Kein Platz für Radfahrer auf der Roeckstraße
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Verwirrung in der Roeckstraße: Trotz Verbots nutzen viele Radfahrer weiterhin den Radweg.
© Quelle: Grabitz
St. Gertrud. Jeden Morgen begeht die Schülerin Jana (Name geändert) eine Ordnungswidrigkeit. Sie tut das bewusst, auch wenn sie damit eine Geldstrafe riskiert – aus Angst um ihre Sicherheit. Dabei war ihr Vergehen vor zehn Tagen noch legal: Auf der Fahrt zur Schule benutzt sie den Radweg an der Roeckstraße zwischen dem Radbruchplatz und Marli. Dieser Weg ist durch die Baumwurzeln der Allee so beschädigt, dass er am 11. Dezember stadtauswärts auf 800 Metern Länge aus Sicherheitsgründen gesperrt wurde (LN berichteten).
Offiziell wird der Radverkehr nun auf die Straße umgeleitet. „Die Strecke über die Straße ist gefährlich“, sagt das junge Mädchen. „Meine Schwester wurde hier schon angehupt“. Denn viele Autofahrer würden das Schild „Verkehrsführung geändert“ übersehen, genauso wie den Hinweis auf die neue Tempo-30-Zone am Beginn der Roeckstraße.
Die LN berichteten zum Thema
11. Dezember: Lübecks schlimmster Radweg ist jetzt gesperrt 20. November: Politiker beschließen Millionenpaket für Lübecks Radwege 29. Oktober: Planung: Radfahrer sollen auf die Straße ausweichen Haben Sie das gewusst? Darum heißt die Roeckstraße wie sie heißt Themenseite: Alle LN-Artikel über die Roeckstraße auf einer Seite
Jedes fünfte Auto zu schnell
Auch Holger Gewiss, der wenige Meter weiter sein Auto parkt, hat noch nicht bemerkt, dass es neue Regeln gibt, obwohl er hier jeden Tag entlang fährt. Er findet, dass die Fahrbahn für zusätzliche Radwege zu schmal ist: „Ich könnte Radfahrer hier nicht überholen, wenn es Gegenverkehr gibt“. Der Autoverkehr in der Roeckstraße müsste sich dann dem Fahrrad-Tempo anpassen.
Nicole Dorel, Sprecherin der Stadt, räumt ein, dass die Autofahrer „die Veränderungen noch nicht ausreichend realisiert“ hätten. Um für die neuen Regeln zu sensibilisieren und die Sicherheit zu erhöhen, führe der Ordnungs- und Verkehrsdienst Geschwindigkeitsmessungen durch. Demnach sei vergangenen Freitag- und Montagmorgen jedes sechste beziehungsweise jedes fünfte Auto zu schnell gefahren. Dass die Wegeführung für Fahrradfahrer gefährlich sein könnte, sieht Dorel aber nicht. Sie verweist auf eine Studie des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC), nach der Radfahrer auf der Straße besser wahrgenommen würden und deshalb sogar sicherer unterwegs seien.
Kein Geld für die Sanierung
Diese Studie bezieht sich allerdings auf Wege mit Markierungen für Räder – und diese Markierungen wird es wegen der besseren Witterung erst im Frühjahr geben. Das könnte ein Grund dafür sein, dass Radfahrer wie Jana Kobe sich nicht an die neuen Regeln halten. In einer einstündigen LN-Stichprobe nutzten zwei Drittel von ihnen weiterhin den Radweg oder auch den Fußgängerweg.
Hasan Ünlü, der hier oft zu Fuß unterwegs ist, hat dafür Verständnis. „Bisher fahren sie hier sehr rücksichtsvoll“, sagt er. „Der Radweg muss unbedingt neu gemacht werden – und er sollte breiter werden, so dass Fahrräder auch überholen können“. Die Pläne der Bauverwaltung sehen das nicht vor. Wegen der unter Schutz stehenden Bäume, so Nicole Dorel, wäre eine Sanierung zu teuer, deshalb sollen die Radwege zurückgebaut und beidseitig auf die Straße verlegt werden.
Als erste Hilfe schlägt Anwohner Thorsten Bartz vor, die Beschilderung besser sichtbar und eindeutiger zu gestalten. Beispielsweise sei es nicht klar, ob sich das Fahrrad-Verbotsschild auf den Fahrradweg oder den Bürgersteig beziehe, der wegen der Wurzelschäden schon länger viel von Radfahrern genutzt wird. Am Straßenbeginn fehle ein Hinweis für die Autofahrer, dass der Radverkehr auf die Straße geleitet wird. Wenn es ihn gäbe, würde sich auch Jana vielleicht wieder trauen, sich auf dem Weg zur Schule an die Straßenverkehrsordnung zu halten.
„Nicht wirklich glücklich“
Polizei und Fahrradclub ADFC sind mit der jetzigen Lösung auch nicht zufrieden. „Die Polizeidirektion Lübeck ist der Auffassung, dass die Instandsetzung oder Neuanlage des Radweges an der Roeckstraße die beste Lösung wäre“, sagt Polizeisprecher Ulli Gerlach auf LN-Anfrage, „in der gegenwärtigen Situation ist die Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde eine erforderliche Maßnahme.“ ADFC-Vorsitzender Wolfgang Raabe: „Wir sind nicht wirklich glücklich mit dieser Lösung.“ Der Fahrradclub spricht von „einer vertanen Chance, etwas Gutes zu tun“. Besser wäre es aus ADFC-Sicht gewesen, die Parkstreifen aufzuheben und dort Fahrradstreifen anzulegen. Dazu hätte das Pflaster entfernt werden müssen. Raabe befürchtet, dass das Radfahren auf der Straße viele Radfahrer abschrecken wird. Der ADFC schlägt vor, im Frühjahr 2020 die Nutzer zu zählen. Raabe: „Spannend ist die Frage, wie viele Radfahrer auf den Fußwegen fahren.“
Von Friederike Grabitz