VfL gegen HSV – das besondere Spiel

„Intern kommt da immer eine ganz besondere Stimmung auf“, sagt Geschäftsführer Daniel Pankofer vor dem Anpfiff am Dienstagabend (19.30 Uhr) in der Hansehalle – und ergänzt: „Mit Zuschauern würd’s natürlich noch mehr kribbeln.“ VfL gegen HSV – es ist ein besonderes Spiel. Der besondere Termin: Das Nord-Duell hätte eigentlich den 9. Spieltag vollenden sollen (nun aber fielen die Partien Fürstenfeldbruck – Bietigheim und Aue – Dormagen coronabedingt am Wochenende aus). Als der Spielplan im Sommer final festgezurrt wurde, war die Hansehalle fürs Wochenende 20. bis 22. November für eine Ausbildungsmesse geblockt. „Die Partie zurückzuverlegen, nachdem klar war, dass die Messe ausfällt, wurde nicht in Erwägung gezogen“, sagt H.G. Meyer, zuständig für den Bereich Spielbetrieb beim VfL. „Zumal wir ja ursprünglich am Mittwoch in Bietigheim gespielt hätten und deshalb froh waren über eine längere Erholungsphase“, ergänzt Pankofer. Der HSV (bereits Freitag wieder im Heimspiel gegen Hüttenberg gefordert), habe nicht angefragt, so der VfL-Geschäftsführer. Die besondere Historie: Beide Klubs verbindet eine gemeinsame Vergangenheit. Nach dem größten Erfolg der VfL-Vereinsgeschichte, dem DHB-Pokalsieg 2001, schien das sportliche Renommee der SG VfL Bad Schwartau-Lübeck ausreichend und die finanzielle Situation machte es „zwingend notwendig“ – so die damaligen Entscheidungsträger – , den Schritt in die Großstadt zu wagen: Der HSV Lübeck zog 2002 nach Hamburg um – und nahm die Erstliga-Lizenz mit. Der VfL fing in der Regionalliga neu an, stieg 2008 in die 2. Liga auf. Der HSV feierte dank des Geldes von Unternehmer Andreas Rudolph zwei (weitere) Pokalsiege, 2011 die Deutsche Meisterschaft und 2013 gar den Champions-League-Triumph – bevor er im Januar 2016 Insolvenz anmeldete. Den Neustart in der 3. Liga (weil die U23 des Klubs aus der Oberliga aufstieg) gestaltete ab Sommer 2016 der aktuelle Trainer der HSG Ostsee, Jens Häusler, mit. Unter seinem Nachfolger, 2007-Weltmeister Torsten „Toto“ Jansen, gelang 2018 der Aufstieg in die 2. Liga. Die besondere Bilanz: Obwohl beide Klubs in der dritten Saison gemeinsam in der 2. Liga spielen, gab es erst drei Punktspiele gegeneinander. In der Premierensaison des HSV behielt der VfL gegen den „Emporkömmling“ zweimal die Oberhand, in der vergangenen Spielzeit aber kassierten Waschul, Schult & Co. eine deutliche 21:29-Niederlage in Hamburg – und wurden um die Chance zur Revanche in der Hansehalle gebracht. Das Rückspiel Ende März 2020, es fiel dem Corona-Lockdown zum Opfer. Das besondere Verhältnis: Trotz der Konkurrenz in der Liga nutzten beide Klubs im Sommer angesichts abgesagter Turniere und unsicherer Reisemöglichkeiten ihre geografische Nähe, um voneinander zu profitieren. Von zwei vereinbarten Testspielen verlor der VfL das erste in der HSV-Trainingshalle 25:32. „Wir haben da 40 Minuten auf Augenhöhe gespielt, dann viel durchgewechselt“, erinnert sich VfL-Trainer Piotr Przybecki. Die Chance zur Revanche sechs Tage später entfiel erneut: Der HSV musste wegen Corona-Fällen im Team kurzfristig absagen. Für den VfL doppelt ärgerlich, sollte das Spiel doch der Hansehallen-Probelauf fürs erste Punktspiel werden. Nun treffen beide Teams dort aufeinander. „Man erschrickt inzwischen schon, wenn der Geschäftsführer des Gegners am Tag vorm Spiel anruft“, erzählt Pankofer vom Telefonat mit HSV-Pendant Sebastian Frecke. „Doch er wollte nur abgleichen, ob auch bei uns alles im grünen Bereich ist.