Perfide Betrugsmasche

Schockanruf bei Ratzeburger Rentner: „Ihre Tochter droht, sich umzubringen“

Die Polizei geht davon aus, dass die Dunkelziffer von Schockanrufen sehr hoch ist, denn nur wenige Opfer wenden sich an die Beamten.

Die Polizei geht davon aus, dass die Dunkelziffer von Schockanrufen sehr hoch ist, denn nur wenige Opfer wenden sich an die Beamten.

Ratzeburg. Trickbetrüger erzählen einem Rentner aus der Nähe von Ratzeburg am Telefon, seine Tochter sitze nach einem Unfall schwer traumatisiert in Haft und könne nur gegen viel Geld freigekauft werden. Der 75-Jährige ist geschockt.

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Erst nach dem Telefonat stellt er fest, dass er wohl mit Betrügerinnen und Betrüger gesprochen hat. Er dokumentiert das gesamte Gespräch – und stellt seine Notizen der Polizei und der LN-Redaktion zur Verfügung. Das Protokoll gibt detailliert wieder, wie die Täterinnen und Täter vorgehen, um ihre Opfer zu überrumpeln und zu überlisten. Das sind die Aufzeichnungen des Rentners:

Rentner protokolliert Betrugsmasche

Am Telefon war eine völlig aufgelöste weinerliche Frauenstimme, deren Worte ich nicht verstehen konnte, außer „Oh, Papa“. Dann wurde der Hörer übergeben an eine angebliche Polizistin namens Sonja Kraus. Diese fragte: Wie ist Ihr Name? Wann sind Sie geboren? Wie ist der Name Ihrer Tochter? Wann ist die Tochter geboren? Wo wohnt Ihre Tochter?

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Ich dachte zuerst, dass das zu meiner Legitimation gehört und beantwortete die Fragen. Dann unterbrach ich sie: „Sagen Sie mir, was geschehen ist!“ Daraufhin schilderte sie, dass meine Tochter eine 27-jährige Frau und ihre dreijährige Tochter überfahren hat. Das Kind sei sofort tot gewesen, die Mutter liege schwer verletzt im Krankenhaus und schwebe in Lebensgefahr.

Ich fragte: „Von wo rufen Sie an?“

Antwort: „Vom Amtsgericht.“

Meine Frage: „Ich möchte sofort kommen. Wo finde ich meine Tochter?“

Antwort: „Hier kommen Sie nicht ohne Erlaubnis rein, aber ich kann den Staatsanwalt Dr. Julius Bach fragen. Warten Sie einen Moment.“

Meine Frage: „Wo ist der Unfall geschehen?“

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Antwort: „Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich mich hier nicht so genau auskenne.“

Betrüger: „Ihre Tochter droht, sich umzubringen“

Nach einigen Klicktönen sagte eine männliche Stimme: „Hier ist Dr. Bach. Wissen Sie, was geschehen ist? Ihre Tochter war abgelenkt, weil sie am Handy eine SMS geschrieben hat. Sie hat den Unfall verursacht. Das ist fahrlässige Tötung und darauf steht eine Haftstrafe von sechs bis acht Jahren.“

Ich fragte wieder: „Wo ist der Unfall geschehen?“

Der Mann antwortete: „In Ratzeburg, wo genau, darf ich Ihnen nicht sagen, weil die Spurensicherung noch ermittelt. Ihrer Tochter geht es sehr schlecht. Sie droht, sich umzubringen. Ein Psychologe ist bei ihr und sie sollte im Moment keinen Besuch haben.“

Ich fragte: „Wo kann ich meine Tochter sprechen?“

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Antwort: „Das geht im Moment nicht. Sie blutet aus dem Mund. Aber ein Psychologe ist bei ihr. Ihre Tochter muss mit einer langen Gefängnisstrafe rechnen. Wir haben ihr den Pflichtanwalt Dr. Lindemann zur Seite gestellt. Der spricht im Moment mit dem Richter, ob ihre Tochter gegen Kaution freigelassen werden kann.“

Ich sagte: „Das wäre kein Problem. Ich komme sofort nach Ratzeburg. Können wir einen anderen Anwalt nehmen? “

Antwort: „Das können Sie später noch. Es handelt sich um eine größere Summe, damit ihre Tochter vorübergehend freikommt. Ich melde mich in fünf Minuten wieder bei Ihnen.“

„Frau Meier vom Betrugsdezernat“

Damit endete das Gespräch. Ich hatte starkes Herzklopfen bekommen. Was war zu tun? Ich rief meine Tochter auf dem Handy an, konnte sie aber nicht erreichen. Verwunderlich: Der Unfall sollte um 12.15 Uhr in Ratzeburg passiert sein. Meine Tochter arbeitet aber woanders und hatte mir morgens nicht erzählt, dass sie nach Ratzeburg fahren würde.

