Hommage an den alten weisen Mann: „Seine Stute ist ein Siegertyp, er ist auch ein Siegertyp“
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Chefreporterin Politik beim Fernsehsender „Welt“, Frau von Christian Lindner – und Co-Autorin von „Alte weise Männer“: Franca Lehfeldt.
© Quelle: Radio Bremen / Verena Hornung
Hannover. Das Interview mit dem Herausgeber aus dem eigenen Medienkonzern, das ist zweifellos eine der komplexeren journalistischen Stilformen. Schwer, da heil rauszukommen. Ist man zu kritisch, steigt die Gefahr, dass man beim Sektempfang für die neuen Chefredakteurinnenposten nur als Zuschauerin dabei ist. Ist man hingegen zu lieb, darf man sich der unfreundlichen Nachrede der eigenen Kollegen halbwegs sicher sein. Sieht man den Oberchef zudem als Vertrauten, duzt ihn öffentlich, zelebriert die Nähe, kriegt das Ganze gerne einen leicht klebrigen Charakter. Insofern muss man sagen: Franca Lehfeldt hat es sich nicht unbedingt leicht gemacht.
Andererseits hat sie aber ja auch niemand gezwungen, für ihr Buch ausgerechnet Stefan Aust zu interviewen.
Franca Lehfeldt ist 33 Jahre alt, Journalistin, sie arbeitet beim Fernsehsender „Welt“, ist dort Moderatorin und Chefreporterin Politik. Den größeren Teil ihrer Bekanntheit verdankt sie allerdings wohl der Hochzeit mit Christian Lindner, Bundesfinanzminister und FDP‑Vorsitzender, die beiden heirateten im vergangenen Jahr auf Sylt mit aufwendiger Inszenierung. Nena Brockhaus wiederum, 30, ist ebenfalls Journalistin, Buchautorin, Moderatorin bei „Bild-TV“. Zusammen haben die beiden ein Buch geschrieben, das sie als „Hommage an eine bedrohte Spezies“, so der Untertitel, verstanden wissen wollen.
Gestrig, patriarchal, autoritär
„Alte weise Männer“ (Gräfe und Unzer, 272 Seiten, 19,99 Euro) versammelt zehn Interviews mit, klar, Männern, von denen Lehfeldt und Brockhaus annehmen, das sie zu einer gesellschaftlich seit einigen Jahren geächteten Gruppe gehören. Der Titel spielt auf „Alte weiße Männer“ an, in der Tat ein absurdes Diffamierungslabel und zugleich Titel eines 2019 erschienenen Buches von Sophie Passmann (die ihr Buch allerdings noch als „Schlichtungsversuch“ angelegt hatte). Und mag Harald Schmidt neuerdings auch noch so sehr vom „Privileg“ schwärmen, ein „alter weißer Mann“ zu sein: Im Rest der Welt ist es doch überwiegend als Beschimpfung gemeint. Alt, weiß, Mann, das heißt angeblich: gestrig, patriarchal, autoritär. Bevorzugt bei jenen, die nicht alt, weiß und männlich sind.
So behaupten es jedenfalls Lehfeldt und Brockhaus – und sind nun selbst angetreten, die Sache wieder geradezurücken, als Ehrenretterinnen der älteren Herren, als Schätzerinnen der Weisheit. „Die Realität ist, dass Feministinnen den alten weißen Mann vehement für ihren Geschlechterkampf missbrauchen“, diagnostizieren sie in der Einleitung ihres Buches. Das aber wollen sie nicht stehen lassen. Und sie sagen auch erfrischend offen, warum. Alte weise Männer hätten in ihrem Leben bis dahin entscheidende Rollen gespielt, bekennen sie: „Ohne sie wären wir heute nicht da, wo wir sind.“ Sie seien es auch, „die unser Land am Laufen gehalten haben“ – mit Tugenden wie „Leistungswille, Opferbereitschaft, Pflicht und Disziplin“. Und jetzt? Sei ihnen der Undank sicher. „Vom feministischen Zeitgeist abgestraft, wirken sie zuweilen scheu, wenn eine Frau nach Rat oder konstruktiver Kritik fragt.“
Stefan Aust „scheu“ - ernsthaft?
Aber Moment, Peer Steinbrück, Mario Adorf, Stefan Aust –„scheu“? Der Herausgeber der „Welt“, einer der großen deutschen überregionalen Tageszeitungen, der nach eigenen Worten in diesem Buch jede Menge Talkshow-Einladungen ausschlägt: „in die Ecke gestellt“? Wenn das eine Ecke ist, dann ist sie jedenfalls hell beleuchtet. Und gut gepolstert.
