Nur 67 Kilometer. Abfahrt 17 Uhr. Anwurf 20 Uhr. Der Trip am Freitag, er ist für Schwartaus Zweitliga-Handballer der kürzeste. Und ein ganz besonderer. Da ist der Gegner. HSV. Kein Verein hat im vergangenen Jahrzehnt Deutschlands Handball-Landschaft so tief umgegraben wie die Hamburger. Da ist die Historie. Die Hamburg-Saat, sie wurde vor 19 Jahren mit der Gründung des Handball Sport Vereins in Lübeck ausgesät. Da ist die Kulisse. Die Sporthalle Hamburg in Alsterdorf, sie wird in dieser Saison mit 3570 Zuschauern erstmals ausverkauft sein, der VfL mit zwei Fan-Bussen, insgesamt 310 Anhängern (offiziell!) nach Hamburg rollen. Das gab es in all den Zweitliga-Jahren seit dem Aufstieg 2008 nicht.
Mit 16 Jahren HSV-Praktikant
Auch für Schwartaus Rückraum-Kante Jan Schult wird es ein ganz besonderes Spiel. Der 32-Jährige wird heute der einzige auf der „Platte“ sein, der in beiden Vereinen gespielt hat, die Raute noch immer im Herzen trägt. Wie für ihn, das Henstedter Talent, vor 16 Jahren alles begann, er wird es nie vergessen. „Ich habe damals beim HSV, beim damaligen Coach Bob Hanning, angefragt, ob ich in der Geschäftsstelle ein Praktikum machen darf.“ Er durfte. Sogar mittrainieren und das täglich, auch nach den Ferien. Hanning fand Gefallen an dem jungen Kraftpaket, doch erst anderthalb Jahre später gab es einen Vertrag. Bis 2009 spielte Schult beim HSV. DHB-Pokal, Vizemeisterschaft, Europapokalsieg – er war überall dabei, auch mit Einsatzzeiten. „Das war ein Traum für jeden jungen Spieler mit Stars wie Hens, Yoon oder den Gille-Brüdern im Team zu sein. Da war jedes Training besser als jedes Jugend-Punktspiel. Die Zeit war toll, hat mich geprägt“, sagt Schult.
Doppelspielrecht für VfL Bad Schwartau
Ab 2007 spielte er mit Doppelspielrecht dann für den VfL, pendelte zwischen Lübeck und Hamburg. Die Krux: „Ich war in keinem Team richtig drin.“ Das änderte sich erst im Februar 2009 mit dem Komplett-Wechsel zum VfL. „Mucki“, wie er früher genannt wurde, ist heute Schwartaus Dienstältester. Selbstredend freut er sich auf das Spiel, „auch weil viele Bekannte da sein werden“. Es ist sein Heimspiel.
Greve: „Das wird ein heißer Tanz“
Auch VfL-Coach Torge Greve verhehlt seine Vorfreude nicht, weiß schon jetzt: „Das wird ein heißer Tanz. Auch wenn wir das erfahrenere Team sind, vor 3500 Leuten zu spielen, ist auch für meine Jungs Neuland.“ Er hofft, dass die Atmosphäre beflügelt. Den HSV, das Team von 2007-Weltmeister „Toto“ Jansen, schätzt er als „jung, gut ausgebildet, dynamisch“. Leistungsträger sind der isländische Nationalkeeper Aron Edvardsson und Spielmacher Lukas Ossenkopp, mit 91 Treffern auch bester Werfer im Team. Das VfL-Ziel: „Wir müssen es schaffen, dem HSV die Spielfreude zu nehmen“, sagt Greve. Verzichten muss er dabei neben Toni Podpolinski, Marcel Möller und Basti Damm („Sie spielen alle erst im neuen Jahr wieder“) auch auf den erkrankten Tim Claasen. Für ihn rückt Linksaußen Jacob Cordes aus der Zweiten in den Kader.
Es ist angerichtet. Greve: „Der Rahmen insgesamt ist toll. Es muss nur noch ein gutes Spiel werden.“
Vor dem Spiel:
Zuschauer: Die Halle ist bis auf wenige Restkarten (an der Abendkasse) ausverkauft.
Ex-Schwartauer: Mit Kreisläufer Marius Fuchs steht ein Ex-Schwartauer in den HSV-Reihen. Doch er spielt heute nicht (Daumenbruch).
Verletzt: Beim VfL fehlt ein Quartett (Möller, Podpolinski, Damm, Claasen), beim HSV ist ein Septett angeschlagen (Herbst, Axmann, Bauer, Forstbauer, Kleineidamm, Fuchs), darunter auch der kroatische Star Blazenko Lackovic (Nasenbeinbruch).
Jens Kürbis