800 Gläubige gehen an Karfreitag den Kreuzweg
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Christoph Giering, katholischer Propst, und Petra Kallies, protestantische Pröpstin, tragen auf einem ökumenischen Kreuzweg gemeinsam ein Kreuz durch die Altstadt.
© Quelle: Markus Scholz/dpa
Lübeck. Eine große Menschenmenge ist Jesus damals zu seiner Hinrichtung auf den Golgatha-Berg gefolgt. Auch am Vormittag des Karfreitag hat sich an der Nordseite der Jakobikirche eine Menschenmenge versammelt, diesmal in Erinnerung an den Tod Jesus. Hinter einem schlichten Holzkreuz geht Erzbischof Stefan Heße mit Würdenträgern beider Konfessionen und Bürgermeister Jan Lindenau (SPD). 800 Gläubige folgen ihnen mit langsamen Schritten Richtung Burgtor. Sie schweigen oder singen: „Ubi caritas, et amor, ubi caritas, deus ibi est“ (wo Fürsorge ist, ist Liebe, dort ist Gott).
Alte und Junge sind gekommen, Familien und Menschen aus vielen Kulturen. Zum Beispiel ein Perser, der aus Angst vor Verfolgung in seinem Heimatland seinen Namen nicht nennen möchte, und sein Freund Mahmoud Khodadadifar: „Für uns bedeutet der Kreuzweg Erinnerung an den schweren Weg, den Jesus gegangen ist“.
Bei den Opfern sein
Drei Freiwillige tragen das Kreuz voran zur nächsten Station auf dem Burgfeld. Der Ort erinnert an die Deportation der Lübecker Juden. Wie die Nazis, glaubten auch die römischen Soldaten, „dass sie es sind, die die Welt zusammen halten, und dass ihr Imperium die Welt ist“, sagt der katholische Propst Christoph Giering in einer Ansprache. Auch Uni-Präsidentin Gabriele Gillessen-Kaesbach zieht Parallelen zwischen der NS-Zeit und der Hinrichtung Jesus. Sie erzählt eine Anekdote aus der Autobiografie des „Hitlerjungen Salomon“ Sally Perel, der von Nazis gefragt wird, ob er Jude sei, und mit einer Lüge sein Leben rettet. Im Alltag, sagt sie, erzählen wir wegen viel geringerer Dinge Unwahres.
Pröpstin Petra Kallies spannt den Bogen zu aktuellen politischen Ereignissen: Nach den rechtsradikalen Attentaten im neuseeländischen Christ Church habe die Premierministerin mit den Worten reagiert: „Ich werde niemals den Namen des Attentäters aussprechen, nur die Namen der Opfer“.
Bei den Opfern sein – der Legende nach hat der Nordafrikaner Simon von Zyrene diesen Grundsatz ganz konkret beherzigt, als er das Kreuz für Jesus trug, der keine Kraft mehr hatte. „Lassen Sie uns alle zu Samaritern werden“, appelliert Björn Engholm an der vierten Station des Kreuzwegs an der Jugendherberge. Unter dem großen Ahorn erinnert er an die Holstentor-Inschrift „Concordia domi foris pax“, „Drinnen Eintracht – draußen Friede“.
Vor einem Denkmal auf dem Jerusalemsberg endet der Kreuzweg, den der Kaufmann Hinrich Konstin 1493 angelegt hatte. Bischöfin Kirsten Fehrs erinnert daran, dass „Angst nie ein guter Ratgeber“ ist, und wünscht den Gläubigen ein schönes Osterfest. Die Chancen dafür stehen gut: Unter einer strahlenden Frühlingssonne ist es warm geworden, als die Menschenmenge sich langsam zerstreut.
Friederike Grabitz
LN