Franca Lehfeldt und Nena Brockhhaus verfolgen in ihrem Buch einen grundsympathischen Ansatz: den des Dagegenseins. Sie haben ja recht, dass die Debatte über „alte weiße Männer“ absurd ist. Dass die meisten Deutschen Gendern nach wie vor als feindliche Übernahme verstehen. Dass moderne Gesellschaftsdebatten sich nicht in Tiraden auf die vermeintlich an allem schuldige Boomer-Generation erschöpfen kann.
Putzig wird es jedoch schon bei der Auswahl ihrer Gesprächspartner. Je fünf haben sich beide vorgenommen. Bedingung, um zu den „alten weisen Männern“ zu zählen: mindestens 70, Koryphäe auf seinem Gebiet und vor allem „Lebensleistung“. Da kam Franca Lehfeldt dann neben Stefan Aust auf ihren früheren Förderer bei RTL, Heiner Bremer, auf den früheren BMW- und Linde-Manager Wolfgang Reitzle, mit dem sie, wie sie in der Bremer Talkshow „3 nach 9“ verriet, regelmäßig sehr erbauliche Telefonate führt, und – ihren Vater, Kaufmann Claus-Holger Lehfeldt. Einzig Peer Steinbrück, Vorgänger im Amt ihres Mannes, fällt da aus der Reihe. Und Nena Brockhaus hätte neben den Schauspielern Mario Adorf, Heiner Lauterbach, NRW‑Innenminister Herbert Reul, dem Unternehmer Thomas Strüngmann und dem früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gern noch ihren Vater im Buch untergebracht, wenn der nicht erst 61 wäre. So muss er sich mit einer Widmung bescheiden – und der darin verbreiteten Gewissheit, dass er „in zehn Jahren der weiseste von allen sein wird“.
Der Wert von „Du findest doch auch, dass“-Gesprächen
Die anderen lassen Lehfeldt und Brockhaus dann aus ihrem Leben plaudern. Das liest sich oft dicht, nah, flüssig, auch weil kein kritisches Wort die Eloge auf das eigene Erreichte stört, es soll ja eine Hommage sein. Nur bringen „Du findest doch auch, dass“-Gespräche selten irgendeinen Gewinn. Gänzlich unangenehm wird es, wenn Lehfeldt und Aust sich in ihrem gegenseitigen Bestärkungskränzchen übereinkommen, dass die Welt im Allgemeinen und Deutschland im Speziellen akut vom Niedergang bedroht ist, weil ja niemand mehr arbeiten will.
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„Seine Stute ist ein Siegertyp, er ist schließlich auch ein Siegertyp“: So klingt es, wenn Lehfeldt über Aust schreibt. „Für einen ‚alten weisen Mann‘ bist du sehr aktiv und reflektiert“: So klingt es, wenn Lehfeldt „fragt“. „Wer arbeitet, ist offen der Dumme. Sich anzustrengen ist ja reaktionär“: So klingt es, wenn Aust antwortet. Und wenn beide sich dann gemeinsam über „Work-Life-Balance“ und ihre Verfechter ereifern (was Lehfeldt auch in anderen Gesprächen immer wieder gelingt), dann wirkt selbst der gestrengste Arbeitgeberverband dagegen wie die Linken-Ortsgruppe Lichtenberg.
Und die alten weisen Frauen?
Dieses Buch, sein Thema, der Zugang zu großen Namen: Aus all dem hätte etwas Gutes werden können. Eine Sammlung von Gesprächen über die Probleme, die mit der Zeit, in der diese Männer ihren Aufstieg schafften, verbunden sind. Was haben sie wahrgenommen von selbstherrlichem Männergebaren? Wie ist ihre Antwort auf den Wunsch, keine zehn Jahre lang Tag und Nacht für die Arbeit da zu sein (außer: Dann wird es mit Deutschland bergab gehen)? Lehfeldt und Brockhaus reduzieren sich auf die Rolle als Stichwortgeberinnen für die reibungslosen Erzählungen derer, die sie für große Männer halten. Sie selbst sehen das als Beitrag zu einem modernen Feminismus. Dabei machen sie sich selbst vor allem kleiner, als sie selbst sind, wenn sie mit großen Augen die Karrieren der Männer bestaunen – und dabei die Leistung all derer verkennen, die vielleicht keine Bundesfinanzminister geworden sind, aber in ihrem Bereich auch etwas geschafft haben, nur ohne Scheinwerfer. Ganz zu schweigen von den alten weisen Frauen.