Nach fünf Minuten klingelte das Telefon. Eine Frauenstimme fragte: „Hatten Sie eben einen Anruf von einem Staatsanwalt oder der Polizei?“

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Ich antwortete: „Ja, hatte ich.“

Die Anruferin: „Das war ein Schockanruf. Alles ist in Ordnung.“

Ich fragte: „Wer sind Sie?“

Die Anruferin: „Frau Meier vom Betrugsdezernat.“

Telefonat wortlos beendet

Danach wurde das Telefongespräch wortlos beendet. Weil mir das komisch vorkam, rief ich bei der Polizei in Ratzeburg an und fragte nach einem möglichen Unfall. Dort war nichts bekannt. Eine Polizistin erklärte mir, dass es oft zu solchen Schockanrufen kommt und dass ich das der Kriminalpolizei melden sollte. Leider waren bei allen Gesprächen die Telefonnummern unterdrückt. Schließlich erreichte ich meine Tochter und erfuhr, dass an dieser Geschichte nichts dran war.

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Bei dem letzten Anruf von „Frau Meier“ handelte es sich offenbar um eine Finte der Betrüger, um mich von einer Anzeige bei der Polizei abzuhalten.

Polizei warnt vor Trickbetrügern – beim Friseur

In Lüneburg und Umgebung geht die Polizei nun einen neuen Weg, um potenzielle Opfer vor Trickbetrügern zu warnen. Die Beamten besuchen seit März Friseursalons, um die Kundinnen und Kunden dort über den sogenannten Enkeltrick, Schockanrufe, Whatsapp- und SMS-Betrug und andere Maschen aufzuklären. Gleichzeitig verteilt die Polizei Plakate und Flyer mit Verhaltenstipps.

Laut repräsentativer Umfragen besuchen mehr als die Hälfte der Männer spätestens nach acht Wochen wieder ihre Friseurin oder ihren Friseur. Frauen nehmen im Schnitt ungefähr alle zwölf Wochen einen Termin bei der Friseurin oder dem Friseur ihres Vertrauens wahr. „Damit hätten wir vier- bis sechsmal im Jahr die Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger oder deren Angehörige über den Besuch im Friseursalon direkt vor Ort auch mit Präventionsinformationen zu erreichen. Das wäre klasse!“, sagt Stefanie Lerche, die Leiterin der Polizeiinspektion Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/Uelzen

Friseurmeisterin Claudia Schmidt (l.) macht Doris Deuhs-Wagener die Haare, während Präventionsbeamtin Stella Giese von der Polizei über den Enkeltrick, Schockanrufe und andere Betrugsmaschen informiert.

Friseurmeisterin Claudia Schmidt (l.) macht Doris Deuhs-Wagener die Haare, während Präventionsbeamtin Stella Giese von der Polizei über den Enkeltrick, Schockanrufe und andere Betrugsmaschen informiert.

Anmerkung der LN-Redaktion

Der Polizeidirektion Ratzeburg sind Schockanrufe wie dieser nur allzu bekannt. Nach Angaben der Polizeisprecherin Jacqueline Fischer sind in den vergangenen Tagen aber eher SMS und Whatsapp-Nachrichten von Trickbetrügern im Herzogtum Lauenburg erfasst worden. Der Anruf in Ratzeburg sei, bezogen auf die jüngste Vergangenheit, eher ein Einzelfall gewesen.

Und doch kommen solche Betrugsmaschen von Zeit zu Zeit immer wieder vor. Wichtig zu wissen in so einem speziellen Fall wie in Ratzeburg: „In Deutschland gibt es keine Kaution und nach Unfällen wird nie eine sofortige Haftstrafe angeordnet, auch dann nicht, wenn der Unfall tödlich endete“, stellt Fischer klar.

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Ansonsten gelte immer: „Geben Sie keine personenbezogenen Daten oder Bankverbindungen an. Lassen Sie sich nicht schocken. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Wenn Sie sich unsicher sind, stellen Sie Nachfragen. Meistens legen die Betrüger dann schon schnell auf.“

Im Zweifelsfall sollten Betroffene nach der Beendigung des Gesprächs Familienangehörige oder andere Vertrauenspersonen kontaktieren oder auch den Polizeinotruf 110 wählen. Außerdem rufe weder die Polizei noch irgendeine andere Behörde jemals mit unterdrückter Telefonnummer oder mit der Notrufnummer 110 an. „Wir haben ganz normale Telefonnummern. Und wir fragen niemals nach Kontodaten, Wertgegenständen oder Bargeldbeständen“, sagt Fischer.

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