Lübeck beschließt den Klimanotstand
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Rund 100 junge Menschen veranstalteten ein „Die In“ vor dem Rathaus, in dem über den Klimanotstand beraten wurde.
© Quelle: Ulf-Kersten Neelsen
Lübeck. Lange, sehr lange, bis in die Abendstunden der Bürgerschaftssitzung haben sich SPD und CDU gegen die Ausrufung des Klimanotstandes gewehrt. Um 20.20 Uhr korrigierte SPD-Fraktionschef Peter Petereit diese Haltung. SPD und CDU würden den Begriff weiterhin kritisch sehen, „aber es soll an diesem Begriff nicht scheitern“, sagte Petereit unter großem Applaus.
Zuvor hatte Katjana Zunft (Linke) an alle Bürgerschaftsmitglieder appelliert, jetzt ein Zeichen zu setzen und dem Ruf der Jugend zu folgen. Zunft: „Konstanz, Kiel, Neumünster, Bad Segeberg und viele andere haben den Klimanotstand ausgerufen, in weiteren Städten ist es in Vorbereitung.“ Der Klimanotstand sei bittere Realität. Zunft: „Heute geht es nicht um Parteien, sondern um die Zukunft der Erde.“ Wenn viele Kommunen einen kleinen Schritt gehen würden, werde es ein großer Schritt.
„Ein ganz hervorragender Schritt, der uns die Schande nimmt, dass wir als erste Stadt den Klimanotstand ablehnen“, sagte Axel Flasbarth (Grüne) zur Kehrtwende der GroKo. Aber für Flasbarth ist das nicht genug, er drückt aufs Tempo. Schon zur Haushaltsberatung sollen Weichen gestellt werden. „Was wir brauchen, ist mehr Geld, das müssen wir im September zur Verfügung stellen, sonst verlieren wir ein Jahr“, erklärte Flasbarth, der sich ausdrücklich bei Fridays for Future bedankte.
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Antje Jansen (GAL) bedauerte, dass der Sinneswandel von SPD und CDU erst kurz vor Toresschluss erfolgt sei. Es sei jetzt aber wichtig, „viel Geld für konkrete Maßnahmen bereitzustellen.“ Viele hätten mit dem Begriff Notstand Probleme, räumte Michelle Akyurt (Grüne) ein. Aber die Stadt wolle jetzt ein Zeichen setzen, „dass wir jetzt radikale Maßnahmen in der Klimapolitik ergreifen müssen – auch in Lübeck.“
Es gebe in Lübeck keine Gründe, „sich selbstgefällig zurückzulehnen.“ Akyurt: „Wir sind nicht auf einem guten Weg.“ Die Klimaleitstelle müsse ständig ihre Streichung befürchten. Die Stadt gebe zu wenig Geld für Radwege aus. Die Stadtwerke würden Anteile an Kohleverstromung halten. Die Hansestadt sei nicht die „Speerspitze der Bewegung“, erklärte Akyurt.
„In meiner Generation hat man den Begriff mit den Notstandsgesetzen verbunden“, sagte Götz Gebert, Vorsitzender des Seniorenbeirates, „aber wir haben schon sehr früh unsere Solidarität mit den Schülern erklärt.“ Detlev Stolzenberg von den Unabhängigen dankte den Klimaschülern, dass sie auch mit zivilem Ungehorsam für ihre Ziele gekämpft haben.
Jetzt gelte es, konkrete Vorhaben wie die Bebauung der Teutendorfer Siedlung in Travemünde kritisch unter die Lupe zu nehmen, sagte Stolzenberg, und forderte die Klimaschüler auf, sich auch in solche Projekte einzumischen.
Lübeck sei seit Jahren aktiv im Umweltschutz, sagte Thomas Rathcke (FDP). Die Stadt habe in den vergangenen Jahren keine Grenzwert-Überschreitungen bei Emissionen gehabt. Im Gegensatz zu anderen Städten wie Stuttgart, die aber den Klimanotstand nicht ausrufen würden. Rathcke erinnerte daran, dass Lübeck nach wie vor seinen Haushalt sanieren müsse und nicht etliche Millionen bereitstellen könne.
Ulrich Pluschkell (SPD) wehrte sich gegen Vorhaltungen, dass Lübeck nicht genug tue. „Lübeck ist ökologisch wie kaum eine andere Stadt“ , rief unter Applaus seiner Genossen. Die Stadtwerke hätten sich a einem Windpark auf hoher See beteiligt und als eine der ersten Stadtwerke Elektrobusse angeschafft. Die Stadt habe zahlreiche Schulen für viel Geld energetisch saniert.
Bruno Hönel (Grüne) kritisierte, dass der Antrag von SPD und CDU zu unkonkret sei. Die Grünen hatten vor Kurzem einen Zehn-Punkte-Plan für den Klimaschutz vorgelegt. Hönel spricht von 15 bis 20 Millionen Euro pro Jahr.
Um 21.45 Uhr stimmte die Bürgerschaft mit großer Mehrheit für die Ausrufung des Klimanotstandes in Lübeck. Dagegen stimmten nur AfD und FDP. Zahlreiche konkrete Einzelmaßnahmen, die Linke, Grüne, Unabhängige und BfL beantragten, fanden keine Mehrheit. Die GroKo setzte durch, dass eine Steuerungsgruppe eingerichtet wird, die die Hausaufgaben machen soll.
Sophia Pott von Fridays for Future bedankte sich bei den Politikern, dass sie den Notstand beschlossen haben. Pott: „Der Begriff zeigt, dass es um unsere Zukunft geht.“
Kai Dordowsky
LN