Schluss mit Billigfleisch: So klappt’s mit dem Bio-Essen in der Kita
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Gesundes, bezahlbares Bio-Essen in der Kita zum Mittag? Unsere Autorin zeigt, wie es klappen kann.
© Quelle: dpa
Über 2,3 Millionen Kita-Kinder in Deutschland essen in ihren Einrichtungen zu Mittag. Was dabei auf den Tellern landet, ist allerdings höchst unterschiedlich und nicht immer gesund und kindgerecht. Zu viel Fleisch, zu wenig Obst, kritisierte etwa eine Bertelsmann-Studie schon 2014. Und spätestens seit dem Skandal um Fleischproduzent Tönnies sollten wir uns fragen, was unsere Kinder da wirklich auf den Tellern haben – und es besser machen. Aus Erfahrung kann ich sagen: Mit ein bisschen Rechnerei und Kreativität kann es tatsächlich klappen mit dem bezahlbaren Bio-Essen in der Kita.
Erste Hürde: Finanzierung von Bio-Essen in Kita erweist sich als schwierig
Vor vier Jahren war der Stand in Sachen Essen in der Kita meiner Tochter in etwa so: Es gab Entwicklungsbedarf. Bis vor rund vier Jahren kochten die Eltern nämlich noch selbst Mittagessen und Rohkost für die – zu diesem Zeitpunkt – zwei Gruppen mit insgesamt 45 Kindern. Ein Konzept wie aus der Zeit gefallen, das logistisch, hygienisch und mitunter auch qualitativ einfach nicht mehr funktionierte. Also haben ein paar Mütter und ich den Plan gefasst: Wir wollen frisch zubereitetes Bio-Essen. Aber bezahlbar soll es sein, damit Familien aus allen unterschiedlichen sozialen, finanziellen Hintergründen weiterhin Teil der Gemeinschaft bleiben.
Die Finanzierung war die erste und wichtigste Hürde und sie ist in der Debatte um gesundes Kita- und Schulessen oftmals das schlagende Argument. Wer sagt, frisches Bio-Essen sei zu teuer, dem wird erstaunlich selten widersprochen. Die Bertelsmann-Studie hat einen Durchschnittsbetrag von 2,40 Euro am Tag errechnet, den Familien für konventionelles Mittagessen – meist vom Caterer – in Kindergärten zahlen; und schränkt auch gleich ein, dass zu diesem Preis nur schwer eine ausgewogene Mittagsmahlzeit hergestellt werden könne.
Sind 2,50 Euro für jedes Mittagessen realistisch?
Damit wollten wir uns nicht abfinden und haben angefangen zu rechnen: Mit allen Kosten für Personal, Mittagessen, Rohkost und Nachmittagssnack sollten wir zumindest beim Start bei einem Elternbeitrag von rund 50 Euro im Monat, beziehungsweise 2,50 Euro am Tag landen. Um den möglichen Wareneinsatz zu ermitteln, haben wir uns Preislisten der großen Bio-Lebensmittellieferanten und regionalen Bio-Bauern und Bio-Bäckereien geben lassen, Modellspeisepläne erstellt und so die Lebensmittelkosten einschließlich der Liefergebühren für drei Monate berechnet.
Weiterer Kostenpunkt: das Personal. Wir wollten frische Küche, auch um das Gemüse aus dem Garten verwerten zu können – also brauchten wir eine Küchenkraft. Natürlich ist eine gelernte Köchin toll, aber für uns kein Muss, da wir ja die Speisepläne und entsprechenden Rezepte vorgeben. Viel wichtiger war und ist es uns, dass sie kochen und mit den Kindern umgehen kann.
Hilfe bekamen wir bei der Minijobzentrale. Die hat uns telefonisch beraten und ist mit uns die Kosten für vier Arbeitstage à drei Stunden inklusive Sozialabgaben durchgegangen. Natürlich bekommen die Kinder an allen fünf Tagen Mittagessen, aber jeden Montag sollen sie weiterhin in der Koch-AG die Speisen selbst zubereiten. Das hat in erster Linie ernährungspädagogische Gründe, erleichtert uns aber auch die finanzielle Planung.
