100. Geburtstag von Otl Aicher: der Mann, der Olympia 1972 gestaltete
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Mit seinen Piktogrammen: Otl Aicher.
© Quelle: Imago
Na klar, das ist doch der mit den Piktogrammen, München 1972: Otl Aicher hat mit seinem Designkonzept für die nach Berlin 1936 zweiten Olympischen Spiele auf deutschem Boden Geschichte geschrieben. Nun wäre der gebürtige Ulmer 100 Jahre alt geworden. Wer seine Arbeiten betrachtet, wird aber viel mehr finden als seine Arbeit als Leiter der Abteilung XI im Organisationskomitee.
Geboren am 13. Mai 1922 in Ulm fand Aicher im katholischen Milieu seiner Heimatstadt nach 1933 einen Ort des kritischen Nachdenkens über die Nationalsozialisten. Er weigerte sich, in die HJ einzutreten, und fand in Hans, Inge und Sophie Scholl Verbündete. Inge Scholl und er heirateten 1952. Zuvor gründeten beide, beseelt und begeistert vom Neuanfang nach 1945, die Volkshochschule Ulm. Für die „Donnerstagsvorträge“ entwarf Aicher zahlreiche Plakate.
Olympia 1972: Von der Eintrittskarte bis zur Polizeiuniform
Sein Denken, so formulierte Aicher es 1980, war ein „Andenken gegen Hitler“. Das zeigte sich auch in seiner Arbeit für die Olympischen Spiele 1972. Diese Spiele waren die ersten und in dieser Intensität auch die einzigen, bei denen Design eine solch herausragende Bedeutung beigemessen wurde. Er und sein Team entwarfen von der Eintrittskarte über die berühmt gewordenen Piktogramme, die die einzelnen Sportarten symbolisierten, bis hin zur Kleidung der Polizei (die keine Uniform tragen sollte) das gesamte Erscheinungsbild von Olympia 1972. München 1972 sollte das Gegenstück zu Berlin 1936 werden.
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Farben des Regenbogens: Im Archiv der Hochschule für Gestaltung hängen Plakate, die Otl Aicher für die olympischen Sommerspiele 1972 gestaltete.
© Quelle: Stefan Puchner/dpa
Im Zentrum von Aichers Gestaltung der Spiele standen die Farben. Gold, Rot und Schwarz erinnerten ihn zu sehr an die Farben von 1936, sodass er sie ausschloss. Aicher stellte hingegen Blau, Grün, Gelb und Orange in den Mittelpunkt – Farben des Regenbogens. Noch heute sind die Spiele von München auch als „Regenbogenspiele“ in Erinnerung.
Wegbereiter des Corporate Designs
Aicher gilt darüber hinaus als einer der Wegbereiter des Corporate Designs, mit dem Unternehmen ein einzigartiges und unverwechselbares Erscheinungsbild erhalten sollen. An der von ihm mitgegründeten Hochschule für Gestaltung Ulm, die sich in Teilen als Nachfolgerin des Bauhauses betrachtete, entstand das neue Logo von Lufthansa. Des Weiteren entwarf er Designobjekte und Logos für das ZDF, die Firma Braun, die Universität Konstanz und zahlreiche Banken sowie das Leitsystem des Frankfurter Flughafens.
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1962 entwarf Otl Aicher das neue Logo der Lufthansa, das den Kranich in einen Kreis bannte.
© Quelle: imago images/Ralph Peters
Winfried Nerdinger beschreibt das Wesen des schwäbischen Designers in dem gerade erschienenen Buch „Otl Aicher. Designer. Typograf. Denker“ (Prestel, 256 Seiten, 49 Euro): Aichers „Ideal war ein herrschaftsfreies Leben, eine Form der Anarchie, die er für sich in seinem schwäbischen Landsitz, der ‚autonomen republik rotis‘ (Aicher schrieb konsequent in Kleinschreibung, Anm. d. Red.) zu verwirklichen suchte, aber keineswegs konsequent praktizierte. Er verweigerte akademische und staatliche Ehrungen – für ihn Herrschaftsmittel zur ‚domestizierung‘ – und praktizierte zivilen Ungehorsam, aber seine berufliche Arbeit mit Konzernen und der Industrie verlangte immer auch eine gewisse Einpassung in bestehende Strukturen sowie das Durchsetzen von Entscheidungen.“
Gestaltung musste für Aicher rational sein. Da er die Politik der Nationalsozialisten als „Politik des Gefühls und des Instinkts“ wahrgenommen hatte, setzte er auf Rationalität. „Die Ablehnung emotionaler Verführung und Verblendung und das daraus resultierende Engagement für rationale Aufklärung und Kommunikation sind zentrale Motive seines Schaffens und ‚Denkens gegen Hitler‘“, schreibt Nerdinger.
Im allgäuischen Ort Rotis hatte der Gestalter seinen Lebensmittelpunkt. Dort war sein Atelier, seine Wohnung, dort lebte er mit seiner Frau Inge Aicher-Scholl. Der Fotograf Timm Rautert hat ihn dort viele Male zwischen 1972 und Aichers Unfalltod 1991 besucht. In Rauterts schönem Fotoband „otl aicher / rotis“ (Steidl Verlag, 160 Seiten, 35 Euro) geht es um diesen Ort, aber auch um die gleichnamige Schriftfamilie, die der gebürtige Schwabe dort entwickelte. In Rotis starb der große Designer Otl Aicher am 1. September 1991 nach einem Unfall an den Folgen schwerer Kopfverletzungen.
Zum 100. Geburtstag von Otl Aicher zeigt das HfG Archiv/Museum Ulm 100 Plakate des Designers. Die Arbeiten sind noch bis zum 8. Januar 2023 zu sehen.
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