Klimaneutrale Alternative? Das steckt hinter dem Treibstoff E‑Fuel
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Blick auf Porsches E‑Fuels-Pilotanlage Haru Oni im äußersten Süden Chiles.
© Quelle: Porsche AG
Doch kein Verbrennerverbot ab 2035: Nach stundenlangem Ringen haben sich die für Umwelt zuständigen Ministerinnen und Minister der EU-Staaten auf einen Kompromiss geeinigt – statt eines grundsätzlichen Verbots sollen die Motoren in Neuwagen lediglich klimaneutral sein. Endgültig fest steht das allerdings noch nicht, denn der finale Kompromiss muss mit dem EU-Parlament noch ausgehandelt werden.
Eine Alternative zum Verbot der klassischen Verbrennungsmotoren sind Motoren, die mit klimafreundlichen Kraftstoffen betrieben werden – sogenannten E‑Fuels. Was steckt hinter dem Begriff? Und wie funktioniert das?
Preis: Ein Liter E‑Fuel kostet etwa 4,50 Euro
Der Name stammt vom englischen „electrofuel“ (Elektrokraftstoff) und beschreibt künstliche Kraftstoffe, die durch den Einsatz von Energie (Strom) aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO₂) produziert werden. Was die Abgase betrifft, sind E‑Fuels strukturell nicht anders als herkömmliche fossile Treibstoffe. Sofern der Strom, mit dem der synthetische Sprit hergestellt wird, aber komplett grün ist, also nur aus natürlichen Quellen (Wasser, Wind) stammt, und das zur Herstellung benötigte CO₂ aus Biomasse, Abgasen oder der Atmosphäre stammt, gelten E‑Fuels als klimaneutral – und durch sie betriebene Verbrennungsmotoren auch.
Es gibt aber noch etliche Hürden, bis synthetische Kraftstoffe zu einem konkurrenzfähigen Produkt werden können. So kostet derzeit die Herstellung eines Liters etwa 4,50 Euro. Außerdem ist durch aufwendige Umwandlungsstufen sowohl in der Produktion wie auch in der Nutzung von E‑Fuels der Energiebedarf ungleich höher als bei anderen Antrieben, die konventionellen eingeschlossen. Das größte Problem der E‑Fuels ist also weiterhin deren extrem hoher Energiebedarf. So gehen während der Herstellung von E‑Fuels rund 60 Prozent der ursprünglichen Energie verloren.
Synthetische Brennstoffe sorgen also bisher nur für minimale Einsparungen bei CO₂-Emissionen. So lautet auch das Ergebnis einer Studie, die von Transport and Environment (T&E) veröffentlicht wurde. T&E ist ein Bündnis aus 53 europäischen NGOs, das sich für nachhaltige Verkehrslösungen engagiert. Danach kommt ein Volkswagen ID.3 mit derselben Menge erneuerbarer Energie fünfmal weiter als ein VW Golf, der mit E‑Fuel betrieben wird. Ein besser motorisierter BMW i4 erreicht sogar die sechsfache Distanz eines BMW 4er mit Verbrenner.
Porsche arbeitet an Lösung für Industrie
Trotz der bisher geringen Menge an E‑Fuel, die industriell hergestellt wird, gibt es einige Autounternehmen wie etwa Porsche, die an großindustriellen Lösungen zur Produktion von synthetischen Kraftstoffen arbeiten. „Wenn man die Bestandsflotte perspektivisch nachhaltig betreiben will, dann sind E‑Fuels ein elementarer Bestandteil“, sagt Porsche-Entwicklungschef Michael Steiner. Deshalb haben die Schwaben in eine Kooperation mit Siemens investiert und im äußersten Süden Chiles, bei Punta Arenas in Patagonien, mit dem Projekt Haru Oni die erste kommerzielle Großanlage zur Produktion dieser E‑Fuels auf den Weg gebracht.
Mit Windenergie soll sie bereits im Laufe dieses Jahres 130.000 Liter und bis 2026 über 550 Millionen Liter Treibstoff jährlich produzieren. Ein nicht ganz uneigennütziges Unterfangen: Rund 70 Prozent aller produzierten Fahrzeuge der Marke sind noch auf der Straße. Und laut Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner eigne sich besonders der 911 für den Einsatz der E‑Fuels. Was für den legendären Sportwagen die Rettung bedeuten würde.
Ein Ansatz, der durchaus auf positive Stimmen stößt. „Das Ziel aller Bemühungen sollte es sein, eine klimaneutrale Mobilität zu erreichen, und zwar möglichst schnell und ohne zu große negative wirtschaftliche Auswirkungen“, sagt Motoren-Professor Stefan Pischinger von der RWTH Aachen. Er ist überzeugt, dass dies nur durch den gleichzeitigen Einsatz aller möglichen Technologien erreichbar wird: „Ohne E‑Fuels werden wir bis 2045 nicht klimaneutral sein können und auch die Zwischenziele nicht schaffen“, ist er überzeugt.
Pischinger führt das auf den riesigen Bestand an Verbrennern zurück. „Selbst, wenn die für bis 2030 optimistisch avisierten zehn Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen würden, wären das gerade einmal 22 Prozent der Fahrzeuge auf der Straße.“ Der Verbrennungsmotor biete gerade in Kombination mit E‑Fuels noch ein hohes Entwicklungspotenzial und könne so einen großen Beitrag zur Reduktion des CO₂-Ausstoßes leisten.
Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer sieht das grundlegend anders: „E‑Fuels sind eine sehr teure Sache: Für Pkw undenkbar, bei Lkw mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Brennstoffzelle und vom batterieelektrischen Antrieb verdrängt“, sagt der Professor vom Center Automotive Research in Duisburg. Zwar räumt er diesen neuartigen Kraftstoffen Chancen bei Flugzeugen oder im Schiffsverkehr ein. Doch beim Auto sieht er in ihnen eher ein Ausweichmanöver, mit dem Mineralölhersteller, Zulieferer und Fahrzeugbauer mehr Zeit für die konventionellen Antriebe gewinnen wollen.
mit dpa
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