Streit um Schleier bringt Jamaika-Koalition in Bedrängnis
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Zwei vollverschleierte Frauen im Nikab (Symbolbild). In Kiel streitet die Jamaika-Regierung um den richtigen Umgang mit der Verschleierung in Unis und Schulen.
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Kiel. Der Streit um ein Verschleierungsverbot an Schleswig-Holsteins Schulen und Unis treibt die Kieler Jamaika-Koalition in die Krise. CDU, Grüne und FDP schafften es auch in einer Sitzung am Montagabend nicht, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen. Während CDU und FDP ein gesetzliches Verbot fordern, stellen sich die Grünen quer. Es soll erst mal weiter diskutiert werden.
Katharina K. wollte im Nikab in die Uni
Dabei drängt die Zeit. Das Präsidium der Uni Kiel hat die Regierung jetzt in einem Brief dringend um Unterstützung gebeten. Sie hatte der zum Islam konvertierten deutschen Studentin Katharina K. verboten, in einem Nikab – also einem Vollschleier, der nur die Augen freilässt – zu Vorlesungen und Prüfungen zu kommen. In genau diesen Streit haben sich jetzt offenbar auch vom Verfassungsschutz in den Blick genommene Islamisten eingeschaltet.
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An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entbrannte der Streit. Studentin Katharina K. wollte nur noch im Nikab studieren. Die Uni will das nicht tolerieren.
© Quelle: imago
Katharina K. bestätigt es in einem Interview mit der Internet-Plattform T-Online selber. Sie sei mit ihrem Mann auf die "Föderale Islamische Union" zugegangen. Deren Anwälte hätten sich dieses Falles angenommen, der Verein übernehme die Kosten, sagt die 21-Jährige. Sie will sich vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Schleierverbot wehren, pocht dabei auf ihre Religionsfreiheit.
Islamischer Verein kämpft auch für Extra-Schwimmunterricht
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CDU-Bildungsministerin Karin Prien will Hochschul- und Schulgesetz in Sachen Schleier verschärfen.
© Quelle: Carsten Rehder/dpa
Die „Föderale Islamische Union“ mit Sitz in Hannover kämpft etwa für separaten Schwimmunterricht an Schulen und gegen Vollverschleierungsverbote, will das notfalls auch vor Gerichten durchkämpfen. Der niedersächsische Verfassungsschutz hat die Islamische Union ausweislich einer FDP-Anfrage bereits im Blick. Die maßgeblichen Akteure dieser „Union“ rechnen die Verfassungsschützer demnach dem politischen Salafismus zu. Es soll Kontakte der Vereinsführung zu Szenegrößen wie Pierre Vogel und der mittlerweile verbotenen „Lies mich“-Bewegung der Salafisten geben oder gegeben haben. Dem Vereinsvorsitzenden werden sogar Kontakte zu einem der Attentäter vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York nachgesagt.
Der Verein „setzt sich sehr stark für diskriminierte Muslime ein“, so stellt es Katharina K. selber dar. Die 21-jährige Studentin der Ernährungswissenschaft hat offenbar einen Hang zu fundamentalistischen Glaubensrichtungen. Laut eigenem Bekunden soll sie einer evangelikalen Freikirche angehangen haben, bevor sie vor vier Jahren zum Islam konvertierte. Sie wolle mit ihrem Handeln jetzt Gott näher kommen.
Wen unterstützen die Grünen da, fragt sich die CDU
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Die Grünen sind gegen ein Verbotsgesetz, sagt Fraktionschefin Eka von Kalben.
© Quelle: Carsten Rehder/dpa
Bei der CDU-Landtagsfraktion schrillen angesichts dieser Meldungen alle Alarmglocken – und die Ungeduld mit dem Grünen-Koalitionspartner wächst. „Das macht doch deutlich, wen man da unterstützt“, sagt deren Fraktionsvize Tobias Loose. Die Vollverschleierung habe nichts mit Religion zu tun, sie diene der Unterdrückung der Frauen. „Wir akzeptieren ja auch keine vermeintlich religiös begründete Vielweiberei.“ CDU-Bildungsministerin Karin Prien war bereits vergangene Woche vorgeprescht, will Hochschul- und Schulgesetz entsprechend ändern.
Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben hält dagegen: Jeder Mensch habe das Recht, anzuziehen, was er will, und die Religionsfreiheit sei ein hohes Gut. Man dürfe sich außerdem durch eine einzelne Person nicht so provozieren lassen. Es werde daher kein Jamaika-Gesetz zum Verschleierungsverbot geben – zumindest nicht zur nächsten Landtagssitzung kommende Woche. Da will die AfD das Thema hochziehen. Bei CDU und FDP hätte man es ihr gerne mit einem schnellen Regierungs-Signal für ein Verbot aus den Händen gewunden.
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FDP-Fraktionschef Christopher Vogt sucht den Kompromiss: Die Hochschulen sollen per Gesetz selbst entscheiden dürfen, ob sie den Nikab tolerieren.
© Quelle: imago
Bayern verbietet Nikab- und Burka an Schulen und Unis bereits
In Bayern sind Gesichtsschleier wie Burka und Nikab seit dem 1. August 2017 in vielen Bereichen verboten. Das gilt zum Beispiel an allen Schulen und Hochschulen, aber auch in Kindergärten und Kinderkrippen sowie in Wahllokalen. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst dürfen generell keinen Gesichtsschleier tragen. Das wird auch in Hessen so gehandhabt. Gemeinden in Bayern können Burka und Nikab zudem bei Vergnügungsveranstaltungen oder Massenansammlungen in Einzelfällen verbieten. Die Universität Gießen untersagte bereits 2014 einer Studentin, mit Nikab auf den Campus zu kommen.
Die FDP wirft daher bereits einen Kompromissvorschlag in den Ring. „Wir sollten durch eine Änderung des Hochschulgesetzes die Möglichkeit öffnen, ein solches Verbot zu erlassen, die Entscheidung darüber aber den Hochschulen selber überlassen“, sagt FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Über eine Änderung des Schulgesetzes könne man später diskutieren, etwa im Zuge der bereits geplanten Gesetzesnovelle 2020.
SPD: „Surfen auf der Populismuswelle“
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Will ein Schleierverbot: Tobias Loose (CDU).
© Quelle: radio tele nord
CDU-Mann Loose will den Grünen den Weg mit einem längeren Diskussionsprozess im Landtag samt Expertenanhörung ebnen. Ob es Erfolg hat? Hinter den Kulissen ist tatsächlich zu hören, dass die Position der Grünen keineswegs so einheitlich ist, wie Eka von Kalben es darzustellen versucht. So gebe es in der Partei etwa einen feministischen Flügel, der durchaus ein Verschleierungsverbot fordere, heißt es. Mit der schnellen Positionierung der Fraktion, insbesondere durch den Landtagsabgeordneten Lasse Petersdotter, gegen ein solches Gesetz seien daher viele Partei nicht einverstanden. Der von den Grünen dominierte Asta der Uni Kiel, die oberste Studentenvertretung, stellte sich hingegen hinter die Studentin.
Die SPD-Opposition im Landtag steht derweil abseits. Man unterstütze die Haltung der Universität Kiel, sagt deren Fraktionsvize Martin Habersaat. Hochschulen und Schulen könnten das aber alleine regeln. Wer eine Gesetzesänderung fordere, der „surft auf der Populismuswelle“.
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Die Uni stützen, aber ohne eigenes Gesetz: SPD-Vizefraktionschef Martin Habersaat.
© Quelle: Carsten Rehder/dpa
Wolfram Hammer