“ Letzte Klarheit besteht aber erst, wenn in beiden Teams die Corona-Tests vom Montagabend wenige Stunden vorm Spiel ausgewertet und negativ sind. VfL Lübeck-Schwartau: Alle Fakten zur Saison 2020/21 im Überblick Das sind Schwartaus 18 Handball-Profis der Saison 2020/21 Jobs, Hobbys, Vita, Spitznamen – So ticken die 18 VfL-Spieler Klub 111 bleibt Topsponsor bei den Schwartauer Handballern Der VfL im Leistungstest: Wie fit sind Versteijnen & Co.? Team im Team: So ticken Schwartaus Torhüter Mit Frecke hat Pankofer ein kollegiales Verhältnis, Konkurrenz im Werben um Spieler habe es bisher nicht gegeben, so der VfL-Geschäftsführer. Zuletzt wechselte 2017 mit Marius Fuchs ein Spieler von Lübeck nach Hamburg – nachdem er beim VfL keinen neuen Vertrag erhalten hatte. Der letzte Hamburger, der nach Lübeck kam, war Jan Schult. Ab 2007 ausgeliehen, ging er 2009 endgültig zum VfL. Die besondere Mannschaft: Wie Schult spricht auch Kapitän Martin Waschul (der bei der jüngsten Punktspielpleite gegen den HSV als Abwehrchef früh die Rote Karte gesehen hatte) voller Respekt vom Gegner im Nordderby. „Der HSVH hat in den ersten Spielen der Saison gezeigt, dass sie eine richtig starke Mannschaft sind. Das ist ein junges, eingespieltes Team, das in den letzten Jahren eine richtig gute Entwicklung genommen hat.“ Das schnelle Spiel im Positionsangriff, die nicht übermäßig großen, aber flinken Rückraumspieler – das macht die Charakteristik des Teams aus, weiß auch VfL-Trainer Piotr Przybecki. „Unsere Hauptaufgabe wird sein, ihre individuellen Stärken im Eins-gegen-eins und im Zusammenspiel mit dem Kreisläufer zu unterbinden.“ Seinem Gegenüber Toto Jansen wurde zuletzt „ganz viel Flexibilität und Kreativität“ abgefordert, wie der inzwischen 43-jährige Weltmeister von 2007 betont. Nachdem schon das erste Saisonspiel verschoben werden musste, gab es nur wenige Wochen später erneut Corona-Fälle im Team, wieder fielen Spiele aus. „Wir mussten uns ständig auf neue Situationen einstellen, hatten immer unterschiedlich viele Spieler im Training. Aber glücklicherweise konnten wir in den letzten zwei Wochen recht normal und planmäßig trainieren“, so Jansen vor dem Spiel in Lübeck. Anwurf: Heute, 19.30 Uhr, Hansehalle Lübeck (ohne Zuschauer). Livestream: Sportdeutschland.tv (ab 19.10 Uhr), Halbzeit-Einlage der Band „Jeden Tag Silvester“ mit „Bis irgendwas zerbricht“. Info VfL: Jasper Bruhn (Bänderriss), Felix Kasch, Fynn Ranke (nach Knie-OPs in der Reha) fehlen. Info HSV: 8:2 Punkte, Platz 4; Auswärtsbilanz: 35:32 in Aue, 28:27 in Großwallstadt, 25:26 in Gummersbach; beste Werfer: Leif Tissier (RM, 28 Treffer), Jan Forstbauer (RR/27). Bisherige Punktspiele: 2 VfL-Siege (Saison 18/19: 21:18 (a), 25:24 ), 1 VfL-Niederlage (Saison 19/20: 21:29); Die besondere Konstellation: Mit vier Siegen und nur einer Niederlage (25:26 beim VfL Gummersbach) ist der HSV zudem sehr erfolgreich in die Spielzeit gestartet. Dennoch: „Der VfL hat wieder zu seiner Heimstärke gefunden, sodass es ein hartes Stück Arbeit wird, zwei Punkte zu entführen“, ahnt Jansen. Przybecki geht es vor dem Duell des Tabellenfünften gegen den -vierten weniger um die Konstellation im Liga-Ranking, sondern vor allem darum, nach zuletzt vier Siegen „den Lauf fortzusetzen“. Dass das Derby dabei einen „besonderen Charakter“ hat, steht für ihn außer Frage: „Da braucht keiner noch zusätzliche Motivation.“ Lesen Sie auch: Carl Löfström – mit Fans hätte es mehr Spaß gemacht Von Christian Schlichting