Streit um die Thuja: guter Sichtschutz, schlecht für die Natur?
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Ob als Baum oder Hecke: Thujapflanzen sind in deutschen Gärten überaus beliebt.
© Quelle: Marion Nickig/dpa-tmn/dpa
Ob als Hecke, einzelner Baum oder im Topf: Die Thuja ist im Garten ein absoluter Klassiker. In jedem Gartenmarkt sind die kiefernartigen Gewächse, umgangssprachlich auch Lebensbäume genannt, zu finden. Von den fünf großen Arten der Pflanze ist hierzulande vor allem die Thuja occidentalis weit verbreitet. Unzählige Sorten der Zypressengewächse mit den weichen, schuppenförmigen Nadeln sind im Handel erhältlich.
Doch warum ist die Thuja eigentlich so beliebt? Ein Grund liegt wohl in ihren Eigenschaften als besonders blickdichtes immergrünes Gehölz. Die ursprünglich aus Nordamerika und Asien stammende Pflanze wird deshalb besonders gern als Wind- und Sichtschutz gepflanzt. Hinzu kommt, dass Thujen als eher pflegeleicht gelten und günstig sind.
Nachahmungseffekt: die Thuja in Nachbars Garten
„Oft sind es neue Gartenbesitzer mit geringem Budget, die sich schnell einen Sichtschutz wünschen“, erklärt der Landschaftsarchitekt Henning Stoldt, der auch für eine Baumschule arbeitet. Der Experte geht außerdem von einem Nachahmungseffekt aus. „Die Leute sehen das an jeder Ecke, kennen nichts anderes und wollen es deshalb dann auch selbst haben.“ Der Markt für Thujapflanzen wachse daher weiter.
Doch die Thuja hat längst nicht nur Fans. Insbesondere Naturschützerinnen und Naturschützer haben ihr den Kampf angesagt. Der Grund: Die Thuja ist in Deutschland nicht heimisch. Die Pflanze habe für die hiesige Natur deshalb kaum einen Nutzen. „Der ökologische Wert einer Pflanze bemisst sich daran, inwieweit sie eine wichtige Rolle im Ökosystem spielt“, sagt Nabu-Artenschutzreferent Ansgar Poloczek. „Und das tun Thujen leider überhaupt nicht.“ Viele heimische Insekten seien auf bestimmte Pflanzen angewiesen, entweder als Nahrungsquellen oder als Standorte für die Fortpflanzung. Für sie werde die riesige Anzahl fremder Arten wie Thuja und Kirschlorbeer in den Gärten zum Problem. Angesichts des Insektensterbens könnten Gärten wichtige Rückzugsorte für die Tierwelt darstellen, betont Poloczek. Wer der Natur etwas Gutes tun wolle, müsse deshalb heimische Arten pflanzen.
Genauso sieht das auch Naturgartenplanerin Maria Stark: „Eine heimische Pflanze ernährt im Schnitt zehn Tierarten“, sagt die Landschaftsökologin. Evolutionsbedingt könnten Pflanzen, die nicht heimisch sind, gerade spezialisierte Tierarten nicht versorgen. „Eine Thuja kann hierzulande deshalb keine wertvolle Nahrungsquelle beispielsweise für Falter, Wildbienen, Vögel und Eidechsen sein“, sagt Stark.
Die Thuja als Klima|wandelverliererin
Aber auch aus gärtnerischer Perspektive hat die Thuja einige Nachteile. Besonders als Hecke sei die Pflanze nicht so pflegeleicht wie oft vermutet, sagt Landschaftsarchitekt Stoldt. „Mindestens einmal im Jahr muss man eine Thujahecke zurückschneiden.“ Wer es besonders dichttriebig haben wolle, müsse sogar zweimal im Jahr zur Heckenschere greifen. Schnittfehler verzeihe die Thuja nicht, weil die Nadeln in den inneren Astbereichen zurückgehen. „Bei zu starkem Rückschnitt entstehen kahle Stellen, die nicht mehr nachwachsen“, sagt Stoldt.
