Von Zombies, Kiffern und Klaus
Nach einer Katastrophe leben nur noch zwei Spezies auf dem Planeten: die Harmonischen und die Chaoten. Sie treffen sich an der großen Mauer, zwei verlieben sich ineinander. Die Harmonie begrüßt das Chaos freudig, was dieses als Angriff versteht. Es beginnt ein Kampf, den die Liebenden zu beenden versuchen, denn die Zukunft des Planeten steht auf dem Spiel. Achtklässler von der Schule „An der Wakenitz“ haben sich diese Story ausgedacht, am Dienstag als Kurzoper „Charmonie“ auf die Bühne des Lübecker Theaters gebracht und damit den so genannten Opernbaustellen-Wettbewerb gewonnen, der in diesem Jahr zum vierten Mal stattfand und jungen Leuten das Thema Oper nahebringen soll.
Und das geht so. „Das Theater lädt in Kooperation mit der Taschenoper Lübeck Schüler der Klassenstufen sieben bis zehn, die sich für das Projekt beworben haben, zu dreistündigen Workshops ein“, erklärt Theaterpädagogin Katrin Ötting. Das einzige, das vorgegeben ist, sind vier Musikstücke: zwei Arien und zwei Duette aus Beethovens „Fidelio“. Thema, Handlung, Dialoge denken sich die Schüler unter Anleitung von Theaterpädagogen selbst aus, sie schreiben die Liedtexte um und entwickeln zusammen mit Regisseur Sascha Mink die Dramaturgie.
„Es war toll, dass wir alles selber gestalten konnten. Außer der Musik gab es keine Vorgaben, wir konnten unsere eigenen Ideen umsetzen“, schwärmt Sharon von der Schule „An der Wakenitz“. Sie hat auch vor dem Projekt bereits klassische Musik gehört, doch die wenigsten Schüler waren schon einmal in einer Opernaufführung. „Anfangs lachen viele über die Musik, aber später gehört sie selbstverständlich dazu“, sagt Moderator Julian Metzger von der Taschenoper.
Bei den Storys bewiesen die Jugendlichen eine blühende Fantasie: Die Schüler der Albert- Schweitzer-Schule inszenierten eine Liebesgeschichte zwischen einer an einer Persönlichkeitsstörung leidenden Bio-Lehrerin und ihrem kiffenden Schüler, die Julius-Leber-Schule ließ in „Die Rache der behaarten Frau“ Soldaten des 2. Weltkrieges auferstehen, die Willy-Brandt-Schule stellte in einem Eifersuchtsdrama die Frage „Wer ist Klaus?“, das Katharineum ließ Cyber-Hitler mit einem sächselnden Baum sprechen. Einspielfilme zeigten die Entwicklung und Probe aller Stücke.
Die drei von einer Jury bestplatzierten Gruppen durften ihre Mini-Opern mit Sascha Mink und Profi-Sängern einstudieren und im Theater aufführen. Das waren neben den Siegern mit „Charmonie“ die Klasse 9b der Thomas-Mann- Schule mit einem Stück über eine russische Pazifistin („Hände hoch“) erhielt den zweiten Platz und die Schüler der Baltic-Schule mit einer Liebesgeschichte in einem Waisenhaus.
Es ist dem Geschick der Theaterpädagogen (und der Förderung durch mehrere Stiftungen) zu danken, dass in so kurzer Zeit originelle Geschichten entstanden sind. Die tragenden Rollen mit Gesang übernahmen Margrit Dürr und Tobias Hagge in allen Stücken, auch die Schüler bewiesen viel Talent: beim Spielen, bei den Dialogen und der Pantomime. Unübersehbar war die Spielfreude – die Besucher jubelten. Und vielleicht traut sich ja nun doch der eine oder andere Jugendliche in eine Opernaufführung. Sharon jedenfalls sagt spontan: „Na klar.“
Von Petra Haase