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Eine Stadt kämpft um eine Geburtsstation

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich habe selten erlebt, dass ein Thema so sehr emotionalisiert - und zwar, wie ich finde, völlig zurecht: Dem Marien-Krankenhaus auf der Altstadtinsel steht die Schließung bevor. Der Standort soll auf den UKSH-Campus verlegt werden. Damit hätte Lübeck faktisch nur noch eine Geburtsstation. Die Wahlfreiheit, die viele werdende Mütter bislang hatten, fällt damit weg: Wollen sie ihr Kind im kleineren, familiären Marien-Krankenhaus zur Welt bringen, oder im UKSH, das mit der angegliederten Kinderklinik?

Das Marien-Krankenhaus ist Teil der Stadtgeschichte: Seit über 130 Jahren wurden hier Lübeckerinnen und Lübecker geboren, darunter Persönlichkeiten wie Bürgermeister Jan Lindenau. Die mögliche Schließung hat auch deshalb viele Menschen zu Protesten und Demonstrationen bewegt, es ist eine Petition mit inzwischen über 40.000 Unterschriften im Umlauf. Die Nachricht: Der Ort, an dem das eigene Leben begonnen hat, soll geschlossen werden, den gibt es womöglich bald nicht mehr - das macht etwas mit einem.

Ich meine, dass zu einer guten medizinischen Versorgung für Frauen gehört, dass sie eine möglichst große Auswahl haben, wenn sie Nachwuchs erwarten und entscheiden müssen, wo sie entbinden. Der Trend, dass gerade in kleineren Krankenhäusern immer häufiger die Geburtsstation der Wirtschaftlichkeit zum Opfer fällt, ist fatal. Denn die Bedingungen um eine Familie zu gründen werden angesichts der allgemeinen Weltlage ohnehin nicht besser. Dass dann reihenweise Kreißsäle schließen, hilft da nicht.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende!

Ihre

Sophie Schade

Redakteurin

 

Interview der Woche

Prof. Jeanette Erdmann von der Uni Lübeck ist seit Jahrzehnten auf der Jagd nach Herzinfarktgenen. Inzwischen stehen über 250 verdächtige Gen-Orte auf ihrer Liste. Im Interview spricht sie über ihren Weg in die Wissenschaft und wieso prekäre Arbeitsbedingungen den Weg junger Frauen in die Forschung erschweren.

Wie sind Sie in die Position gekommen, in der Sie heute sind?

Man ist versucht zu sagen, durch viel Arbeit. ;-) Sicherlich ist das auch ein Teil des Erfolges. Ich war aber auch in zwei Situationen tatsächlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und damit ergaben sich dann die nachfolgenden Schritte auf der Karriereleiter. Meine heutige Position, als Institutsdirektorin und Leopoldina-Mitglied, habe ich natürlich auch meinem Team, Dutzenden von Doktorand*innen und Postdoktorand*innen, sowie den TAs im Labor zu verdanken.

Wann waren Sie zuletzt die einzige Frau im Raum?

Das ist nicht allzu lange her. Aber man erkennt schon, dass sich die Situation für Frauen verändert – bei der Besetzung von Gremien oder Konferenzen wird heute auf eine möglichst paritätische Besetzung geachtet – und das nicht nur von Frauen!

Gibt es Sprüche, die Sie nicht mehr hören können, weil sie voller Klischees sind?

Nicht konkret, aber generell Sprüche, die „gut gemeint sind“, in Wirklichkeit aber durchblicken lassen, dass der Gegenüber die persönliche Situation überhaupt nicht versteht.

Vor welchen Herausforderungen stehen Frauen, die in der Wissenschaft und in der Forschung arbeiten wollen?

Das ist in der Wissenschaft nicht anders als in anderen gesellschaftlichen Bereichen: die große Herausforderung für Frauen ist immer noch, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Ohne ein gut funktionierendes Netzwerk und Partner, die uneingeschränkt unterstützen, ist es für Frauen immer noch schwierig. Und ganz wichtig, der Arbeitgeber muss dahinter stehen - flexible Arbeitszeiten etc. anbieten.

Was sollte getan werden, damit Frauen an den Unis noch präsenter sind?

Sicher wäre es hilfreich, wenn die prekären Arbeitsbedingungen geändert würden. Wenn Frauen, aber auch Männer, sich von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln müssen, ist das für die Familienplanung sehr schwierig und der mögliche „brain drain“ in die Industrie vorgezeichnet. Hier sollte/muss man gegensteuern.

Was würden Sie jungen Frauen mit auf den Weg geben?

Den Lebensweg durch das Ziel bestimmen zu lassen, nicht zu viele Bedenken zulassen.

Welche Frau ist Ihre Inspiration, Ihr Vorbild?

Ich habe mich nie von Vorbildern leiten lassen.

