Vom Spieler zum Manager: Der Rollentausch des Sven-Sören Christophersen

Kurz beim Abschlusstraining vor dem Spiel in Leipzig reingeschaut, ein Foto für die Social-Media-Kanäle, zwei, drei Anrufe, der Plausch mit Trainer und Spielern – und dann ist auch für Sven-Sören Christophersen (34) der Samstag frei. Der gebürtige Lübecker, der beim ATSV Stockelsdorf das Handball-ABC erlernt hat, ist seit eineinhalb Jahren Manager beim Erstligisten Hannover. Gerade in diesen Tagen ein Job mit hohem Spaßfaktor. Denn die „Recken“ sind sensationell in die Saison gestartet, waren lange Spitzenreiter. Aktuell sind sie Dritter. Das kommt selbst für den Sportchef überraschend. „Vor allem die Konstanz.“ Platz drei – „schöne Momentaufnahme“: Für Christophersen ist es „eine schöne Momentaufnahme“. Mehr nicht. Von Champions League oder gar der Meisterschaft träumt in Hannover im elften Bundesligajahr niemand. „Wir wissen das einzuordnen, haben allein im Dezember acht Spiele. Da kann alles schnell ganz anders sein.“ Doch den Moment, den saugt auch Christophersen auf. Die kleine Euphorie in der Stadt, der steigende Zuschauerzuspruch. Gegen Magdeburg und die Löwen waren zuletzt mehr als 8000 Fans in der TUI-Arena. Da, wo Christophersen auch seinen Schreibtisch hat. Hüft-OP im Sommer: 18 Monate ist es her, dass er den Ball weggelegt, im Juni 2018 in Gummersbach sein letztes, sein 429. Bundesligaspiel bestritten hat. Die Hüfte spielte nicht mehr mit, ließ am Ende nur noch Abwehrarbeit zu. „Und selbst da hatte ich Probleme.“ Seit dem Sommer hat er eine neue Hüfte. Zur Reha war er im Norden, drei Wochen in der Neustädter Schön-Klinik. Jetzt erarbeitet er sich ganz langsam seine Sportwelt zurück. Noch ist die aber auf das Fitnessstudio begrenzt. Über Nacht Manager: Die Pille selbst in die Hand zu nehmen, das vermisst er nicht. Wie auch. Er ist immer noch dicht dran, beim Training oft dabei, bei jeder Auswärtsfahrt sowieso. Er lebt seinen Sport, wenngleich in neuer Rolle. „Ich denke das Thema trotzdem Tag und Nacht.“ Und: Er empfindet es als Privileg, weiter am Ball zu sein. Den Bankkaufmann-Abschluss in der Tasche, das BWL-Studium in den Endzügen, sollte er langsam in den neuen Job reinwachsen. Doch nach dem Rückzug des Machers Benjamin Chatton war der Novize über Nacht selbst Chef. „Das war am Anfang nicht einfach, ich musste mir alles erarbeiten“, gibt er zu. Da waren die großen Fußstapfen von Chatton. Da war die Suche nach dem Trainer. Und da waren die unangenehmen Aufgaben, als er, der „Smöre“, der Kumpel aus der Kabine, verdienten Spielern den Laufpass geben oder, dass er sich nach „Gurken-Spielen“ in der Kabine Luft machen musste. Es ist Teil seines Jobs, das, was von ihm erwartet wird. Vertragsgespräche, Strukturenaufbau, Öffentlichkeitsarbeit – all das kommt noch hinzu. Auch das Führen der Geschäftsstelle mit jetzt elf festen Mitarbeitern plus Netzwerken und Sponsorenpflege. „Smöre“, das Gesicht der „Recken“: Christophersen, der eloquente Ex-Nationalspieler, ist das Gesicht der „Recken“. Und das ist gefragt – wenn der Marketing-Club tagt, Impulsvorträge angefragt sind, der Karnevalclub anruft oder das ZDF, wie im Januar zur EM, einen Experten braucht. „Als Spieler hattest du deinen Plan, klare Vorgaben. Jetzt ist alles viel facettenreicher, der Blick rausgezoomter.“ Doch acht Stunden reichen am Tag dafür oft nicht, schon gar nicht fürs Schreiben der Bachelorarbeit. Deshalb ist der 34-Jährige froh, in Eike Christian Korsen jetzt einen Geschäftsführer Finanzen an seiner Seite zu haben. Freiräume für die Familie: Das gibt auch Freiräume für die Familie, Sohnemann Aron (5), Töchterchen Linnea (15 Monate) und seine Frau Katharina. Das Haus am Rande von Hannover, es ist sein Rückzugsgebiet. Er genießt die Rituale, das gemeinsame Frühstück, das er die Kinder ins Bett, Aron in den Kindergarten oder zum Schwimmkurs bringt. „Ich möchte nicht, dass sie fragen, wer ich bin.“ Nur für Lübeck, die alte Heimat, bleibt kaum noch Zeit. Sven-Sören Christophersen, am 9. Mai 1985 in Lübeck geboren, ist 2003 vom ATSV Stockelsdorf zum TBV Lemgo gewechselt. Weitere Stationen: Hildesheim, Lemgo, Wilhelmshaven, Wetzlar, Füchse Berlin und Hannover (2014 – 2018). Länderspiele: 101 (182 Tore). 2008 war er bei Olympia in Peking dabei. Von Jens Kürbis

Lübecker managt Hannovers Handballer - Vom Spieler zum Sportchef: Der Rollentausch des Sven-Sören Christophersen