Warum bald wieder überall Maibäume stehen – wenn sie nicht vorher geklaut werden
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Tradition: Vielerorts wird am 1. Mai der sogenannte Maibaum aufgestellt.
© Quelle: Federico Gambarini (Symbolbild)
Ein langer schmaler Stamm ragt in den Himmel. Er ist ganz nackt, nur ganz oben sind ihm ein paar Zweige geblieben. Bunte Kreppbänder fliegen im Wind. Am 1. Mai werden in vielen Gegenden Deutschlands traditionell Maibäume aufgestellt. Was hat es damit auf sich?
Die wichtigsten Fragen und Antworten
- Was ist ein Maibaum?
- Ist es ein Brauch, Maibäume zu klauen?
- Wie funktioniert das Maibaumklauen?
- Was hat das mit Frauen zu tun?
Was ist ein Maibaum?
Maibäume sind riesige, geschmückte Birken oder Nadelbäume. Sie werden entweder am 1. Mai oder auch Pfingsten aufgestellt. Sie sollen den Frühling begrüßen und böse Geister verscheuchen. Wie ein Maibaum geschmückt ist, um welchen Baum es sich handelt und welche Veranstaltungen mit dem Aufstellen einhergehen, unterscheidet sich regional. Teils sogar von Nachbardorf zu Nachbardorf. Grob kann man sagen: In Bayern werden eher Nadelbäume verwendet, der Norden und Mitteldeutschland setzt in der Regel auf Birken.
Was die Bäume eint ist: Sie sind allesamt riesig. Im Rheinland sind Maibäume bis zu 40 Meter hoch, in Bayern erreichen manche sogar eine Höhe von 56 Meter. Der Baum wird – je nach Region etwa mit bunten Kreppbändern oder Girlanden – geschmückt und an einem zentralen Platz des Ortes aufgestellt. Nicht immer ist der Maibaum frisch gefällt, manchmal wird der Stamm auch über mehrere Jahre benutzt. Nur die Krone wird ausgetauscht.
Ist es ein Brauch, Maibäume zu klauen?
In der Nacht zu Dienstag war es wieder so weit: Ein Maibaum, schon zum Transport verladen, verschwand plötzlich spurlos. Die Aufregung war groß, denn das war nicht irgendein Maibaum, sondern der „höchste Maibaum Deutschlands“. Das verkündete die Bayerische Zugspitzbahn. Der Baum sollte am Montag auf der Zugspitze aufgestellt werden. Wobei sich „höchster Maibaum Deutschlands“ auf die 2962 Meter Zugspitzenhöhe, in der er aufgestellt werden sollte, bezieht. Wie hoch der Baum selbst ist, ist nicht bekannt. Gestern tauschten die Diebe den Baum gegen Brotzeit und Bier ein. „Ganz nach Tradition“, wie die Zugspitzbahn zufrieden schreibt.
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Was dieser Fall gut zeigt: Beim Maibaumklauen handelt es sich in der Regel nicht um einen Diebstahl im klassischen Sinne. Es geht nicht darum, sich zu bereichern, sondern einen Streich zu spielen. Es gehört dazu, ist Teil des Spiels. Ein paar wenige Regeln gibt es dennoch: Der Baum darf nicht aus dem Wald geklaut werden. Das wäre dann tatsächlich Diebstahl und könnte angezeigt werden. Ist der Baum jedoch bereits gefällt und befindet sich im Dorf, zählt der Diebstahl vielen als Brauchtum. In anderen Orten gilt, dass Vereine oder Gruppen nur fremde Maibäume stehlen dürfen – nicht die aus dem eigenen Dorf. Eine andere Regel aus Bayern besagt, dass ein Maibaum nur in der Walpurgisnacht, also der Nacht auf den 1. Mai, geklaut werden darf.
Wie funktioniert das Maibaumklauen?
Wann ein Baum als gestohlen gilt und wann nicht ist je nach Ortschaft unterschiedlich. In Ostfriesland muss einer der Wächter immer eine Hand am Baum haben. Wenn die Gegner es schaffen, den Wächter so abzulenken, dass sie ihre Pflicht vernachlässigen, gilt der Baum als gestohlen. Eine Regel aus Bayern besagt, dass die Diebe erst die Gemeindegrenzen überschritten haben müssen. Werden sie vorher erwischt, müssen sie ihn wieder zurückbringen.
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Beim Klauen gilt jedoch: Der Schmuck muss intakt bleiben und das Hab und Gut der Maibaumbesitzer auch. Sonst gilt das als Sachbeschädigung. Der Stamm darf auch nicht zersägt werden, um ihn besser transportieren zu können. Wenn der Maibaum erfolgreich gestohlen wurde, kommt es zu der Auslösung. Die Diebe tauschen Bier oder Brotzeit gegen den Baum ein.
Was hat das mit Frauen zu tun?
Erstmal gar nichts. Denn das Maibaumaufstellen und -klauen ist traditionell Männersache. Es gibt aber in einigen Regionen den Brauch, dass Männer ihrer Angebeteten einen Mini-Maibaum in den Vorgarten stellen. Damit kommt diese zumindest mittelbar ins Spiel. Der Mini-Maibaumist auch geschmückt mit Kreppband, aber deutlich kleiner als das Original. Er wird in der Nacht zum 1. Mai aufgestellt.
Eine Tradition, die sich im 17. Jahrhundert entwickelt hat. Damals ging es jedoch darum junge Menschen innerhalb des Dorfes zu einer Ehe zu bewegen. Heute ist das Maibaumstellen eher wie eine Rose zum Valentinstag – nur eben etwas aufwendiger. Eine symbolische Geste, um den Gefühlen Ausdruck zu verleihen.