Frische Küche braucht die richtige Gestaltung und Ausstattung
Die Küchengestaltung und -ausstattung ist ein weiterer Punkt und für viele ein K.O.-Kriterium für frische Küche vor Ort. Wir haben im Kinderhaus einen separaten Raum, der allerdings mit einer normalen Küchenzeile aus den 90er-Jahren ausgestattet ist. Also holten wir uns das Veterinäramt, zuständig für Kücheninspektionen und Lebensmittelkontrollen, ins Haus – und zwar bevor wir irgendwo Hand angelegt haben. Nach dem Termin hatten wir eine To-Do-Liste, mit einigen kleineren Umbauten, etwa die Installation eines kleinen Handwaschbeckens inklusive Seifenspenders oder auch eine Dunstabzugshaube. Wichtig war die Versiegelung aller Oberflächen, um die Hygienestandards einhalten zu können. Bei Ebay gab es eine Industriekochplatte und einen großen Kühlschrank. Mit neuen Töpfen und einem gescheiten Pürierstab sollte die neue Ausstattung fürs Erste knapp 2000 Euro kosten.
Gesundes Kita-Essen für 50 Euro im Monat
Der Plan stand: Zahlen Eltern einen Essensbeitrag von 50 Euro im Monat (auch bei Schließungszeiten), können wir davon Personal und Lebensmittel in Bio-Qualität für fünf Mittagessen, fünf Nachmittagssnacks und ein gesundes Frühstück pro Woche finanzieren. Es war zwar eng kalkuliert, aber tragfähig, davon waren wir überzeugt. Nach längerer Diskussion gab die Elternschaft in basisdemokratischer Abstimmung ihr Okay für das neue Kochkonzept.
Damit hatten wir die Voraussetzungen geschaffen, nun galt es das Ganze auch umzusetzen: Wir haben mit den Bio-Anbietern vor Ort günstige Preise ausgehandelt, haben Bewerber zum Probekochen eingeladen und in den Sommerferien zusammen mit zahlreichen Eltern die Umbauten in der Küche erledigt. Nach den Sommerferien hat dann unsere neue Köchin Karin ihren ersten Dienst in unserer Küche angetreten.
Sie hatte vorher gute Hausmannskost in einer großen Kantine gekocht, im Kinderhaus sollte sie nun Quinoa-Salate und Hirse-Gemüse-Pfannen in unserer profanen Küche zubereiten. Eine Umstellung – für unsere Köchin Karin und für unsere Kinder, denn plötzlich landeten ganz andere Speisen und Zutaten auf den Tellern. Quinoa gehörte anfangs nicht zu den Leibspeisen der Kinder, auch Fisch ist noch immer nicht jedermanns Sache.
Speiseplan an Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung orientiert
Wir wollten ein Ernährungskonzept, das nachhaltig und qualitativ hochwertig ist, daher haben wir uns in der Speiseplangestaltung an den wissenschaftlichen Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) orientiert. Die empfiehlt, an jedem Tag Getreide, Getreideprodukte oder Kartoffeln anzubieten, ebenso Gemüse. Fleisch oder Wurst sollten maximal zweimal in der Woche gereicht werden, Fisch mindestens einmal. Bei uns sollte es immer eine vegetarische Alternative und Ersatzprodukte etwa bei einer Laktose-Intoleranz geben. Außerdem darf jedes Kind ein Wunschgericht im Jahr aussuchen.
Inzwischen hat sich das Konzept eingespielt. Es gibt saisonal angepasste Speisepläne für ein ganzes Jahr, ein paar Eltern übernehmen abwechselnd die Bestellungen für die Lebensmittel und eine Mutter verwaltet das Kochkonto. Und wir sind gewachsen: Neben unserer Köchin haben wir noch eine Küchenhilfe eingestellt, denn inzwischen zählt das Kinderhaus vier Gruppen und fast 70 Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahre. Auch das war zunächst eine Umstellung, aber nun wissen wir, dass unser Konzept auch mit größeren Mengen funktioniert – es braucht nur eine gute Kalkulation, eine gute Küchenkraft, ein bisschen Fantasie, Engagement und den Willen aller Beteiligten.
RND/dpa