie kann keine Verhandlungen führen, allenfalls Empfehlungen aussprechen. Die Höhe eines Gehaltsverzichtes wird zwischen Spieler und Klub vereinbart. Wo erhoffen Sie sich noch Hilfe? Die Klubs müssen sich zuallererst selbst helfen, mit Sponsoren, Dauerkarteninhabern und Spielern sprechen. Zudem sind mit Berufsgenossenschaften, Steuerbehörden sowie Dienstleistern Stundungs- und Minderungsverhandlungen zu führen. Das Bundeswirtschaftministerium wird ein Programm für Beihilfen ins Leben rufen. Anspruchsberechtigung und möglicher Umfang sind aber noch unbekannt, die KFW wird langfristige, zinslose Darlehen anbieten und die einzelnen Bundesländer bieten unterschiedliche Beihilfeprogramme an. Im Handball gibt es die nächsten positiven Tests. Nationalspieler Patrick Groetzki von den Rhein-Neckar Löwen hat sich, wie Teamkamerad Jannik Kohlbacher und Trainer Martin Schwalb, mit dem Coronavirus infiziert. „Der Verlauf war bei mir sehr mild. Eine Nacht leichtes Fieber mit Schnupfen und Husten, woraufhin mein Test stattgefunden hat. Nach einem Tag im Bett ging es mir schon viel besser und nun bin ich wieder ganz fit“, schrieb Groetzki auf Instagram. Auch der Trainer der Füchse Berlin, Michael Roth, ist positiv getestet worden. Die Frauen-Bundesliga hat die Saison bereits abgebrochen? Wann ist Deadline für die HBL? Bislang der 23. April, durch eine mögliche Ausweitung der Saison bis zum 30. Juni aber möglicherweise auch noch etwas länger. Wir müssen uns allerdings auch auf das Szenario eines Saisonabbruchs vorbereiten. Welche Konsequenzen hätte der? Wir erarbeiten ab Montag in Arbeitsgruppen die mögliche Konsequenzen. Die Saison würde am Grünen Tisch und nicht auf dem Spielfeld entschieden. Für jeden Sportler ist das eine schlechte Lösung. Wichtig wäre ein Start der Saison 2020/21 Ende August. Sollte dann die Gesundheitslage immer noch keine Sportveranstaltungen zulassen, wird es sehr schwer. Das heißt konkret? Ich bin mittlerweile zuversichtlich, dass alle Klubs die laufende Saison den Kopf über Wasser halten und überleben. Die Planung der neuen Saison ist die viel größere Herausforderung. Es können für die neue Saison derzeit keine Sponsoringverträge abgeschlossen oder Dauerkartenverkäufe getätigt werden. Niemand weiß, wann wieder gespielt werden kann. Eine Planung ist daher derzeit eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Was heißt das für das Lizenzierungsverfahren für die neue Saison? Die eingereichten Unterlagen der Klubs haben die gegenwärtige Krise natürlich in keinster Weise berücksichtigen können. Die Planungen gehen daher an der Wirklichkeit völlig vorbei. Das Lizenzierungsverfahren werden wir vorzeitig abschließen und allen Klubs unter Auflagen eine Lizenz erteilen. Von Jens Kürbis

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