Lebensgefühl Mofa-Fahren
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Starbesuch bei der Lübeck-Premiere des Kinofilms „25km/h“: Bjarne Mädel (50) vor dem Film – auf einer silbernen Hercules Prima 5 S.
© Quelle: 54° / Felix Koenig
Lübeck. Er sitzt auf einem Fremd-Mofa. Die silberne Hercules spielt keine Rolle im Film „25 km/h“. Aber sie steht vor der riesigen Kinoleinwand, von der das große Filmplakat prangt. Auf dem schwarzen Sitz hockt Bjarne Mädel – im Saal 6 in der Stadthalle. Starbesuch bei der Premiere in Lübeck.
Mofa-Fahren als Gegenentwurf
Drei Mofa-Gangs im Publikum. Männer mit Jeans-Kutten voll mit Aufnähern und Stickern – und die meisten schon mit leichtem Grauton im Haupthaar. „Es gibt viele Leute, die Mofa-Fahren belächeln“, meint Steven Kaun. Er ist mit 29 Jahren der Jüngste der Crew, Präsident „De Igels“ und ihm gehört die Hercules. Aber es gebe eben auch die Leute, die von ihren fetten Harleys steigen und die motorisierten Zweiräder bewundern, meint der Architektur-Student. Die Mofa-Gangs zelebrieren den Gegenentwurf zu den auf mächtig viele PS getrimmten Motorradklubs. Deren Mitglieder meist bierernst dreinblicken, gerne wichtig tun und die Macker der Straße sind.
Ein anderes Lebensgefühl
Das Lebensgefühl auf dem Mofa ist ein anderes. Mit Tempo 25 auf einem kleinen Gefährt durch die Lande cruisen, sich nicht ernst nehmen – und nicht darum scheren, sich dabei herrlich lächerlich zu machen. Eine großartige Eigenschaft, die dieser Film transportiert. Möglich machen das eine Zündapp ZD 25 und eine Puch Maxi. Und natürlich Bjarne Mädel und Lars Eidinger, die auf den motorisierten Zweirädern durch Deutschland rollen – und bei ihrem Road-Trip ihre Beziehung als Brüder aufrollen. Nicht durch Worte, sondern durch Tun: Tischtennisspielen, Fußballspielen, Mofafahren. Dabei hat der Film erstaunlich leise Momente, wenn dann doch Gefühle an die Oberfläche schwappen.
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Angenehmer Gesprächspartner: Bjarne Mädel (50) im Interview mit LN-Redakteurin Josephine von Zastrow (44).
© Quelle: 54° / Felix Koenig
„Mit der 80er bin ich gefahren wie eine Sau“
LN: Eigentlicher Hauptdarsteller sind ja die beiden Mofas. Sind Sie früher auch schon mal Mofa gefahren? Bjarne Mädel: Nee. Ich bin 80er gefahren – eine Yamaha RD 80. Die kam auf bis zu 100 km/h - den Berg runter. LN: Im Film sind Sie Zündapp gefahren. Wie schnell? Bjarne Mädel: Ich weiß es gar nicht genau, weil der Tacho kaputt war. Ich glaube, wir sind nachher fast 60 km/h gefahren. Wir mussten uns manchmal zwingen, nicht zu viel Gas zu geben, weil es sonst unrealistisch ausgesehen hätte. Bisschen schneller macht tatsächlich auch ein bisschen mehr Spaß. LN: Wer war denn schneller? Bjarne Mädel: Ich glaub schon, dass ich etwas schneller war. LN: Und – nach dem Film ein Mofa gekauft? Bjarne Mädel: Nee. Aber wir sind gespannt, ob wir mit dem Film einen Mofa-Boom auslösen.. LN: ... fahren Sie gar kein motorisiertes Zweirad? Bjarne Mädel: Neulich bin ich Motorrad gefahren. Ich habe einen guten Kumpel im Sauerland. Der so eine richtig schwere Maschine hat. Das macht schon sehr Laune. Aber ich habe auch wahnsinnigen Respekt, wie schnell einem da etwas passieren kann. Ich bin da eher ängstlich. Im Gegensatz zu früher. Mit der 80er bin ich gefahren wie eine Sau. LN: Das Mofa-Gefühl – kurz zusammen gefasst? Bjarne Mädel: Es ist wie Reiten ohne Pferd.
