Vitamin-D-Mangel im Corona-Winter? Wann ergänzende Präparate helfen – und wann nicht
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Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass Nahrungsergänzungsmittel, wie Vitamin-D-Präparate, gegen Covid-19 helfen.
© Quelle: Christin Klose/dpa-tmn
Es ist Winter – und damit gibt es weniger tägliche Sonnenstunden. Und weil wieder Lockdownzeit ist, verbringen viele Menschen noch mehr Zeit zu Hause als sowieso schon in der ungemütlichen Jahreszeit. Das löst auch unter Medizinern und Wissenschaftlern eine Diskussion darüber aus, „dass manche Menschen möglicherweise nicht die erforderlichen physiologischen Vitamin-D-Spiegel durch Sonnenlicht erhalten“, wie diese Woche beispielsweise in einem Editorial in der Fachzeitschrift „The Lancet“ angemerkt wurde.
Der Einfluss von Vitamin D auf den Körper wird viel diskutiert. Bewiesen ist, dass sich ein guter Vitamin-D-Status vorteilhaft auf die Knochengesundheit auswirkt – und ein Mangel deshalb problematische Auswirkungen haben könnte. Aber hat die Einnahme von zusätzlichen Präparaten bei einem Vitamin-D-Mangel auch einen präventiven Einfluss auf weitere Erkrankungen? Dazu gibt es zahlreiche Beobachtungsstudien, aber wenig aussagekräftige Beweise. Seit Pandemiebeginn suchen Forscher nun auch nach möglichen Zusammenhängen zwischen einem Vitamin-D-Mangel und der Schwere einer Covid 19-Infektion. Das Problem: Eine eindeutige Datenlage gibt es auch dazu bislang nicht.
Covid-19-Risiko senken durch Vitamin D?
Schlussfolgerungen für die Prävention von Covid-19 lassen sich aus den Daten derzeit allerdings nicht ableiten, da alle bewerteten Studien vor Auftreten der Pandemie durchgeführt wurden.
Prof. Jakob Linseisen
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat ihren Wissensstand zu Vitamin D inzwischen stärker differenziert. „Danach ist nach wie vor nicht belegt, dass Vitamin D vor Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2 schützt“, wird Prof. Jakob Linseisen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, in einer Mitteilung vom Dezember zitiert. Das sind auch Risikofaktoren für einen schwereren Covid-19-Verlauf. Es werden lediglich Zusammenhänge beobachtet.
Mit Blick auf die Studienlage sei zwischen dem Vitamin-D-Status und dem Risiko für akute Atemwegsinfektionen bislang „ein inverser Zusammenhang“ zu beobachten. Sprich: Forscher haben beobachtet, dass je niedriger der Vitamin-D-Status war, desto höher das Risiko für Atemwegsinfektionen ausfiel. Bislang fehlen aber auch hier die Beweise für eine kausale Beziehung zwischen den Befunden. Gleiches ließ sich bei Demenz und Depressionen feststellen, nicht aber bei Asthma, MS und Diabetes mellitus Typ 1.
So wundert es nicht, dass nach einem Pandemiejahr auch der Zusammenhang mit Covid-19 noch nicht ausreichend ergründet ist. „Schlussfolgerungen für die Prävention von Covid-19 lassen sich aus den Daten derzeit allerdings nicht ableiten, da alle bewerteten Studien vor Auftreten der Pandemie durchgeführt wurden“, heißt es laut Fachgesellschaft.
Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung hat Ende Oktober 2020 explizit klargestellt, dass keine Studien bekannt seien, die belegen, dass die Einnahme von Vitamin D vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützt. Lediglich bei einem Mangel könnte eine ergänzende Aufnahme mit Vitamin D einen positiven Einfluss auf die Prävention von akuten Atemwegsinfektionen haben, resümiert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.
Lockdown: Großbritannien empfiehlt Bürgern tägliche Einnahme von Vitamin D
In der Regel bildet der Körper in der Haut 80 bis 90 Prozent des Vitamins selbst – mithilfe von Sonnenlicht, genauer: UV-B-Strahlung. Dabei ist ein Aufenthalt im Freien nötig. „Ein Aufenthalt in hellen Räumen reicht nicht aus, da die UV-B-Anteile im Sonnenlicht nicht durch das Glas in Fensterscheiben dringen können“, heißt es in einem Steckbrief des Robert-Koch-Instituts. Nun gibt es in den meisten Ländern Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen, Homeoffice, geschlossene Schulen – weswegen viel Zeit zu Hause verbracht wird.
Großbritanniens Gesundheitsbehörden geben deshalb neue Empfehlungen angesichts der Pandemiebedingungen – und haben eine Vitamin-D-Offensive gestartet. „Während der Herbst- und Wintermonate wird jedem in Großbritannien empfohlen, jeden Tag ergänzend Vitamin D einzunehmen, um die allgemeine Gesundheit und insbesondere die Gesundheit von Knochen und Muskeln zu unterstützen“, heißt es in den veränderten Richtlinien des britischen Gesundheitsministeriums. „Viele von uns waren dieses Jahr mehr als sonst drinnen und haben möglicherweise nicht genug Vitamin D aus Sonnenlicht hergestellt.“ 2,7 Millionen besonders gefährdeten Menschen, etwa aus Pflegeheimen, bietet die britische Regierung in diesem Winter zudem täglich eine kostenlose 10-Mikrogramm-Dosis Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel an.
Die Ernährung trägt laut RKI mit einem geschätzten Anteil von rund 10 bis 20 Prozent nur einen relativ geringen Anteil zur Vitamin-D-Versorgung bei. Nur wenige Lebensmittel enthalten nennenswerte Mengen an Vitamin D – zum Beispiel fetter Seefisch, bestimmte Innereien, bestimmte Speisepilze und Eier. Neben natürlichen Quellen kann Vitamin D deshalb auch über Nahrungsergänzungsmittel – sogenannte Supplemente – und angereicherte Lebensmittel zugeführt werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt aber nicht mehr als 20 Mikrogramm Vitamin D pro Tag.
Zu viel Vitamin-D-Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel ungesund
Neben einem Mangel kann es nämlich auch zu einer Vergiftung mit Vitamin D kommen. Das kann laut RKI nicht über die körpereigene Vitamin-D-Bildung und die natürliche Ernährung passieren. Problematisch kann es aber bei „übermäßig hohen Einnahmen von Supplementen (Nahrungsergänzungsmitteln), hochdosierten Medikamenten, einem hohen Konsum an angereicherten Lebensmitteln“ werden.
Dann entstehen im Körper erhöhte Kalziumspiegel, die akut zu Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfen, Erbrechen oder in schweren Fällen zu Nierenschädigung, Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit und Tod führen können. „Da Vitamin D im Körper gespeichert werden kann, ist neben einer akuten auch eine schleichende Überdosierung möglich“, erklärt das RKI. Heißt: Wenn irgendwie möglich, empfiehlt sich wahrscheinlich am ehesten doch ein kurzer Gang vor die Haustür.