Lübecker Liedermacher Wolfram Eicke in Ostsee ertrunken
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Starb mit 63 Jahren: Wolfram Eicke.
© Quelle: Wolfgang Maxwitat
Lübeck. „Wir haben das Gefühl, gleich kommt er vom Strand zurück“, sagt Hans Niehaus. Aber Wolfram Eicke kommt nicht mehr zurück. Er ist in der Nacht zu Mittwoch gestorben, ertrunken bei einem Bad in der Ostsee vor Haffkrug, wo er gewohnt hat. Er hinterlässt seine Frau, seine beiden Söhne, seine vier Enkelkinder. Und er hinterlässt jede Menge anderer Kinder, die mit seinen Liedern groß geworden sind, mit seinen Geschichten und Ideen. Er wurde nur 63 Jahre alt.
„Wolfram hatte ein unglaublich großes Herz“
Hans Niehaus war Lehrer und junger Familienvater, als er Wolfram Eicke in den frühen Achtzigern in Wulfsdorf kennenlernte, ebenfalls mit einer jungen Familie. Inzwischen lebt er in Groß Parin und ist seit dem vergangenen Jahr im Ruhestand. Seinen Freund hat er noch vor gut anderthalb Wochen besucht. Sie haben Pläne gemacht. Sie wollten im Herbst in Hamburg im Planetarium spielen und dachten, sie hätten jetzt endlich viel Zeit. Aber sie hatten sich geirrt.
„Wolfram war ein Bär, ein Baum von einem Mann“, sagt er. „Den hat nichts umgehauen. Und er hatte ein unglaublich großes Herz. Er hat geholfen, wo er konnte. Wenn man ihn um etwas gebeten hat, war er sofort da.“ Ein begeisterter Großvater sei er gewesen, die Familie habe im Mittelpunkt gestanden. Er sei aufs Katharineum gegangen und seiner Schule sehr verbunden geblieben. Und die Ostsee habe er geliebt. Sie hätten oft am Strand gesessen und aufs Meer geguckt, Feuer gemacht, gesungen, geredet, geschwiegen. Jetzt ist er in der Ostsee gestorben. „Ein unglaublicher Verlust.“
Eicke arbeitete als Journalist, bevor er Künstler wurde
Wolfram Eicke wurde in Lübeck geboren und hat als Journalist gearbeitet, für Zeitungen und fürs Radio, in London und Berlin, in Hamburg und Baden-Baden. Dann wurde freier Autor und Musiker. Er war 26, als sein erstes Buch erschien: „Wenn das Chamäleon rot wird – wer glaubt ihm, dass es sich schämt?“
Er hat Bücher für Kinder und Jugendliche gemacht, Bilderbücher, Sachbücher, Musicals, hat gezeichnet und gemalt. Er ist in Schulen gegangen mit seinen Geschichten und seiner Gitarre, auch im Ausland, in Schweden, Finnland, in Südafrika. Der größte Erfolg war „Der kleine Tag“, sein Märchen, das er zusammen mit Hans Niehaus und Rolf Zuckowski zum Musical gemacht hat. Es gab eine Goldene Schallplatte dafür, ist bisher von mehr als 500 Ensembles aufgeführt worden und kommt immer noch auf die Bühne, jedes Jahr etwa 150 Mal.
„Er war ein wunderbarer Gesprächspartner“
„Wolfram war ein ausgesprochen fantasievoller Mensch“, sagt Rolf Zuckowski. „Sehr mutig, er hat viel gewagt. Er fand sehr ungewöhnliche Bilder und dann dafür auch die Worte. Er war überbordend fröhlich, konnte aber auch sehr nachdenklich sein. Er war für mich ein ganz wunderbarer Gesprächspartner für philosophische Gedanken, auch für Kulturpolitisches. Er war so überraschend.“ Zuletzt haben sie sich vor zwei Monaten gesehen. Bei „Cosmo und Azura“ war das, einem neuen Stück von Eicke und Dieter Faber, bei dem Zuckowski auftraggebender Produzent und Berater war. Die Nachricht von seinem Tod sei völlig überraschend gekommen. Es habe keine Anzeichen von Schwäche oder Krankheit gegeben. „Er war immer sehr wach und hat sich nie formatieren lassen. Er kam auf Dinge, auf die nur Wolfram Eicke kommen konnte.“
Hans Niehaus erinnerte an die gemeinsame Arbeit mit dem Freund. An „Wer hat die Schuhe in den Kühlschrank gestellt?“, ihr erstes Projekt. An „Traue deinen Augen nicht“, eine Marionetten-Revue für Erwachsene, die ihre „Visitenkarte für Lübeck“ war und lange Jahre lief. An Hanns Dieter Hüsch, der sie Anfang der Neunzigerjahre in den WDR nach Köln einlud und sagte: „Ihr seid toll, aber jetzt müsst ihr drei-, viermal die Woche spielen“, und wie sie mit dieser Aussicht vor Augen ihre Kabarettkarriere auf der Rückfahrt erst mal für beendet erklärten. Auch „Das silberne Segel“ haben sie zusammen gemacht, eine Piratengeschichte. Und an einen Zwischenaufenthalt auf dem Flughafen in Wien erinnert er, wo sie mit einem Abfalleimer und einer ramponierten Gitarre ein bisschen Musik gemacht haben, bis die Ordnungsmacht einschritt.
„Er hat immer mit Herzblut gespielt“
„Er hat immer mit Herzblut und einer unglaublichen Vehemenz gespielt“, sagt Hans Niehaus und erinnert auch noch an „Entwischt“, ein Buch seines Freundes, in dem ein teuflischer Vertreter Sicherheit verkaufen wollte, aber nur die Angst brachte. Das, sagt er, habe ihm vor allem am Herzen gelegen: angstfrei und mutig zu sein. Wolfram Eicke selbst hat es auf seiner Homepage so formuliert: „Bücher bereichern mein Leben, seit ich Lesen gelernt habe. Am liebsten mag ich Geschichten, die Mut machen. Die zeigen, was im Leben möglich ist. Und wo es was zu lachen gibt.“
Peter Intelmann
LN