Sieben Mofas am Film-Set
Zum Film-Set gehören insgesamt sieben Mofas. Und zwei Schrauber – Mofa-Oli 1 und Mofa-Oli 2. Die haben jeden Abend an den Dingern gebastelt und sie wieder startklar gemacht. Denn der Verschleiß an Mopeds ist doch enorm beim Dreh. Die Zündapp gab es gleich vier Mal. Eine überlebt den Film nicht. Die Puch stand in dreifacher Ausführung am Set. Und jeweils eine der Mofas hatte einen Elektromotor. Denn: Wenn die Motoren knattern und die Kamera läuft, dann ist nichts von der Unterhaltung der Brüder zu hören.
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Entspannter Star bei der Lübeck-Premiere des Kinofilms „25km/h“: Lars Eidinger (42) sitzt Probe auf der silbernen Hercules und gibt den Lübecker Nachrichten ebenfalls ein Interview.
© Quelle: 54° / Felix Koenig
„Mein Tempo sind eigentlich 5 km/h“
LN: Sie sind mit der Puch durch den Film gefahren. Wie schnell – in echt? Lars Eidinger: Schneller als 25 km/h auf jeden Fall. Bjarne und ich haben uns dann auch gegenseitig immer ein bisschen ... LN: ... ein Rennen geliefert? Lars Eidinger: Man hat dann gemerkt, das der andere immer etwas schneller war – und dann ist jeder zu den Technikern gegangen und hat gefragt: Kannst du da nicht noch ein bisschen was machen...? LN: Und wer war schneller? Lars Eidinger: Am Ende Bjarne. LN: Sind Sie früher selber gefahren? Lars Eidinger: Ja, ich habe einen Heinkel Tourist Roller gefahren. Baujahr 1960, in Rot. LN: Und jetzt wird er nicht mehr gefahren? Lars Eidinger: Meine Frau ist nicht so begeistert davon. Und in Berlin ist es auch sehr gefährlich. Er steht in der Garage. LN: Wann haben Sie den Roller gekauft? Lars Eidinger: Ich habe ihn mir nach dem Abitur gekauft, da hatte ich etwas Leerlauf und bin im Sommer damit rumgefahren. Das ist ein Freiheitsgefühl. Man nimmt die Temperatur ganz anders wahr. Wenn man nach dem Winter die neue Batterie wieder einbaut und losfährt ... dann geht einem das Herz auf. LN: Das Mofa-Gefühl – kurz und knackig zusammen gefasst. Lars Eidinger: Mein Tempo sind eigentlich 5 km/h. Ich versuche auch zu entschleunigen. Und da sind 25 km/h .. ja, 25 km/h machen frei.
Unerfüllte Jugend-Sehnsucht
Und warum gerade diese beiden Mofa-Typen? Hinter der Zündapp ZD 25 steckt ein kleines Jugenddrama. Regisseur Markus Goller hatte so eine. Er hat sie extra gekauft, weil sie eine lange Sitzbank hat. Darauf wollte er ein Mädchen mitnehmen. Eine bestimmte. Aber sie hat sich nie darauf gesetzt. Eine unerfüllte Sehnsucht. Und die Puch? Mit dem hohen Lenker ist das eher ein Untersatz für Chopper-Typen – wie Lars Eidinger ihn im Film spielt.
Wer näht die Sticker auf die Mofa-Kutten?
Der kommt noch nach dem Film vorbei – in den Saal 6 der Stadthalle. Beeindruckt ist er von den Kutten der Mofa-Gangs. So eine will er auch. Aber: „Die Vorstellung, dass die Mutti die Sticker auf die Kutten nähen, finde ich lustig.“ Doch da hat er nicht mit Bernd Borchardt gerechnet. Der 55-Jährige von „De Igels“ meint: „Geht gar nicht, wenn Mutti das macht. Hab ich alles selbst drauf genäht.“
Josephine von Zastrow
LN