Und die Thuja hat noch ein weiteres Problem: Die Konifere sei in eher sumpfigen Gegenden zu Hause und habe einen relativ hohen Wasserbedarf, erklärt Stoldt. Das macht die Pflanze zur Klimawandelverliererin. „Man sieht immer häufiger Thujen, die aufgeben müssen und vertrocknen.“ Selbst wenn die Bäume nicht komplett eingehen, können bei Trockenheit abgestorbene, braune Stellen in der Hecke entstehen. Früher sei die Thuja auch wegen ihrer Winterhärte beliebt gewesen. „Aber der letzte Winter mit langen Frostperioden ist schon länger her“, so der Landschaftsarchitekt.
Viele heimische Alternativen zur Thuja
Deshalb nehme die Nachfrage nach heimischen Alternativen zur Thuja langsam, aber stetig zu. Für Hecken schlägt Stoldt zum Beispiel Liguster vor. „Das ist eine freundliche Pflanze, die gute Laune macht.“ Liguster komme zudem an vielen unterschiedlichen Standorten zurecht, erklärt der Experte. In Europa ist der gewöhnliche Liguster oder „Ligustrum vulgare“ heimisch. Er zählt zu den halb-immergrünen Gewächsen: Nur in sehr kalten Wintern wirft er seine Blätter vollständig ab, in milden Wintern bleiben die Blätter bis zum Frühling an der Pflanze. „So bleibt die Ligusterhecke halbwegs blickdicht“, sagt Stoldt.
Auch die Rotbuche „Fagus sylvatica“ sei eine gute Heckenalternative. „Die Pflanze hält ihre Blätter über den Winter, sie verfärben sich kupferfarben“, sagt Stoldt. Allerdings sei die Rotbuche ein klassischer Waldbaum, in stark verdichteten, städtischen Lagen könne Sie Probleme bekommen. Wer einen Garten neu plane oder übernehme, könne sich in der Nachbarschaft umsehen, was dort – abgesehen von Thuja und Kirschlorbeer – noch gedeiht, empfiehlt der Landschaftsarchitekt.
Auch ein Zaun kann die Thuja ersetzen
„Eigentlich ist fast jede Pflanze schöner und ökologisch wertvoller als eine Thuja“, sagt Nabu-Experte Poloczek. Weißdorn, Feldahorn, Eberesche oder Berberitze eigneten sich als Heckenpflanzen. Wer ein Nadelgehölz bevorzuge, könne auch an eher schattigen Standorten eine Eibenhecke anlegen. Besonders groß sei der ökologische Wert, wenn man verschiedene Sträucher und Gehölze nebeneinander als Sichtschutz und Abgrenzung pflanze.
Naturgartenplanerin Maria Stark hat einen anderen Vorschlag. „Wenn Gehölze ständig zurückgeschnitten werden, können sie nur schwer blühen und kommen auch kaum dazu, Früchte auszubilden“, erklärt die Landschaftsökologin. Als Formschnitthecke verlören dadurch auch heimische Pflanzen ihren ökologischen Wert.
Als schmalen Heckenersatz in kleineren Gärten empfiehlt die Expertin deshalb, einen einfachen Staketenzaun oder Sichtschutz von der Rolle mit verschiedenen Pflanzen zu beranken. Entlang des Zauns platziere man Rank- und Kletterpflanzen wie Hopfen, Kletterrosen oder die Rote Zaunrübe, die für eine bestimmte Wildbienenart überlebenswichtig sei, erklärt Stark. Auch pflegearme Hochstauden, zum Beispiel als Saum gesät, seien eine gute Option. In Fachgärtnereien seien rund 1200 heimische Wildpflanzen erhältlich. Mit der Zeit könnten dann bunte Blüten den gesamten Zaun schmücken. „Und Tiere kommen so ganz von selbst wieder zu uns in die Gärten“, sagt Stark.
Wird die Thuja also nach und nach aus den Gärten verschwinden? Bis dahin wird es noch einige Zeit dauern. „Das Gehölzsortiment ist in Bewegung“, sagt Stoldt. Die Entwicklung brauche aber Zeit, auch die Pflanzenproduzenten müssten erst Lust auf andere Arten bekommen und sich umstellen. „Irgendwann kommt die Veränderung dann auch in den Gärten an.“
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