Was sind Ihre Wünsche und Ziele für 2023?

Beruflich freue ich mich sehr auf unser 10-jähriges Bestehen des Instituts für Kardiogenetik, das wir im Mai mit einem Symposium feiern. Persönlich hoffe ich, dass meine Gesundheit etwas stabiler wird und dass 2023 ein Jahr mit vielen persönlichen Kontakten wird, nach fast drei Jahren pandemiebedingtem Home-Office, habe ich etwas Nachholbedarf.

 

Meine Leseempfehlung

Anna Strishkowa hat Jahrzehnte vergeblich versucht, ihre Herkunft herauszufinden. Fehler in einer sowjetischen Dokumentation und Erinnerungslücken führten die Kiewerin auf die falsche Fährte. Nun halfen ihr ein deutscher Filmemacher, das Stuttgarter Landeskriminalamt und ein ukrainischer Holocaustforscher. Mit Erfolg: Die alte Dame stammt nicht aus der Ukraine, und mithilfe von DNA‑Tests fanden sie sogar Familienangehörige.

 

Sorge um das Marien-Krankenhaus

Mitarbeiter, Patienten, Politiker und mehr sind in der Lübecker Innenstadt gegen die Schließung des Marien-Krankenhauses auf die Straße gegangen. Darum ist ihnen der Erhalt des Standortes so wichtig.

Lübeck bangt um das Marien-Krankenhaus, das vor allem für Geburtshilfe bekannt ist. Seit dem Jahr 2000 sind in Schleswig-Holstein 16 Geburtsstationen geschlossen worden. Laut Experten könnten weitere folgen. Das sind die Gründe.

Das Marien-Krankenhaus ist eine Institution auf der Lübecker Altstadtinsel. Die Debatte um eine mögliche Verlegung des Standortes auf den UKSH-Campus geht den Menschen nahe. Emotionen dürfen aber nicht blind machen, meint LN-Redakteur Jan Wulf.

Keine Geburten mehr in der Lübecker Altstadt? Die Nachricht, das Marien-Krankenhaus werde vom UKSH übernommen, löst viele Reaktionen aus. Menschen blicken zurück und schildern, was die Geburtsstation in Lübeck für sie so besonders macht. Hier geht‘s zur großen Baby-Bildergalerie.

 

Nachrichten aus der Region

Was bedeutet christlicher Glaube in der heutigen Zeit? Die junge Pastorin Johanna Lembcke-Oberem aus Lütau zeigt, wie moderne Kirche geht und warum das Bild von Gott als Mann im Himmel längst überholt ist.

Zu Besuch in der Werkstatt von Christiane Rux in Lübeck: Die 61-Jährige stellt ihren Beruf vor und berichtet, was sie am Handwerk des Buchbindens besonders aufregend findet.

 

Unser Blick in die Kultur

Erina Yashima leitet das Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchester am Freitag, 20. Januar, in der Lübecker MuK. Die Welt der Dirigenten ist eine Männerdomäne – noch. Auch in Lübeck.

Eine berühmte Schauspielerin und ein Streichquartett: Im Tonstudio der Kulturakademie entsteht gerade ein Hörbuch für Kinder. Ein Besuch vor Ort.

 

Buch-Tipp

Je mehr Freundschaften und Projekte, je fester der Job und die Partnerschaft, desto größer das Lebensglück? In ihrem Debattenbuch zeigt Sarah Diehl, wie trügerisch diese Vorstellung ist und warum vor allem Frauen zu wenig Räume zum Alleinsein haben. Dabei ist es nicht nur der Grundstein eines verantwortungsvollen Miteinanders – es ist die Triebfeder für Reflexion und Veränderung sowie ein elementarer Teil der Selbstfürsorge, so die These der Autorin. Die Kleinfamilie gilt als Garant für ein glückliches Leben. Anhand von kulturhistorischen Betrachtungen, Interviews mit Frauen, aber auch Männern sowie der Erkundung verschiedener Lebensentwürfe offenbart Sarah Diehl die Fallstricke dieser Annahme. Dabei blickt sie ebenso auf die Bedeutung des Alleinseins innerhalb der Familie oder Partnerschaft wie in der Öffentlichkeit, in der politischen und kreativen Arbeit, in der Natur oder auf Reisen. Sie fordert den Erhalt der Einsamkeit und ermutigt alle, das Alleinsein immer wieder bewusst zu suchen.

Erschienen im Arche Literatur Verlag, 368 Seiten, 24 Euro

 

Twitter-Reaktionen

Es ist jedes Jahr dasselbe: Immer Ende Januar erwartet die Filmbranche mit Spannung die Oscar-Nominierungen, und immer könnte man dabei den Eindruck gewinnen, dass eigentlich nur weiße Männer Filme machen. Das ist nicht unbemerkt geblieben und wurde auf Twitter scharf kritisiert.

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