Wie eine Kolumbianerin zur FSJlerin am Möllner Gymnasium wurde
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FSJlerin Tatiana Sophia Gutierrez Sanchez hat mehrere AGs am Marion-Dönhoff-Gymnasium betreut. Eine davon ist das Impro-Theater, das auch beim Sommerkonzert am 23. Juni auftritt.
© Quelle: Julia Dittmann
Mölln. Dass am Marion-Dönhoff-Gymnasium in Mölln ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) möglich ist, hat Tatiana Sophia Gutierrez Sanchez eher zufällig erfahren. Die Kolumbianerin hat nämlich vor vier Jahren ein Au-pair-Jahr bei einer Gastfamilie in Mölln gemacht, bei der sie derzeit auch wohnt. „Die Schule hat eine Mail rumgeschickt, dass sie jemanden für das FSJ sucht, und meine Gastfamilie hat mich gefragt, ob das nicht etwas für mich ist“, erzählt die 24-Jährige. Sie ging dann zunächst zurück nach Bogota, die Hauptstadt von Kolumbien, und studierte Philosophie im Bachelor. Ihr Ziel: Lehrerin werden, und zwar in Deutschland, mit den Fächern Philosophie und Spanisch.
„Unser FSJ ist flexibel. Es gibt feste Aufgaben, aber auch viel Raum für eigenes“, erklärt Franziska Jackisch. Sie ist pädagogische Koordinatorin an der Schule und aktuell auch kommissarische Schulleiterin. Gedacht ist der Freiwilligendienst vor allem für junge Menschen nach dem Abitur, die überlegen, auf Lehramt zu studieren. Auch ein Schwerpunkt auf Schulsozialarbeit lässt sich laut Jackisch legen. Die Möglichkeit zum FSJ besteht hier seit fünf Jahren – und bislang seien alle bei ihren Berufsplänen geblieben. Die Stelle ist aktuell wieder ausgeschrieben, Bewerbungen gebe es bisher jedoch keine.
Kein FSJ an der eigenen Schule
„Man muss Lust auf ein weiteres Jahr Schule haben“, sagt Jackisch. Damit der Rollenwechsel leichter fällt, werden keine Abiturientinnen oder Abiturienten der eigenen Schule genommen. Eine Ausnahme: „Wir hatten eine FSJlerin von uns, die aber zunächst ein Jahr im Ausland war.“ Zu den Aufgaben gehört vor allem die Unterstützung der Lehrkräfte – in den Klassen, bei Ausflügen, als Vertretung. Für das Kollegium seien die FSJler eine große Entlastung, entsprechend hoch sei die Wertschätzung.
Lieblingsaufgabe von Tatiana Sophia Gutierrez Sanchez ist die Betreuung ihrer AGs. „Ich habe ein Impro-Theater, einen Spanisch-Stammtisch und die Harry-Potter-Pause“, erzählt die Kolumbianerin. Sie sei zwar selbst kein Harry-Potter-Fan, aber die Schüler hätten dafür große Begeisterung gezeigt, und sie hilft mit ihrer Kreativität. „Alle sind in ihre Häuser sortiert, wir haben eine Karte des Rumtreibers erstellt und schreiben Fanfiction.“ Fanfiction sind Geschichten, die in einer bestehenden Roman-, Spiel- oder Filmwelt (Fandom) spielen, aber einer anderen, von Fans selbst ausgedachten Handlung folgen. Fans eines Fandoms schreiben auf, wie sie sich wünschen, dass einige Handlungsstränge sich entwickelt hätten.
FSJ auch an anderen Schulen in Mölln möglich
Die FSJ-Stelle am Marion-Dönhoff-Gymnasium in Mölln wird über den Paritätischen ausgeschrieben, der auch Träger ist. Laut Miriam Meschke, Teamleitung Freiwilligendienste der Gesellschaft für Paritätische Soziale Dienste, ist das Interesse leicht zurückgegangen, und es ist eine Tendenz zu kurzfristigen Bewerbungen zu beobachten. Wie groß das Interesse an Stellen ist, hänge demnach stark vom jeweiligen Einsatzgebiet ab. Aktuell sind in der Region noch einige Stelle offen.
Auch an der Gemeinschaftsschule in Mölln wird ein FSJ angeboten – zum ersten Mal. Die Stelle ist laut Jens Pechel bereits besetzt, es gab insgesamt drei Bewerbungen. Ziel sei, dass die FSJler möglichst viele Aufgabenbereiche kennenlernen, Gruppen und Projekte begleiten und bei der Hausaufgabenbetreuung unterstützen. „Unsere Stelle ist ab 18 Jahren ausgeschrieben, da unserer Meinung nach die nötige Distanz unserer ehemaligen Schülerinnen und Schüler direkt nach ihrem Abschluss noch nicht gegeben ist.“
An der Astrid-Lindgren-Schule in Mölln sollen FSJler die Arbeit im Förderzentrum kennenlernen und ein Gespür für die Besonderheiten der Kinder und Jugendlichen dort bekommen. Das schreibt Schulleiterin Kirsten Böttcher-Blank. Deshalb werde bei den Bewerberinnen und Bewerbern auf deren seelische Belastbarkeit geachtet. „Wir führen intensive Gespräche vor der Einstellung“, schreibt die Schulleiterin. „In unserem Berufsfeld ist die emotionale Belastung auch für gestandene Lehrkräfte hoch. Da braucht es Strategien, um Distanz halten zu können.“ Die Erfahrungen mit FSJlerinnen und FSJlern sei bislang aber durchweg positiv gewesen. „Neben der Erkundung des Berufsfeldes Sonderpädagogik findet auch Persönlichkeitsentwicklung statt.“
Wichtig für ein erfolgreiches FSJ ist für die 24-Jährige Eigeninitiative. „Es war anfangs nicht immer viel zu tun für mich. Deshalb bin ich selbst aktiv geworden.“ Nun ist das Schuljahr fast vorbei – und Gutierrez Sanchez ist traurig. „Ich werde schon gefragt, ob Schüler nach den Sommerferien wieder zum Impro-Theater kommen können. Aber ich bin dann nicht mehr da.“ Stattdessen wird sie sich nun pädagogisch weiterbilden, um dann Lehrerin werden zu können. Die Bürokratie in Deutschland sei gerade für Ausländerinnen und Ausländer kompliziert und anstrengend, aber die 24-Jährige möchte trotzdem bleiben. „Ich kenne schon die Sprache und Kultur. Außerdem sind die Arbeitsbedingungen hier besser, und man kann aufsteigen.“ In Kolumbien könnten Lehrkräfte, die sich weiterbilden, oft nicht entsprechend ihrer Qualifikation bezahlt werden.
Blick hinter die Kulissen
Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin gibt es für Tatiana Sophia Gutierrez Sanchez noch nicht. „Bewerbungen kommen immer zum Ende des Schuljahres, weil sich dann die Abiturienten fragen, was sie machen können“, erklärt Franziska Jackisch. Es mache sich allerdings bemerkbar, dass seit dem Ende der Corona-Pandemie Auslandsaufenthalte wieder unproblematischer sind – und damit beliebter. Jackisch hofft aber auf diejenigen, die sich für den Lehrberuf interessieren: „Ein FSJ an der Schule bietet den Blick hinter die Kulissen. Wir bekommen oft die Rückmeldung, dass der Respekt vor den Lehrkräften während des Dienstes steigt.“
LN