Die Wisente aus Fredeburg sollen abgeschoben werden
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Die Wisente sind in Fredeburg zuhause, müssen aber wahrscheinlich umziehen. Dem Kreis fehlt das Geld für den Unterhalt des Geheges.
© Quelle: Philip Schülermann
Fredeburg. Wenn Familie Wisent gemächlich und kraftvoll auf einen zu getrabt kommt, flößt sie einem schon gehörigen Respekt ein. Das Fell ist dunkelbraun, die Hörner wirken bedrohlich — und trotzdem scheinen sie doch ganz friedlich zu sein. Neugierig guckt der dreijährige Wisent-Bulle „Döbert“ mit seiner riesigen, felligen Nase durch den Zaun. Er lebt mit seinen Wisent-Damen in Fredeburg zwischen Ratzeburg und Mölln. Dort ist die kleine Familie zuhause.
„Flaute“, „Fleder“, „Flire“, „Flanke“ und Bulle „Döbert“ leben zurzeit noch auf der 14000 Quadratmeter großen Winterweide, bis sie bald auf die viel größere Sommerweide umziehen — dort gibt es frisches Futter. „Das natürliche Angebot ist das aufwachsende Gras“, sagt der Leiter der Kreisforsten, Henner Niemann. Familie Wisent fühlt sich wohl in Fredeburg.
Weil dem Kreis aber das Geld für die Versorgung der Tiere fehlt, sollen sie bis 2017 in die „Döberitzer Heide“ in Brandenburg umziehen. Schon 2013 wollte man die Herde weggeben, in letzter Sekunde habe man sich entschieden, die Wisente zu behalten. Nun scheint es aber keinen anderen Ausweg zu geben. „Für uns ist das natürlich schade“, sagt Niemann, denn das Wisentgehege habe Tradition. Vor etwa 40 Jahren zogen Vorfahren der heutigen Herde in Fredeburg ein. „Als Geschenk schwedischer Gäste“, erzählt Frank Hadulla, Leiter des Naturparks Lauenburgische Seen. Familie Wisent ist im Kreis verwurzelt. Bulle „Döbert“ wohnt seit 2012 bei ihr.
Das Wisentgehege an der B 207 ist ein touristischer Anlaufpunkt. Besucher des Ruheforstes und Spaziergänger bleiben am Gehege stehen und bestaunen die Rinder, die sich dicht am Zaun versammelt haben.
Sie lassen sich kaum stören und spielen mit Ästen, heben sie mit den Hörnern und schleudern sie umher. „Wenn die wüssten, wie viel Kraft sie haben“, lacht Niemann. Dem Menschen gegenüber seien sie friedlich, berichten die Wisent-Experten. „Manchmal möchten sie einfach nur knuffen“, sagt Niemann. Bei ihrer Kraft und der Größe wirke das nur manchmal aggressiv. Was aber passiere, wenn man sie in die Enge treibe — dann könnten sie bestimmt auch anders.
Für die Fütterung und den täglichen Blick nach dem Rechten ist Norbert Just (48) zuständig. Er kann sogar in das Gehege gehen — wenn die Tiere abgelenkt sind. „Das sind und bleiben wilde Tiere. Und das ist ihr Revier“, sagt er. Jeden Tag fährt der Maschinenbauer nach Feierabend zu der Herde und guckt nach ihr. Sie bekommen zu dem frischen Gras auf der Weide noch Kraftfutter. Sonst werden sie nicht satt. Als Beschäftigung dient frische Weide, von der sie die Rinde abnagen. „Außerdem schaue ich nach, ob der Zaun heil ist“, sagt Norbert Just. Das allein sei bei dem großen Gehege schon viel Arbeit.
Dass die Wisent-Familie vielleicht bald nicht mehr da ist, macht ihn traurig. „Das wäre schon schade“, sagt er. „Die Wisente gehören zu Fredeburg und zum Ruheforst. Solange ich lebe, leben auch die Tiere hier.“ Er sei in Fredeburg aufgewachsen — und mit dem Wisenten. „Aber was soll man machen.“ Wenn er könnte, würde er sich auch weiter um die Tiere kümmern.
Henner Niemann und Frank Hadulla hoffen, dass es der kleinen Herde in ihrem neuen Zuhause in Brandenburg gut gehen wird. „Das Gelände dort ist weitläufiger und die Herde größer“, sagt Hadulla.
Vielleicht gehe es der fünfköpfigen Wisent-Familie dort ja sogar noch etwas besser. Dass einige einen Umzug der Tiere traurig finden werden, ahnt Niemann bereits: „Ich glaube schon, dass einige Leute eine enge Bindung zu den Wisenten entwickelt haben.“ Trotzdem ist ein Umzug sehr wahrscheinlich. „Wir bereiten nun ein Konzept zur Umsiedlung vor“, sagt Niemann. Dann werde sich zeigen, wie es weiter geht. Hadulla und Niemann sind sich einig: Bevor ein Kompromiss auf Kosten der Tiere geschlossen wird, sollen sie lieber ein schönes Leben in der „Naturlandschaft Döberitzer Heide“ bekommen.
Familie Wisent weiß von den Plänen ihrer Besitzer noch nichts. Sie genießt lieber die warme Frühlingssonne — in der Ruhe liegt die Kraft.
Philip Schülermann
LN